Sweet Home: Neue ArbeitsweltenZu Besuch im Office der «annabelle»
Die bedeutendste Schweizer Frauenzeitschrift hat ein neues, stilvolles Zuhause bekommen – mitten unter den angesagten Zürcher Viaduktbögen.

Zwischen hippen Restaurants und Geschäften blüht es unter einem der Viaduktbögen im Zürcher In-Quartier kokett rosa und salbeigrün heraus. Es ist das neue Zuhause der «annabelle»-Redaktion. Zu der wohl grössten, bedeutendsten und ältesten Frauenzeitschrift der Schweiz habe ich natürlich eine besondere Beziehung, denn ich leitete dort einmal einige Jahre das Moderessort. Zu meiner Zeit befand sich die Redaktion zuerst in einem alten Wohnhaus an der Morgartenstrasse, dann in Industrieräumlichkeiten in Altstetten, mit dem Schlachthof als Nachbar. Schon damals träumten wir von einem schicken Büro mitten in der Stadt. Einen solchen Traum machte die aktuelle Redaktion wahr.

Die «annabelle» hat eine lange Geschichte und gehörte zuletzt der TX Group an, welche sie 2019 dem Verlag Medienart verkaufte. So zog die Redaktion aus dem Grossraumbüro in Zwischenlösungen, sehnte sich nach einem eigenen, echten Zuhause und entschied sich, dieses unter einem der Viaduktbögen einzurichten.
Den Auftrag für die Planung und Einrichtung bekam die Interiordesignerin Jennifer Kossow von Rüegg-Naegeli. Sie kennt die Bedürfnisse, die Vorlieben und den Stil der Redaktion sehr gut.

Beim Eintritt in die Redaktion kommt man zuerst, ganz wie in den trendigen Wohnungen mit Loftcharakter, in eine offene Küche. Diese strahlt mit rosafarbenen Metrokacheln stylish zwischen den Viadukt-Steinwänden hervor. Am Fenster stehen kleine Tischchen, an denen man nicht nur Kaffee trinken, sondern auch Gäste empfangen kann. Jennifer Kossow hat ihren liebevollen Einrichtungsstil bis ins Detail geführt. So passen auch Vasen, Geschirr oder Gläser zum Look und natürlich zur «annabelle».
Doch wie lebt und arbeitet es sich denn nun im neuen Office? Darüber habe ich mit Kerstin Hasse, der stellvertretenden Chefredaktorin, gesprochen.

Kerstin, wie fühlst du dich in den neuen Redaktionsräumlichkeiten?
Die «annabelle» hat mit diesem Bogen ein richtiges Zuhause erhalten. Es ist super schön und schick eingerichtet und entspricht unserer Identität. Für mich ist es jeden Tag eine Freude, in dieses Office zu spazieren.
Wie ist es denn, mitten in einem Trendquartier zu arbeiten?
Das hat natürlich Vorteile. In den Viaduktbögen gibt es so viele spannende Geschäfte und Angebote – es ist ein sehr inspirierendes Umfeld. Neben uns hat zum Beispiel Meta Hiltebrand ihr Studio und da tauscht man sich auch mal bei einem Kaffee über Projekte aus. Über Mittag holen wir uns einen Zmittag im Restaurant Viadukt oder in der Markthalle, dazwischen machen wir eine Kaffeepause bei Vicafe oder eine Schlenderrunde durch den Walter Möbel.

Was unterscheidet die «annabelle»-Redaktion von einem normalen Büro?
Einerseits sicher die Infrastruktur: Man kann am klassischen Bürotisch mit einem zweitem Bildschirm arbeiten, muss aber nicht. Ich zum Beispiel arbeite sehr gern in unserer Küche am Fenster, da fühlt es sich an, als würde ich in einem Café sitzen. Die Begegnungen, die ebenfalls zu meinem Job gehören, bekommen ausserdem nochmals einen ganz anderen Stellenwert. Meetings können in unserer Küche abgehalten werden, Interviewpartnerinnen und - partner kann man in einem wunderbaren Setting willkommen heissen. Und wenn Feierabend ist, setzen wir uns auch mal gerne mit einem Bierchen vor den Bogen. So wird ein Büro zu einem Ort, an dem man sich gerne aufhält und nicht «nur» arbeitet.

In gerade mal sechs Monaten entstand aus der Location eine moderne, flexibel nutzbare, schick und praktisch eingerichtete Redaktion. Im September 2020 begann Jennifer im Austausch mit der Redaktion die Planung, und im März 2021 zog die Redaktion ein. Natürlich verwandelten sich die coolen Räumlichkeiten wegen der pandemiebedingten Homeoffice-Situation nicht sofort in das schwirrende, betriebsame Bienennest, dem eine Zeitschriftenredaktion ähnelt. Aber als ich vor ein paar Wochen an einem superheissen Tag mit meinem Hündchen Daisy zu Besuch kam, spürte ich, dass hier das Leben wieder erwacht.

