«Wow, so viele Leute»
Wie Belinda Bencic nach ihrem Melbourne-Exploit gegen Venus Williams reagierte.
Als Belinda Bencic in den grossen Interviewraum des neuen Medienzentrums in Melbourne kommt, ist ihr das Erstaunen anzusehen. «Wow, so viele Leute», sagt sie und strahlt. Die 20-Jährige Ostschweizerin spielte sich zum Auftakt des Australian Open aber auch in den Mittelpunkt: Ihr 6:3, 7:5-Sieg über Venus Williams, die Weltnummer 5, war zwar keine Sensation, nachdem Bencic 20 ihrer letzten 21 Partien gewonnen hatte. Aber er war einer der grössten Siege für die frühere Juniorenweltmeisterin, die 2017 nach einer Handgelenkoperation fünf Monate lang verletzt ausgefallen war und seither ihr erstes grosses Turnier bestreitet.
«Alle hatten nach der Auslosung gesagt, ich hätte Pech gehabt», erzählte Bencic. «Aber ich sah das anders: Ich freute mich auf die Partie und wollte einfach meine Chancen packen.» Als sie in ihrer Kindheit und Jugend die Williams-Schwestern am Fernsehen gesehen habe, hätte sie nie gedacht, irgendwann selber noch gegen die beiden Champions antreten zu können – und nun habe sie sogar beide einmal schlagen können (gegen Serena siegte sie 2015 in Toronto). «Es gibt nicht viele, denen das gelungen ist. Darauf bin ich mega stolz.»
Williams, eine frühere Weltranglistenerste und 7-fache Grand-Slam-Siegerin, war mit 37 Jahren und 212 Tagen die älteste Spielerin im Feld. Die Vorjahresfinalistin, die schon ihr 77. Grand-Slam-Turnier bestritt, kommentierte die Startniederlage zwar wortkarg, aber fair. «Ich spielte keinen schlechten Match, aber sie wuchs über sich heraus. Das muss ich anerkennen.»
Ein «Tweener» als gutes Omen
Es war ein Sieg der Taktik, der Nerven, des Könnens und Glaubens. Viermal schon hatte Bencic gegen Venus Williams gespielt und dabei keinen Satz gewonnen. «In den ersten Partien hatte ich zu viel Respekt vor ihr», weiss sie inzwischen. Nun sei es ihr gelungen, ihr ganzes Können zu zeigen, unbeschwert anzugreifen. «Der Schlüssel war, dass ich sehr gut retournierte.»
Tatsächlich liess sie nur fünf Asse zu – und schlug selber gleich viele. «Ich erreichte ein sehr hohes Niveau. So gut habe ich seit Anfang 2016 nicht mehr gespielt», sagte Bencic. Dabei war sie nach ihrer Handgelenkoperation im Herbst nur noch die Nummer 318. Seither hat sie sich an kleineren Turnieren mit vielen Siegen auf Rang 78 zurückgekämpft, zusammen mit dem Briten Iain Hughes, der sie seit vergangenem Sommer coacht.
Der Tag hatte schon gut begonnen. Erstmals überhaupt gelang ihr im Training ein «Tweener», ein Schlag zwischen den Beinen hindurch. «Das war ein gutes Omen. Ich hatte diesen Schlag schon so lange vergeblich versucht, dass ich es schon aufgeben wollte.» Eine andere nette Überraschung war, dass Roger Federers Eltern Lynette und Robert ihre Partie in der Laver-Arena mitverfolgten. «Darüber freute ich mich sehr.»
Federer als Gratulant
Roger Federer war dann einer der ersten Gratulanten, als sie zurück in die Players Lounge kam. Der Vorjahressieger war auch in Bencics Interviews immer wieder ein Thema. Noch einmal musste die frühere Top-10-Spielerin erzählen, wie wertvoll für sie die Woche an der Seite des 19-fachen Majorsiegers beim Hopman-Cup in Perth war, wie sehr er ihr geholfen habe.
Auf dem Court hatte Bencic auch durch mentale Stärke beeindruckt. Nachdem sie sich das erste Break der Partie zum 4:3 erkämpft hatte, entwickelte sich das längste Game. Sie musste fünf Breakbälle abwehren, ehe es so stark regnete, dass es zum Unterbruch kam und das Dach geschlossen wurde. «Das war eine enorm heikle Situation», so Bencic. «Ich war zwar nervös. Aber ich überlegte mir in der Pause, wohin ich servieren würde.»
Sie schlug, als es weiterging, ein Ass, liess einen Rückhandwinner folgen, und schon stand es 5:3. Wenig später war der Satz gewonnen. Nervenstark war sie auch im zweiten Durchgang, in dem sie zuerst zweimal gebreakt wurde, zum 1:1 und 2:2 aber zweimal gleich das Rebreak schaffte. Nach 1:53 Stunden verwertete sie als Rückschlägerin ihren ersten Matchball, worauf sie den Schläger fallen liess und die Hände in den Himmel hob.
In Runde 2 trifft Bencic entweder auf Luksika Kumkhum, eine Qualifkantin aus Thailand, oder die Schwedin Johanna Larsson. Viktorija Golubic, die zweite Schweizerin im Hauptturnier, unterlag Kateryna Bondarenko 6:7, 6:4, 2:6.
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