Böses Herz der Helligkeit
Der bildende Künstler und Schriftsteller Matias Faldbakken hat seine Trilogie der «Skandinavischen Misanthropie» mit einer Abrechnung mit dem postkolonialen Kapitalismus aus weiblicher Sicht abgeschlossen.
Rein in die Waschmaschine, Schleudergang an: Elfriede Jelineks Roman «Lust» über die sexuell gepeinigte Fabrikantengattin Gerti, einige Filme Lars von Triers sowie Joseph Conrads Novelle «Herz der Finsternis» ergäben, durcheinandergerüttelt, in etwa «Unfun» von Matias Faldbakken. Ganz ungeniert erlaubt sich der Norweger Sätze wie: «Wie gesagt, ich bin Negerin. Eine gebrochene Nase ändert da nicht viel.» Nach «The Cocka Hola Company» und «Macht und Rebel» setzt Matias Faldbakken, 1973 geborener Sohn des Romanciers Knut Faldbakken, nun seine Abrechnung mit dem postkolonialen Kapitalismus aus weiblicher Sicht fort. Blutige Schneise durch ParisDer Autor schlüpft in die Haut von Lucy, einer norwegisch-afrikanischen Mittdreissigerin, Mutter der Zwillinge Atal und Wataman. Die leidenschaftlichen Gamer sind für ihr sardonisches Lachen berühmt. Auch Lucy lacht, wenn ihr Ex Slaktus sie mal wieder schlägt und vergewaltigt oder umgekehrt. Das liegt am Heiterkeits-Gen des Ik-Stamms, für dessen Angehörige bei Schmerzen das Tucholsky-Motto gilt: «Lerne lachen, ohne zu weinen». Die seltsame Familie kommt wegen eines Projektes wieder zusammen, das der Fitness-Fanatiker, Phallokrat und «Gewaltintellektuelle» Slaktus nun endlich verwirklichen will: Das Online-Slasher-Game «Deathbox» verfolgt den Weg eines ausgebeuteten Strassenarbeiters aus den französischen Kolonien, der mit seiner gewaltigen Steinsäge eine blutige Schneise von Tod und Verwüstung durch die edelsten Pariser Arrondissements zieht. So wie Kapitän Marlow in Joseph Conrads «Herz der Finsternis» mit dem Flusslauf des Kongo die überlebte Zivilisation hinter sich lässt, um in die Wildnis als Hort der Düsternis und des sprachlosen Grauens vorzudringen, so stellt Faldbakken Europa als böses Herz der Helligkeit dar, als vermeintlich liberale und moralische Gesellschaft, in der das Geld regiert. Die ehemaligen Kolonialstaaten denken nicht daran, Afrika für ihre Raubzüge zu entschädigen, und auch mit der Emanzipation ist es laut Lucy nicht weit her: «Es ist keine Lösung, penetriert zu werden.» Shopping als LebenshaltungAls Ausgangspunkt für seine Arbeit nennt Matias Faldbakken «ein gewisses negativistisches Denken». Hatten die beiden im Partnertausch begriffenen Liebespaare im Roman «Ewig din» (1990) von Knut Faldbakken noch die Wahl zwischen verschiedenen Dramaturgien für ihr Leben, so ist Lucys Weg im Zukunftsroman «Unfun» vorgezeichnet: Ähnlich wie ihr unterjochter Bruder im Geiste mit der Steinsäge wütet, schlägt sie am Ende als Rachegöttin, als «Final Girl», ihre tödliche Schneise durch die irre Männerwelt. Dazwischen denkt sie über Shopping als Lebenshaltung oder Webdesign als «Kaltnadelradierung des Informationszeitalters» nach. In Max Stadlers wendiger anglophiler Übersetzung verspricht dieser «Gesellschaftsporno» ein Amüsement der eigenen Art, wenn auch nicht auf nüchternen Magen zu empfehlen. Das Buch Matias Faldbakken: Unfun. Roman. Aus dem Norwegischen von Max Stadler. Blumenbar Verlag, München 2009. 270 S., Fr. 35.90.>
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