2:1-Sieg bei SionYB schüttelt im Wallis das Pech ab
Ein aberkanntes Gegentor, ein Foulpenalty in der Nachspielzeit: Die Young Boys entscheiden in Sion eine umkämpfte Schlussphase für einmal für sich.

Und plötzlich lebt sie, diese lange Zeit so träge Veranstaltung. Sion hat sich gegen YB in eine bereits verloren geglaubte Partie zurückgekämpft und einen äusserst drögen Nachmittag wiederbelebt. Schiedsrichter Luca Piccolo drückt den Knopf sekundenlang in sein Ohr, bis vom VAR das Signal kommt: Alles gut, der Treffer zählt, Filip Stojilkovic stand bei seinem Abstauber zum 1:1 nicht im Abseits.
Der Ausgleich – gefallen nach einem von der Latte zurückgeprallten Hackentrick von Sions Gaëtan Karlen – markiert den Auftakt zu einer wilden Schlussphase. Nur Minuten später verschätzt sich YB-Verteidiger Mohamed Camara, als er den Ball mit der Brust ablegen will. Karlen schaltet schnell, lanciert Stojilkovic, im Berner Tor lässt sich David von Ballmoos übertölpeln. 2:1, Ekstase, Sion hat das Spiel gedreht. Dann ein Pfiff, Enttäuschung, diesmal stand Stojilkovic hauchdünn im Abseits. YB im Glück.
1:1, noch gut zehn Minuten zu spielen, und würden die Young Boys diesen einen Punkt aus dem Wallis mitnehmen, würde das den Auftritt in etwa widerspiegeln. Eine dominante erste, eine weitgehend uninspirierte zweite Halbzeit, viel Widerstandskraft aus dem zuletzt so erlösenden 3:1 gegen Servette, nach wie vor eine gewisse Verunsicherung aus der durchzogenen Rückrunde.
In der 88. Minute kommt mit Nico Maier der letzte Einwechselspieler von der Berner Bank. «Ein Dribbling im Strafraum, etwas Gefahr, vielleicht ein Penalty», so habe er sich das noch erhofft, erzählt YB-Trainer Matteo Vanetta später.
Tramezzanis ultradefensive Einstellung
Fünf Minuten gibt Schiedsrichter Piccolo obendrauf, er will nicht kleinlich sein, der Austausch mit dem VAR war ausgiebig. YB kommt noch einmal zu einem Einwurf, lang fliegt er in den Strafraum. Sions Dimitri Cavaré grätscht, Camara hat den Ball mit einem Haken gerettet, Cavaré trifft stattdessen den heranrauschenden Ulisses Garcia. Der VAR informiert Piccolo, der schaut sich das alles noch einmal an – und pfeift Penalty für YB. Jordan Siebatcheu tritt an, und als er zum 2:1-Auswärtssieg für die Young Boys verwandelt hat, sind fast 97 Minuten gespielt.
Es sind Szenen, die eine kleine Berner Wende illustrieren. Nicht in dieser Partie, in der YB kontinuierlich abgebaut hat, sondern vielmehr in den letzten Monaten, in der diese Mannschaft sich so oft in den Schlussminuten noch ins Verhängnis und um Punkte gebracht hat. «Wie oft haderten meine Spieler zuletzt mit diesen Entscheidungen, die ein Spiel noch auf die eine Seite kippen lassen?», fragt Vanetta rhetorisch. «Dieses Glück nehmen wir gern», sagt Goalie von Ballmoos, «wir haben es uns auch erarbeitet.»
Angefangen hat alles ganz harmlos. Angeführt vom abermals gut funktionierenden Aufbau um Cheikh Niasse und Fabian Rieder sind die Young Boys früh spielbestimmend, zeigen jedoch auch, dass es um ihr Selbstvertrauen noch immer nicht allzu gut steht. Captain Fabian Lustenberger hat eine Kopfballchance, ebenso Niasse, später schliesst Rieder eine Kombination mit einem ungenügend platzierten Flachschuss ab. Es ist ein Bild, wie es sich bei YB oft gezeigt hat in den letzten Wochen: Der Gegner ist beschäftigt, das Geschehen unter Kontrolle, aber so richtig gefährlich ist das alles nicht.

In der zweiten Halbzeit kommt Sion besser ins Spiel, korrigiert die von Trainer Paolo Tramezzani ultradefensive Einstellung ein wenig mehr nach vorn. Camara patzt gegen Itaitinga, später klärt Niasse gegen den Brasilianer. Die YB-Abwehr ist plötzlich offen, Kevin Bua setzt den Ball einmal neben das Tor.
Vanetta reagiert, er bringt nach etwas mehr als einer Stunde Vincent Sierro und Lewin Blum, ebenso Wilfried Kanga. Drei Minuten später holt Blum einen Eckball heraus, Rieder tritt ihn, Sierro köpfelt die Flanke ins Tor. 1:0 durch den Walliser im YB-Trikot, ein Tor ausgerechnet in der ersten Druckphase des Gegners.
«Wir hatten die Partie im Griff», sagt von Ballmoos. «Und doch fehlte uns in dieser Phase die Ruhe am Ball.» Durch Tramezzanis defensive Nominationen verbleiben ihm auf der Bank noch Stojilkovic und Karlen. Die beiden Stürmer bringen Sion den Aufwind und den Anschlusstreffer, am Ende aber nicht die Wende.
Rang 2 ist jetzt näher als die Verfolger Lugano und St. Gallen
Für die Young Boys ist der Wert des kleinen Coups im Wallis gerade angesichts der kommenden Wochen nicht hoch genug einzuschätzen. Erstmals in diesem Jahr gewinnen sie zwei Spiele in Folge, die Partie nächste Woche in Lugano verliert dadurch etwas an Brisanz, nach dem 1:1 der Tessiner gegen GC beträgt der Vorsprung sechs Punkte, ebenso auf das gegen Servette siegreiche St. Gallen. Gegen die Ostschweizer tritt YB dann unter der Woche am 10. Mai an. Nacheinander gegen die beiden Cupfinalisten zu spielen, ist vor deren Spiel des Jahres womöglich keine schlechte Ausgangslage für die Young Boys.
Und weil der FCZ mit einem 2:0 beim FCB den letzten Schritt zum Titel machte, ist Rang 2 mit drei Zählern für YB jetzt näher als die Verfolger dahinter. «Jetzt bleiben wir erst mal clever und cool», sagt Vanetta, dessen Zukunftsaussichten für einen Verbleib bei YB mit jedem gewonnenen Punkt besser werden. Aus Sitten aber nimmt der Tessiner nicht nur den Sieg mit. «Wie die ganze Bank nach dem 2:1 zu Siebatcheu rennt, zeigt mir, wie gross der Zusammenhalt bei uns noch immer ist. Auch das nehme ich mit.»
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