Kleider wurden rein- und rausgetragen, in der Glaskabine hielt Medienart-Mitinhaberin Brigit Langhart gerade eine Sitzung mit einer freien Mitarbeiterin ab und ihr Hund Merida begrüsste freudig Daisy. Sie meinte, dass sie Daisy natürlich schon kenne, da sie ein Fan von Sweet Home sei. Ein Sweet Home ist wahrlich auch das clever und stylish eingerichtete Büro.
Den grossen, hohen, zweistöckigen Raum unter einem der Viaduktbögen hat die Interiordesignerin Jennifer Kossow in verschiedene Bereiche unterteilt: Das Erdgeschoss wird genutzt für Sitzungen, den Austausch der Redaktion, für Empfänge von Kunden, Lieferanten und Interviewpartnern und kann schnell und unkompliziert in eine Eventlocation für die Leserschaft umgewandelt werden. Im vorderen Bereich befinden sich eine Küche und kleine Tischchen. Im hintern Teil sind Arbeitsplätze mit Aussicht am Fenster entstanden, und in der Mitte stehen elegante Tische von Hay mit ebenso leichtfüssigen Stühlen von Wilkhahn. Über allem leuchtet in rosa Neonschrift auf salbeigrünem Untergrund das Logo der «annabelle». Eine Treppe, ebenfalls salbeigrün eingefasst, führt zu den Arbeitsplätzen an den Bildschirmen.

Da es für Calls und gewisse Gespräche Ruhe braucht, steht mitten im Raum eine schalldichte Rückzugskabine, die hier gerade von der Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin genutzt wird.

Geht man die Treppe hinauf, kommt man in die «Teppichetage» mit den Arbeitsplätzen der Redaktionsmitglieder. Die Redaktion hat eine Belegschaft von 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Teppich hat Jennifer einen «Meet X Beat» von Object Carpet gewählt, dieser strahlt Wärme aus und schluckt Schall und Lärm. Zudem vereinfachen salbeigrün bezogene, gepolsterte Schallwände das konzentrierte Arbeiten. Als Bürostühle dienen die «Physix» von Vitra.

Hinter den Schreibtischen stellt die Moderedaktion Outfits für Modeshoots zusammen. Dafür hat Jennifer anstelle der sonst meist eingesetzten Gitterwände ein Gitterstangenmodul entworfen, das mindestens so praktisch ist und erst noch stylish aussieht.

Zurück in den unteren Stock. Unter der Treppe kreierte die Interiordesignerin Stauraum und richtete den vorderen Bereich wohnlich ein. Da gibt es eine kuschelig hippe Sofaecke und kleine Tische mit Stühlen rundherum. Auch hier dominieren die beiden Hauptfarben: Salbeigrün und Blassrosa. Das kleine Sofatischchen ist vor allem Podium für frische Blumen und hat entsprechend einen «roten» Blumenteppich bekommen.

Unter der Treppe stapeln sich auf einem massgearbeitetem Regal die neuesten Ausgaben der «annabelle». Die Frauenzeitschrift gibt es bereits seit 1938. Seit März 2021, also gleichzeitig mit dem Einzug in die neuen Redaktionsräumlichkeiten, hat sie auch einen neuen Look und neue Inhalte. «Wir wollen noch mehr Haltung zeigen, sowohl optisch als auch inhaltlich etwas wagen, visionär sein und – auch politisch – Stellung beziehen», erklärt Kerstin Hasse die neue, frische «annabelle». Ebenfalls seit dem März ist eine neue, spannende Website online.
Wie war es denn für Jennifer, diesen Wandel mitzugestalten?

Jennifer, war es anders eine Redaktion einzurichten als ein klassisches Büro?
In der heutigen Zeit, in der neue Arbeitswelten immer wichtiger werden, kommen viele Unternehmen zu uns weil sie das klassische Büro hinter sich lassen wollen. Als Beraterin und Innenarchitektin weiss ich, dass es nicht eine Lösung für alle gibt. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter, ihre Arbeitsweise und der Führungsstil innerhalb des jeweiligen Unternehmens sind entscheidend, welches Büro geschaffen wird. So bin ich auch bei der Planung der Redaktion vorgegangen. Sehr wichtige Themen bei solch neuen Arbeitswelten sind Rückzugsmöglichkeiten, Orte für den informellen Austausch sowie das Gefühl der Zugehörigkeit. Lediglich einzelne Lösungen wie etwa die massgefertigte Kleiderwand waren sehr «annabelle»-spezifisch.
Wie bist du bei der Farbwahl vorgegangen?
Jede Farbe hat eine andere Wirkung im Raum und kann das Gefühl von Wohnlichkeit und Identität im Büro unterstützen oder gar das Gegenteil bewirken. Beim Konzept für die Räumlichkeiten im Viadukt habe ich dem Verlag, der Chefredaktorin und der Modechefin zwei Varianten vorgeschlagen. Das Team war sich schnell einig und mir war klar, in welche Richtung es gehen soll. Die gewählte Farbkombination aus zartem Rosa und Salbeigrün widerspiegelt die Identität des Magazins. In der Kombination sorgen die beiden Farben für Gelassenheit, Inspiration und Frische in den Räumen. Sie bieten also die optimale Voraussetzung für ein produktives und kreatives Zusammensein. Ergänzt habe ich diese Farbtöne mit dem satten Grün der vielen Pflanzen, welche auch für eine gute Luftqualität sorgen.

Wie beschreibst du deinen persönlichen Einrichtungsstil?
Ich lasse mich gerne auf Reisen und von anderen Kulturen inspirieren. Daher setze ich häufig Akzente mit farbenfrohen Boho-Stücken. Vintage-Möbel sind bei mir ebenfalls hoch im Kurs, da sie für mich ein grosses Stück Wohnlichkeit und Geschichte ausstrahlen. Wer weiss, welchen Weg diese bereits hinter sich haben. Da ich zwei kleine Kinder habe, darf die Funktionalität aber nie zu kurz kommen. Auch die Qualität der einzelnen Produkte ist für mich ein wichtiges Kriterium, damit die Möbel auch mal einen wilden Kindergeburtstag überstehen.

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