Bio-Forellen vom Bergsee
Rund 90 Tonnen Forellen will die Bio-Fischzucht am Oberländer Blausee in diesem Jahr züchten. Nicht erst seit dem Drama um die Fischfabrik Melander in der Ostschweiz sind Zucht- und Tötungsmethoden nach Bio-Label im Aufwind.

Wild zappelt die Forelle im Netz. Soeben hat sie Sven Roth, Fischwart in der Bio-Forellenzucht am Oberländer Blausee, aus dem Becken gefischt, in dem sie mit mittelgrossen und ausgewachsenen Artgenossen einige Stunden auf den Tod gewartet hat. Roth wirft die Forelle in ein kleineres Becken, drückt auf einen Knopf – und setzt das Wasser unter Strom. Innert dem Bruchteil einer Sekunde ist die Forelle bewegungslos. «Die elektrische Betäubung ist die beste Methode», sagt Roth. In drei bis vier Minuten seien die betäubten Fische tot. Den schnellen Tod und die unverzügliche Verarbeitung verlangt das Bio-Suisse-Label in seinen Richtlinien. Maximal einen Tag lang bleiben die Fische laut Roth in diesem Becken. Manche Forellen werden anschliessend maschinell zu Filets verarbeitet; die Überreste landen im Abfall und werden etwa für die Biogas-Produktion verwendet.Die von der Bio-Forellenzucht am Blausee angewandte Tötungsmethode entspricht dem neuen Schweizer Tierschutzgesetz. Erlaubt wären auch der Schlag auf den Kopf oder der Genickbruch. Verboten ist hingegen das Abkühlen der Fische auf 10 Grad und das anschliessende zu Tode Schleudern in einer mit Eis gefüllten Trommel. In diesen Tagen schliesst die Fischfabrik Melander in Oberriet im st.gallischen Rheintal deshalb ihre Tore («Bund» vom 09.04.09); sie genügte den gesetzlichen Bestimmungen nicht. Seit Anfang April ist der Eigentümer dabei, rund 50 Tonnen tropische Welse zu vernichten. Die Biozucht wiederum ist bereits seit Längerem im Aufwind. Der Besitzer der Blauseezucht, Marcel Baillods, hat jüngst drei Millionen Franken in die Anlagen investiert – es handelt sich um eine der grössten ihrer Art in der Schweiz. In diesem Jahr will er 90 Tonnen Regenbogen- und Lachsforellen züchten – 30 Tonnen mehr als 2008. Alleine der Grossverteiler Coop nimmt laut Roth inzwischen mehr als die Hälfte der Forellen ab – für Filialen im Grossraum Bern. Einmal pro Woche beziehe Coop auch Forellen für Filialen in der ganzen Schweiz. Die restlichen Fische gehen etwa an Beizen im Kandertal oder werden via Internet direkt an Private verkauft. Die Bioproduktion hat einen stolzen Preis: Pro Kilo frisch ausgenommene Forellen verlangt die Blausee-Zucht 31 Franken, eine geräucherte Forelle kostet pro Kilo 52 Franken. Betriebskantinen etwa greifen aus Kostengründen lieber auf Billigfische wie den Pangasius aus Asien zurück. «Wir decken ein anderes Marktsegment als Melander ab», sagt Roth.Die vor 125 Jahren gegründete Blausee-Zucht liegt mitten in der Felslandschaft des Tals gleich neben der Kander. In den Becken der Neuaufzucht am Blausee tummeln sich gegen 600 000 «Rütlinge». Rund 80 Prozent werden dereinst zu ausgewachsenen Forellen, wie Roth sagt. Er füttert die Fische mit Körnern aus Bio-Anbau. Das für die Zucht ebenfalls notwendige Eiweiss erhalten die Forellen aus Fischmehl und Fischöl, das von Verarbeitungsresten der Küstenfischerei stamme. Bio-Suisse überprüfe die Einhaltung der Vorschriften mit Proben. Um den Anforderungen des Biolabels zu genügen, müssen die Forellen während mindestens 18 Monaten gezüchtet werden. «Der Aufwand ist gross», sagt Roth. So verfügen die Teiche und Becken vom Frühling bis im Herbst über Schattendeckel, damit die Forellen auch bei wärmeren Temperaturen ein Rückzugsgebiet haben. Im Gegensatz zu manchen konventionellen Zuchten würden die Fische in der Nacht zudem nicht belichtet. Auch in der Blauseezucht kommt es zu Kannibalismus – die Grossen fressen die Kleinen. Die Zucht unter freiem Himmel macht die Forellen ferner zum gefundenen Fressen für Fischreiher. Die Zucht wehrt sich etwa mit einem «Reiherschreck» – einer Art Vogelscheuche.15 Tonnen Bio-Forellen – rund 45 000 Fische – landen pro Jahr gleich in der Küche des zuchteigenen Gault-Millau-Restaurants am Blausee. Vom Filet über Paillards oder ein Tartar bis zum Mousse oder der Bratwurst aus geräuchertem Fisch: Die Forelle dominiert die Speisekarte in allen Variationen.
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