Wohngemeinschaft statt Asylheim
Minderjährige Asylbewerber müssen künftig früher ihre Zimmer in den Wohnheimen verlassen. Der Kanton Bern stellt weniger Geld für ihre Betreuung zur Verfügung.

Minderjährige Asylbewerber müssen sich in Zukunft einschränken: Von ihnen wird verlangt, dass sie vermehrt Secondhand-Kleider tragen oder das Halbtax-Abonnement selbst bezahlen. Zudem sollen sie früher aus den Wohnheimen in weniger betreuungsintensive Wohnsettings wechseln – in eine Art Wohngemeinschaft.
Der Grund dafür ist, dass der Kanton Bern seine Beiträge an die Betreuung der jungen Asylbewerber kürzt, die ohne Eltern oder Verwandte in die Schweiz gelangen. 140 Franken pro Tag und Person müssen reichen. Dies hat der Regierungsrat beschlossen, wie er am Mittwoch mitteilte. Bisher lag die Tagespauschale bei 171 Franken. Den Entscheid fällte die bernische Regierung nicht freiwillig. Sie reagiert damit auf die Ablehnung des Asylsozialhilfekredits durch die Stimmberechtigten im vergangenen Mai.
Ältere in Durchgangszentren
Am einschneidendsten sind die Änderungen beim Wohnen. «Wir werden vielen Jugendlichen früher als bisher mehr Selbstständigkeit in der Alltagsbewältigung abverlangen müssen», sagt Annie Ortelli, Geschäftsleiterin der Gesellschaft Zentrum Bäregg, die im Auftrag des Kantons für die Betreuung verantwortlich ist. In betreuten oder begleiteten Wohnformen müssen Jugendliche den Haushalt mehrheitlich selber führen. Sie sind auch selbst dafür verantwortlich, dass sie am Morgen rechtzeitig aufstehen, um in die Schule oder zur Arbeit zu gehen. «Ob das funktioniert, muss sich erst zeigen», sagt Ortelli.
Über 17-Jährige, die genügend selbstständig sind, sollen künftig sogar in den normalen Asylstrukturen untergebracht werden – zum Beispiel in Durchgangszentren. Für sie wird die Tagespauschale auf 80 Franken reduziert. Kinder und Jugendliche, die hochgradig gefährdet oder gefährdend sind, werden derweil nicht mehr vom Zentrum Bäregg betreut, sondern werden vom kantonalen Amt für Migration einer «geeigneten externen Institution» zugewiesen, wie der Regierungsrat schreibt. Unklar ist im Moment noch, ob das Zentrum Bäregg Heime schliessen wird und allenfalls Personal abbauen muss.
«Durchsetzungs-Referendum»?
Der Regierungsrat rechnet damit, dass er rund 5,4 Millionen Franken einsparen kann – für die Zeit vom 1. November 2018 bis Ende 2020. Für das SVP-Komitee, das den Asylkredit bekämpfte, ist das viel zu wenig. Schliesslich belief sich der Vierjahreskredit, der vom Volk abgelehnt wurde, auf 105 Millionen Franken. «Der Regierungsrat missachtet den Volkswillen», sagt SVP-Grossrätin Andrea Gschwend-Pieren. Ihrer Meinung nach muss die Gesamtpauschale ausreichen, die der Kanton vom Bund zur Deckung der Kosten im Asylwesen bekommt.
Für Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) ist diese Forderung übertrieben. «Wenn in einer Gemeinde das Budget abgelehnt wird, wird danach nicht ein Budget ohne Ausgaben erarbeitet», sagt er. Der Kanton Bern komme nicht darum herum, die 370 minderjährigen Asylsuchenden zu betreuen. Käser betont, dass sie in der Regel in der Schweiz blieben und daher integriert werden müssten. «Sie brauchen einen guten Start. Ansonsten drohen viel höhere Folgekosten.»
Gemäss Käser ist die Reduktion der Tagespauschalen «vertretbar». Der Kindesschutz sei immer noch gewährleistet. Zudem habe der Kanton den Vertrag mit dem Zentrum Bäregg nicht einfach kündigen können. Jetzt habe man eine Lösung gefunden, die von beiden Parteien akzeptiert werde. Offen ist weiterhin, ob der Bund künftig seine Unterstützung ausbauen wird. Käser gibt sich optimistisch. «Das Staatssekretariat für Migration ist sich bewusst, dass die Beiträge nicht mehr ausreichen.» Der Entscheid dürfte im Frühjahr fallen. Wie der Kanton Bern die zusätzlichen Gelder einsetzen soll, will Käser nicht sagen. «Bis am 1. November sind die laufenden Verträge noch in Kraft. Wie es danach weitergeht, wird man erst dann entscheiden.» Käser ist dann nicht mehr im Amt, er hört Ende Mai auf.
Zuvor wird der Grosse Rat in der März-Session die neuen Kredite behandeln. Für das Jahr 2019 etwa sollen 15,6 Millionen Franken bewilligt werden. Die Gegner könnten theoretisch nochmals das Referendum ergreifen. Für Gschwend-Pieren steht ein «Durchsetzungs-Referendum» jedoch nicht im Vordergrund. «Wir haben bereits abgestimmt.» Bei der Unterschriftensammlung auf der Strasse hätten ihr viele Leute gesagt, dass die Regierung in Bern sowieso mache, was sie wolle. «Wie sich jetzt zeigt, hatten sie anscheinend recht.» Gemäss Gschwend-Pieren prüft die SVP hingegen juristische Schritte. «Wir werden möglicherweise eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht einreichen.»
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