Viel Bewegung auf fast allen Stufen
Noch nie hatten die Zürcher Kunstturnertage eine so kräftige nationale Ausstrahlung wie die 94. Auflage in Wiesendangen. Auf dem Podium mischte auch der Bülacher Eddy Yusof die Schweizer Spitze auf.
Von Deborah Bucher Ueli Schneider, der im Zentralvorstand des Zürcher Turnverbands (ZTV) der Abteilung Spitzensport vorsteht, lehnte sich weit zum Fenster hinaus. «Die kantonalen Kunstturnertage verdienten sich Bestnoten. Wir definieren uns als grössten und bedeutendsten Wettkampf in dieser Saison», betonte er. Folglich soll der Stellenwert hochkarätiger sein als bei der Elite-Schweizer-Meisterschaft, die gewöhnlich das Mass aller Dinge in der Szene darstellt. In der 93-jährigen Geschichte der Veranstaltung werteten zuletzt jeweils einige wenige Topathleten das ZTV-Kräftemessen auf. Am Samstag stand in der Sporthalle Sagi in Wiesendangen vor vollen Rängen das Nationalkader lückenlos am Start. Die höchste Leistungsklasse P6 musste aufgrund des Andrangs in zwei Abteilungen geführt werden. Versammelt war ebenso der stärkste Nachwuchs des Landes. Verschiedene Umstände spielten den Zürchern in die Karten, sodass es fast kein Vorbeikommen an ihnen gab. Für die Schweizer Spitze wurde der Anlass zum Pflichttermin ausgerufen und als Referenzresultat zum Auftakt der Vorbereitung auf die WM im Oktober gewertet. Deshalb trat Niki Böschenstein erstmals seit September und langer Verletzungspause wieder an. Der 7. Rang war für ihn ein gelungener Belastungstest, selbst wenn er die Schwierigkeitsgrade der Übungen merklich reduziert hatte. «Auf alle Fälle fühlte es sich gut an. Denn immer nur Training ist nicht dasselbe, ich habe das Wettkampffeeling vermisst», sagte der Aargauer. Weiter führte der Weg an die Universiade im August in China oder ans Festival der europäischen Jugend im Juli in der Türkei über die Qualifikationen in Wiesendangen. Und die Junioren brachten sich drei Wochen vor ihren Titelkämpfen am 4./5.Juni in Maienfeld in Position. Schneider ergänzte: «Wir empfahlen uns als Hauptprobe, weil wir dafür bekannt sind, stets ein hochklassiges Kampfgericht einzusetzen.» Unter diesen Aspekten erwies sich seine eingangs aufgestellte Behauptung doch nicht als so gewagt. Die Empfehlung von Yusof Die Wahrnehmung des ZTV-Verantwortlichen lässt sich durchaus belegen und die qualitative Steigerung auch in eine quantitative ummünzen. Mit 467 Gemeldeten verkündete der stolze Pressechef Heinz Schumacher eine Rekordteilnehmerzahl. Die Kunstturnertage konnten bislang nur einmal eine annähernd so grosse Schar mobilisieren: 2007 in Oberglatt mit 442 Startern. «Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Zuwachs bei beträchtlichen 20 Prozent», erwähnte Schumacher. Dieser Run widerspiegelt sich in allen Kategorien. Dabei begleitete die 94. Durchführung etwas Paradoxes. Denn zum ersten Mal wurde nicht wie in den vergangenen knapp zehn Jahren der Kantonalmeister gekürt. Jene Entscheidung fällt am Zürcher Kantonalturnfest (24. bis 26. Juni in Wädenswil). Mit der Umdisponierung soll der Breitensportanlass mit 6-Jahres-Turnus aufgewertet werden. «Uns ist nicht das Kernelement weggebrochen. Denn die Kantonalmeisterschaft verstand sich seit langem als Wettkampf mit nationaler Ausstrahlungskraft», unterstrich Schneider. Dennoch wurde der beste Vertreter des Kantons ermittelt und entsprechend gefeiert – denn mit Eddy Yusof stach ein erst 17-jähriges Talent heraus. Der Bülacher belegte, gut aufgehoben im Feld der namhaften Schweizer Elite, den dritten Rang. An der Spitze behauptete sich Roman Gisi (Seltisberg) mit dem hauchdünnen Vorsprung von 0,05 Punkten vor Claudio Capelli (Bern). Yusof, Leader beim Silbergewinn des Schweizer Teams an der Junioren-EM in Birmingham und selbst noch Drittklassierter am Barren, zeigte bis auf die Übung am Reck, wo er vom Kurs abgekommen war, eine reife Leistung. Er bestach durch saubere Ausführungen und musste deshalb die geringsten Abzüge hinnehmen. Als Zwölfter ins Hintertreffen geraten ist EM-Teilnehmer Pascal Bucher (Wehntal). Der Kantonalmeister von 2009 war an seinem Paradegerät, dem Barren, ein sicherer Wert, patzte dafür am Pferdepauschen und stürzte am Reck. Die Inexistenz der Stadtzürcher So viele Athleten die Zürcher Kunstturnertage auch erreichen konnten, in der Stadt hört diese Bewegung auf. Gemäss Schneider ist dort das Turnen nicht mal nur an den Rand gedrängt, sondern inexistent. 2003 fand die Veranstaltung letztmals im urbanen Umfeld statt. Die Wahl des Austragungsorts fiel aber nur auf den Utogrund, weil die Infrastruktur überzeugte. «Es gibt vereinzelte Aktive in Zürich, diese sind allerdings bei Riegen auf dem Land engagiert. Doch eine Talenterfassung sucht man vergeblich», klagte Schneider. Dieses Phänomen reflektiert in seinen Augen das gängige Freizeitverhalten. In der Stadt seien trendigere, bequemere Sportarten gefragter als das aufwendige Turnen. Als einer der stärksten Vertreter wirbelte Claudio Capelli durch die Luft und nur knapp am Sieg vorbei. Foto: Reto Oeschger Unbeschwert hielt Eddy Yusof die Schweizer Elite in Schach. Foto: EQ
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