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Zur Effizienz der bilateralen Verträge

Oft wird behauptet, dass die Bilateralen die Überwindung der Wirtschaftskrise ermöglichten. Stimmt das wirklich?

2017-06-23 16:01
Tobias Straumann
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Von Tobias Straumann (publiziert am Mon, 26 Jun 2017 03:00:34 +0000)

Wie wichtig sind die bilateralen Verträge für die Schweizer Wirtschaft? Eine Reihe von Studien haben versucht, diese Frage mit statistischen Methoden zu beantworten. Die Antwort ist meist, dass die Verträge positive Wirkungen gehabt haben. Allerdings sind die Ergebnisse zu wenig eindeutig, um die politische Diskussion zu erübrigen.

So haben zum Beispiel BAKBASEL und Ecoplan im Auftrag des Seco geschätzt, dass das BIP pro Kopf ohne Bilaterale im Jahre 2035 knapp vier Prozent (BAKBASEL) bzw. 1,5 Prozent (Ecoplan) tiefer liegen würde (Quelle). Das ist substanziell, aber alles andere als katastrophal.

Das Problem ist vor allem methodischer Art. Man muss ja nicht nur den Nutzen, sondern auch die Kosten der verschiedenen Szenarien quantitativ erfassen. Das ist sehr anspruchsvoll.

Wie würde eine Welt ohne bilaterale Verträge wirklich aussehen? Könnte die EU Importe aus der Schweiz absichtlich behindern? Oder würden die WTO-Verträge und das Freihandelsabkommen mit der EU einen reibungslosen Handelsverkehr garantieren? Hätten wir ohne bilaterale Verträge ein besseres oder ein schlechteres Einwanderungsregime? Niemand weiss es wirklich.

Weil die ökonometrischen Ergebnisse nicht so klar sind, wird bisweilen wirtschaftshistorisch argumentiert. Das häufigste Argument ist, dass die Schweizer Wirtschaft sich nur dank den bilateralen Verträgen aus der langen Stagnation der 1990er Jahre befreien konnte.

Dies bringt uns aber auch nicht die erhoffte Klarheit, denn aus Argument steht auf schwachen Füssen.

Zunächst einmal stimmt die Chronologie nicht. Die Krise war 1996 beendet, wie die Seco-Daten in der folgenden Grafik zeigen. Das erste Paket der Bilateralen wurde hingegen erst 1999 abgeschlossen und 2000 an der Urne angenommen (mit 67,2%).

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Zweitens hat die Stagnation der 1990er Jahre klar benennbare Gründe, die nichts mit der EU zu tun haben:

  1. Anfangs der 1990er Jahre glitt die Weltwirtschaft in eine Rezession. Deutschland bremste zusätzlich mit hohen Zinserhöhungen, um den Inflationsschub im Gefolge der deutschen Wiedereinigung in den Griff zu bekommen.
  2. Die Immobilienkrise löste eine grosse Bankenkrise aus, die das Wirtschaftswachstum bremste. Reinhart und Rogoff („This Time is Different“, 2009) haben gezeigt, dass grosse Immobilien- und Bankenkrisen jahrelange Stagnationsphasen auslösen.
  3. Die SNB hat sich zu lange auf die Bekämpfung der Inflation konzentiert. Die Verlangsamung des Wachstums im Jahr 1995 ist teilweise auf die vorsichtige Politik der SNB zurückzuführen. Die Grafik zeigt klar, wie 1994 die Reduktion der Zinsen verzögert wurde. Erst mit einer Verzögerung senkte die SNB die Zinsen unter die Marke von 4 Prozent.

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Die Stagnation der 1990er Jahre und ihr Ende sind also mit einer herkömmlichen makroöonomischen Analyse weitgehend erklärbar. Man braucht nicht auf die schwer fassbare psychologische Wirkung von noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit der EU auszuweichen.

Auch die wirtschaftshistorische Analyse zeigt also: Es geht im Kern um politische, nicht ökonomische Fragen, wenn wir uns darüber klar werden wollen, ob wie die bilateralen Verträge weiterhin wollen oder nicht.

Der Beitrag Wirtschaftskrise und bilaterale Verträge erschien zuerst auf Never Mind the Markets.

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2017-06-23 16:01
Tobias Straumann