Ein Lichtblick im Wüstenstaat
Nach einer längeren Durststrecke gibt es Anzeichen für eine Trendwende in der Solarindustrie. Eine kürzlich eröffnete Produktionsanlage in Katar könnte den Umsatz des Thuner Unternehmens Meyer Burger vervielfachen.

Die Sonne liess sich nicht zweimal bitten an diesem Pfingstsonntag. Unerbittlich brannte sie vom Himmel und erwärmte die Luft auf 47 Grad. Keine idealen Verhältnisse, wenn man in dunklem Anzug und Krawatte einer Einweihungsfeier beiwohnt, aber als Manager in der Solarindustrie sollte man sich nicht über intensive Sonneneinstrahlung beklagen. Schon gar nicht, wenn ein Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wird, welches «eine gewaltige Wende zum Guten» auslösen könnte, wie sich Peter Pauli ausdrückt, der krisenerprobte Chef der Thuner Technologiegruppe Meyer Burger.
Schon länger ist Pauli in Erklärungsnot, wenn er den Analysten und Investoren erklären muss, warum er trotz dramatischem Umsatzrückgang zuversichtlich ist für Meyer Burger und Fotovoltaik. In den letzten Monaten sprach er vage von hoffnungsvollen Projekten in neuen Märkten, in Saudiarabien etwa, in Algerien, Kuwait, Bahrain oder in Asien. Und musste jeweils anfügen, leider sei noch nichts spruchreif.
Das Ziel sind 2,5 Gigawatt
Kein Wunder also, ist Pauli euphorisiert vom Projekt, das über Pfingsten in Doha einer internationalen Gruppe von Firmenvertretern, Wissenschaftlern und Politikern vorgestellt wurde. Obwohl der Wüstenstaat Katar über grosse Erdöl-Reserven verfügt und der weltweit grösste Lieferant von verflüssigtem Erdgas ist, hat sich das Emirat am Arabischen Golf zum Ziel gesetzt, bis im Jahr 2030 die Abhängigkeit von diesen nicht erneuerbaren Ressourcen zu reduzieren und zur Wissensgesellschaft zu mutieren. Dazu gehört auch die Ambition, mittelfristig eine führende Rolle im Fotovoltaik-Bereich einzunehmen – in erster Linie, um den enormen eigenen Energiehunger dauerhaft stillen zu können.
Die voll integrierte Solarmodul-Produktionsanlage, die in Doha eingeweiht wurde, unterstreicht diese Ambition. Zwar befindet sie sich mit einer aktuellen Kapazität von 300 Megawatt (Leistung aller in einem Jahr produzierten Solarpanels) noch im Pilotstadium. Sie soll aber durch die Erweiterung um zwei Solarmodul-Produktionsfabriken von je einem Gigawatt auf eine Kapazität von 2500 Megawatt ausgebaut werden und damit zur klar grössten Produktionsanlage in der Region Nahost und Nordafrika werden. Zum Vergleich: Eine Produktionsanlage mit einer Kapazität von 1000 Megawatt stellt in sechs Jahren Betrieb genügend Solarmodule für eine Stromproduktion im Umfang von 8000 Gigawattstunden her, was der Jahresleistung des Kernkraftwerks Gösgen entspricht.
Bedingung für den zügigen Ausbau ist allerdings, dass Qatar Solar Energy, die Betreiberin der Anlage in Doha, zahlungsfähige Kundschaft findet, die grosse Solarparks bauen will. Denn das Unternehmen produziert nicht in erster Linie selber Strom, sondern will Solarpanels und Anlagen verkaufen und parallel dazu die Forschung und Entwicklung vorantreiben. Bereits liegen Bestellungen aus Japan und Thailand im Umfang von je 150 Megawatt vor.
Peter Pauli kann derzeit noch nicht beziffern, wie sich das Projekt in Doha in den Büchern von Meyer Burger niederschlagen wird. In einem Analystenkommentar von Helvea hiess es, es könnten Aufträge im Gegenwert von mehr als einer Milliarde Franken winken. Diese Schätzung stützt sich auf frühere Angaben von Meyer Burger, die besagen, dass 1 Gigawatt Produktionskapazität Aufträge im Umfang von 550 bis 600 Millionen Franken entspricht. Das illustriert, welche Bedeutung das Projekt für Meyer Burger hat. Für 2013 wies das Unternehmen gerade noch knapp über 200 Millionen Franken Umsatz aus. Pauli sagt, Meyer Burger sei ein wichtiger Technologiepartner von Qatar Solar Energy und daher in einer hervorragenden Position. Konkreteres könne er aber erst sagen, wenn die Aufträge mit signifikanten Anzahlungen bekräftigt seien. Treffen die Aufträge aus dem Emirat ein, könnte das Thuner Unternehmen 2015 wieder schwarze Zahlen schreiben.
6 Rappen pro Kilowattstunde
Vor allem dürfte das Projekt am Arabischen Golf Signalwirkung für andere Märkte haben. Die neue, effiziente Heterojunction-Technologie kam bisher kaum zum Einsatz, weil den Solarpanel-Herstellern die Mittel für Investitionen fehlten. Meyer Burger konnte bisher nur einen einzigen Auftrag abschliessen, bei dem Heterojunction-Technologie zum Einsatz kam. Nun könnte die durch die neue Beschichtungstechnologie für Solarzellen erreichte Effizienzsteigerung zum Marktvorteil werden. Dies würde Meyer Burgers Kauf der deutschen Roth & Rau für über 300 Millionen Franken rechtfertigen.
Christophe Ballif, Physikprofessor an der ETH Lausanne, sagt, in der Fotovoltaik stehe der nächste Technologiesprung bevor. Die Schweizer Technologie sei weltweit führend und ermögliche den Kunden, bei ähnlichen oder gar niedrigeren Produktionskosten Solarzellen mit einem höheren Wirkungsgrad herzustellen. In den letzten vier Jahren seien die Preise für Solarmodule drastisch gesunken, sodass die Kilowattstunde für grosse Solarparks in sonnigen Ländern heute nur noch 6 Rappen koste und im Bereich des Grundstrompreises liege.
Ballif, der auch den Neuenburger Standort des Zentrums für Photovoltaiksysteme leitet, das der Bund 2013 lancierte und mit 19 Millionen Franken dotierte, weist darauf hin, dass der globale Solarmarkt stark wächst. «In diesem Jahr werden weltweit rund 45 Gigawatt neu installiert, was bei durchschnittlichem Sonnenschein der Leistung von acht Atomkraftwerken entspricht», sagt Ballif. «Da die Überkapazitäten allmählich abgebaut sind, investieren die Modulhersteller nun wieder in neue Maschinen.»
Davon profitieren nicht nur Systemanbieter wie Meyer Burger, sondern auch das Bieler Unternehmen Sputnik, das auf Wechselrichter für die Einspeisung der Solarenergie ins öffentliche Stromnetz spezialisiert ist (siehe Text links). Nebst den Chefs von Meyer Burger und Sputnik und Wissenschaftler Ballif war über Pfingsten auch Walter Steinmann, Direktor des Bundesamts für Energie, in Doha präsent. Die Präsenz von Staatsvertretern werde in Ländern wie Doha «kulturell bedingt sehr geschätzt», sagt Steinmann. Projekte wie jenes in Katar führten mittelfristig zu mehr Exporten in der Cleantech-Industrie und somit zum Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz.
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