Zwei Seelenverwandte
Das ungarisch-deutsche Gespann Ferenc Snétberger und Markus Stockhausen präsentiert in Bern sein lang erwartetes Duoalbum «Streams». Es überzeugt mit rarer musikalischer Transparenz und kammermusikalischem Jazz, der seinesgleichen vergebens sucht.
Vor acht Jahren veröffentlichte der ungarische Gitarrist Ferenc Snétberger auf Enja das Album «For My People», das ein Versprechen enthielt – ein Versprechen, das erst vier Jahre später eingelöst worden ist, und zwar mit der auf demselben Label erschienenen CD «Streams» (MV). «For My People» ist ein musikalisches Andenken Snétbergers an seine Landsleute vom Volke der Sinti und der Roma, die im Holocaust ermordet wurden. Die Platte ist zwar grossorchestral angelegt, ihr eigentlicher Höhepunkt sind aber drei Duette, die der Leader mit dem Trompeter Markus Stockhausen eingespielt hat. Beim Hören dieser drei Titel, in denen die vermeintlich entgegengesetzten Pole Komposition und Improvisation zusammenzufallen scheinen, wurde einem umgehend klar, dass sich da zwei Seelenverwandte gefunden hatten: Zwei Virtuosen auf ihrem jeweiligen Instrument, die sowohl durch ihre Ausbildung wie durch ihre persönliche Neigung über den Genres stehen. Eine grosse Rolle im Werk beider Musiker spielt die Klassik – auch die moderne: Markus ist ein Sohn des vor Jahresfrist verstorbenen Komponisten Karlheinz, dessen enger Mitarbeiter und Interpret er war. Für ihn sind Klassik und Jazz nicht ein Gegensatzpaar, sondern zwei sich befruchtende Idiome. «Streams» ist nun das lange erwartete Duoalbum. In brüderlichem GeistDass das gemeinsame Projekt von beiden Protagonisten in einem brüderlich-teilenden Geist angegangen worden ist, lässt sich allein schon daran ersehen, dass von den insgesamt zehn Nummern je zwei von Snétberger bzw. Stockhausen allein verfasst worden sind, währenddem die übrigen gemeinsam geschaffen wurden. All diese Kompositionen atmen eine Spontanität, die den improvisatorischen Gestus verrät, der an ihrem Anfang stand. In Stockhausens Worten lauten die Schritte zu einer neuen Nummer denn auch «spontane Einfälle, Herumtüfteln, Aufschreiben». Besagter Prozess kann durchaus seine Zeit in Anspruch nehmen: In der Tat ist der eine oder andere auf «Streams» dokumentierte Titel bereits vor Jahren entstanden.Das Ergebnis ist von einer raren musikalischen Transparenz, die damit zu tun hat, dass Snétbergers Gitarre Stockhausens Trompete nicht etwa rhythmisch «unterfüttert». Vielmehr umschmeicheln sich die beiden Instrumente wie zwei Liebende, wobei jedes seine besondere Stärke in das Duo einbringt: die Gitarre ihre filigran-versponnenen, von mancherlei Quellen gespiesenen Linien, die Trompete ihre aussergewöhnlich klangschönen Kantilenen, die jeder Singstimme Konkurrenz machen könnten. Der trauten Zweisamkeit entwächst so ein kammermusikalischer Jazz, der seinesgleichen vergebens sucht.
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