«YB ist für mich klarer Titelfavorit»
Vor zwei Jahren ist Uli Forte als Trainer bei den Young Boys entlassen worden. Jetzt trifft er mit Aufsteiger und Tabellenführer FC Zürich erstmals auf seinen früheren Verein.

Vielleicht wäre Christoph Spycher heute nicht Sportchef der Young Boys – wenn er im Sommer 2014 dem Bitten von Uli Forte nachgegeben hätte. «Ich wollte damals unbedingt, dass er noch eine weitere Saison anhängt, weil er für die Mannschaft auch neben dem Platz sehr wichtig war», erinnert sich der Zürcher, der damals sein zweites Jahr als Trainer in Bern in Angriff nahm. Daraus wurde nichts, der Captain blieb bei seinem Entscheid, übernahm den Job des Talentmanagers bei YB, ehe er im Herbst 2016 zum neuen Sportchef ernannt wurde.
Forte schwärmt noch heute von der «hohen Sozialkompetenz» seines früheren Teamleaders. Spycher sei prädestiniert für das Amt des Sportchefs, er hätte ihm aber auch als Trainer viel Kredit gegeben, sagt er. Und ergänzt: «Als er zum Sportchef aufstieg, wusste ich: Jetzt wird es sehr interessant bei den Young Boys.» Nach einem Jahr sieht sich der FCZ-Trainer in seiner Vermutung bestätigt: «Spycher hat einen hervorragenden Job gemacht, mit YB einen neuen Weg eingeschlagen.» Weil er im Unterschied zu Fredy Bickel, der vor allem auf ältere und ihm vertraute Spieler gesetzt habe, «viele junge und hungrige Talente ins Kader holte». Forte ist überzeugt, dass dies die richtige Strategie ist. Und erwähnt nicht ohne Genugtuung, in Bern den erfolgreichen Prozess mit der Förderung von eigenen Junioren eingeleitet zu haben: «Unter mir als Trainer haben Spieler wie Frey, Mvogo, Bertone oder Hadergjonaj den Durchbruch in der Profimannschaft geschafft.»
Langes Warten aufs Wiedersehen
Für Forte ist das heutige erste sportliche Wiedersehen mit seinem früheren Club «eine besondere Freude», wie er sagt. Auch wenn es lange gedauert habe, bis es nun dazu komme. Fast ein Jahr musste er sich nach seiner Absetzung in Bern gedulden, bis er wieder einen Job fand. Es habe in dieser arbeitslosen Zeit auch Angebote aus der Bundesliga gegeben, «und einmal war ich wirklich ganz nahe dran». Es sei aber keine einfache Zeit gewesen, auf Offerten warten zu müssen. Dann, am 13. Mai des letzten Jahres, klappte es mit dem Engagement beim FC Zürich. Den drohenden Abstieg des Zürcher Traditionsclubs konnte Forte in den letzten drei Runden zwar nicht mehr abwenden, seine Zwischenbilanz nach 15 Monaten kann sich dennoch sehen lassen. Unter dem 43-jährigen Italiener holte der FC Zürich im letzten Sommer den Cupsieg gegen Lugano, hielt in der Gruppenphase der Europa League erstaunlich gut mit, schaffte die souveränen Rückkehr in die Super League und führt nun auf höchster Stufe nach vier Runden gar die Tabelle an.
Dass es nun YB ist, das heute zum Spitzenspiel in den Letzigrund kommt, passt Forte bestens ins Konzept. Wie zu seinen Zeiten in Bern liebt er es, wenn der den Gegner starkreden darf. Und wohlwissend, dass sie dies in Bern nicht sehr gerne hören, setzte er bei den Lobeshymnen für seinen früheren Club noch einen drauf. «YB», sagt Forte, «ist für mich der klare Titelfavorit. Das Kader ist in der Breite besser besetzt als Basel, der Mix von jungen und erfahrenen Spielern sehr gut.»
Schon zu Saisonbeginn war es Forte mit der Aussage, dass YB intern den Titelgewinn als Ziel ausgegeben habe, gelungen, für Aufregung zu sorgen. In Bern wird weiterhin strikt in Abrede gestellt, dass es diese Vorgabe gibt. Doch Forte bleibt auf Nachfragen bei seiner Darstellung. YB mache das heute «eben cleverer als früher», sagt er mit einem schelmischen Lächeln. «Als ich noch Trainer war, hat die Clubleitung öffentlich einen Titelgewinn zum Ziel erklärt. Heute, unter Spycher, machen sie solche Fehler nicht mehr.»
Typisch Forte ist auch, dass er nach diesen verbalen Sticheleien sogleich wieder von seinen «tollen zwei Jahren» in Bern zu schwärmen beginnt, wo er heute noch gerne hingehe, wo er viele Freundschaften pflege und wo er die Frau fürs Leben gefunden habe.
Frey als «Glücksfall»
Gefunden hat Forte in Bern in diesem Sommer auch den Stürmer, den er nach dem Aufstieg dringend gesucht hat. «Als ich gehört habe, dass Michael Frey zu haben ist, war ich sofort interessiert.» Präsident Ancillo Canepa wie Sportchef Thomas Bickel seien beide gleicher Meinung gewesen, sagt der FCZ-Trainer. Für Forte ist der 23-jährige Angreifer ein Glücksfall: «Er bringt die nötige Wasserverdrängung mit, ist immer in Bewegung und hat mit seinen zwei Treffern schon angedeutet, dass er auch seine Torgefährlichkeit zurückgefunden hat.» Warum Frey bei YB zuletzt nicht auf Touren gekommen ist, will Forte nicht kommentieren. «Ich bin einfach froh, dass er nun bei uns ist und sich so schnell integriert hat.» Bedenken, dass sein neuer Angreifer heute übermotiviert sein könnte, weil er es allen bei YB zeigen will, hat Forte nicht. Er fordert von Frey allerdings, «cool zu bleiben», auch wenn dies sicher eine sehr spezielle Partie für ihn sei.
Für Forte, wie auch für Frey, wäre ein Sieg heute gegen die Young Boys persönlich von ganz besonderem Wert. Und für den FCZ-Trainer eine späte Genugtuung, nachdem ihm Christoph Spycher 2014 doch einen Korb gegeben hatte.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch