Weekend-Tipp Bad Waldsee (D)Wohnmobil-Geschichte in einer gigantischen Box
Das Erwin-Hymer-Museum in Oberschwaben führt durch die Geschichte des mobilen Reisens: Das ist so abwechslungsreich wie Ferien im Wohnwagen oder Camper selbst.

Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Fridel Edelmann hätte sich 1931 nicht träumen lassen, welche Folgen ihr Wunsch an ihren Verlobten haben würde. «So etwas Ähnliches wie ein Zigeuner-Wagen, in dem wir zusammen fahren und ich auch malen könnte, das wäre das Richtige für uns», schrieb die Landschaftsmalerin an Arist Dethleffs, unglücklich über die oft wochenlangen Streifzüge des Handelsreisenden für Reitpeitschen und Skistöcke.
Arist Dethleffs liess sich nicht lange bitten. Er baute in Isny im Allgäu den ersten Wohnwagen Deutschlands – ein einachsiges Gefährt mit Hubdach für gutes Licht zum Malen und einem Kinderbettchen. Für sein «Wohnauto» erhielt der Tüftler dermassen viele Anfragen, dass er schon bald Fahrzeuge im Auftrag fertigte und das Geschäft mit Reitpeitschen und Skistöcken aufgab.
Haus der Reiseträume
Seine Erfindung steht am Beginn einer Erfolgsgeschichte, die das mobile Reisen grundlegend verändern sollte – und die im Erwin-Hymer-Museum im oberschwäbischen Bad Waldsee ausgiebig nacherzählt wird. Erwin Hymer war selbst ein Pionier des Caravanings. 1956, als in der Wirtschaftswunderzeit das Fernweh der Menschen zunahm, konstruierte er als junger Ingenieur seinen ersten Wohnwagen. Dieser stand am Anfang einer Modellserie, die bis heute gebaut wird. Fünfzehn Jahre später läutete er mit dem Hymermobil die Ära der integrierten Reisemobile ein.
Der Name des Unternehmers ist längst zum Inbegriff für fahrbare Eigenheime geworden. 2011 setzte Erwin Hymer der Welt des mobilen Reisens in der Nähe des Firmensitzes ein Denkmal und begründete ein Museum: ein auffälliges Gebäude mit riesigen Glasfassaden – wie Caravan-Fenster. Das Bauwerk liegt in der sanft hügeligen Landschaft des «Himmelreichs des Barocks», wie Oberschwaben wegen der prunkvollen Kirchen, Klöster und Paläste genannt wird.
Traumstrasse ins Glück
Das Museum präsentiert eine Sammlung mit über 250 zum Teil historischen Fahrzeugen, diese sind jedoch mehr als chronologisch aufgereihte Schaustücke. Denn die Ausstellung ist als Erlebniswelt konzipiert. Darin wandeln Besucherinnen und Besucher auf einer «Traumstrasse», die über zwei Geschosse und zu neun Sehnsuchtsorten von Wohnmobil-Fans führt.


Entlang der Route stehen historische Caravans, Reisemobile und Campingbusse in allen Grössen, Formen und Farben. Dazu original erhaltene und sorgfältig restaurierte Oldtimer wie die traumhaft schöne Borgward Isabella oder der riesige Strassenkreuzer Edsel Ranger.
Am Anfang der Ausstellung steigt man eine Rampe hoch. Diese symbolisiert die Bergstrassen, auf denen sich in den 1930er-Jahren die ersten «Autowanderer» mit kochenden Kühlern hinaufquälten. Die ersten Wohnwagenmodelle wirken rührend, sie bieten gerade mal zwei Personen Platz zum Schlafen. Wie eben das Wohnauto von Arist Dethleffs oder die Karawane S 39 von Sportberger, die wegen ihrer Stromlinienform im Volksmund auch Wanderniere genannt wird.
Die Zeitreise geht in den 1950er-Jahren weiter und führt über die Alpen ins Land, wo die Zitronen blühen.

Noch immer sind bescheidene Wohnkistchen auf Rädern in Mode, da sie aus Rücksicht auf den Geldbeutel des kleinen Mannes und auf PS-schwache Motoren schlicht und leicht gebaut sein mussten. «Käfertauglichkeit» galt damals als verbindlicher Massstab – denn meist mussten Volkswagen die Anhänger durchs Land ziehen. Mit wachsendem Wohlstand und besserer Fahrzeugtechnik rücken die Ferienziele weiter in die Ferne. Von den Pilgerreisen der Blumenkinder nach Indien in den 1960er-Jahren zeugt ein mit allerlei Reiseutensilien und Werkzeug ausgestatteter VW-T1-Bus.
Reisen unter Wasser?
Überdies geht es zur Ostsee, durch die Wüsten Nordafrikas, dann über den Atlantik auf die Route 66 in den USA und schliesslich hinauf in den hohen Norden zum Nordkap. Auch komfortabler wird das fahrende Heim. Bald gehören Herd, Heizung, fliessendes Wasser sowie eine Toilette zur Grundausstattung.

Der Rundgang endet nicht etwa bei den Caravans der Gegenwart, in denen sich die Reisenden weit weg von zu Hause wie zu Hause fühlen. Er geht weiter und führt zu Fragen der Zukunft: Wo landen wir morgen? Werden wir unter Wasser reisen? Mit Fahrzeugen, die Auto, Jacht und Wohnmobil zugleich sind? Die Zukunft des Reisens bleibt spannend.
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