Stromverband warnt vor mehr oberirdischen Leitungen
Ein neues Reglement soll klären, wann eine Stromleitung in den Boden verlegt wird. Das könnte zu mehr Freileitungen führen.

Oberirdische Stromleitungen sind unbeliebt. Wann immer eine gebaut werden soll, hagelt es Einsprachen. Nun warnt der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) vor mehr solchen Freileitungen – vor allem in urbanen Gebieten.
Der Grund: eine neue Regelung, die der Bundesrat schaffen will. Sie legt fest, wann eine Leitung in den Boden verlegt wird und wann nicht. Der Vorschlag ist derzeit in der Vernehmlassung, zusammen mit anderen Verordnungen zum Stromnetz. Bis heute können die Interessengruppen noch Stellung beziehen. Es zeigt sich: Der Vorschlag ist höchst umstritten.
Teure Erdleitungen
Leitungen in den Boden zu verlegen, ist teuer. Stromnetzbetreiber tun das nur, wenn sie für die zusätzlichen Kosten entschädigt werden. Der Vorschlag des Bundesrates sieht nun vor, dass eine Stromleitung immer dann in den Boden verlegt wird, wenn die Kosten das 1,75-Fache einer Freileitung nicht übersteigen. In diesen Fällen können die Netzbetreiber die Kosten für die Bodenleitung auf den Strompreis aufschlagen und so bei den Kunden wieder hereinholen.
Sind die Kosten jedoch um mehr als 1,75-mal höher, sind sie nicht mehr anrechenbar. Der Netzbetreiber bliebe dann auf den zusätzlichen Kosten für eine Erdleitung sitzen. Folglich hat er keinen Anreiz, die Stromleitung in den Boden zu verlegen. Er wird vermutlich eine Freileitung bauen. Es sei denn, er erhält vom Bund eine Ausnahmebewilligung, was unter gewissen Bedingungen möglich wäre. Oder jemand anderes, etwa ein betroffener Privater, kommt für die Mehrkosten auf.
Der Bundesrat hätte auch höher als 1,75 gehen können. Gemäss Gesetz darf der sogenannte Mehrkostenfaktor bei maximal 3 liegen. Stromleitungen würden dann auch noch in den Boden verlegt, wenn sie bis zu 3-mal teurer wären als eine Freileitung. Dass der Bundesrat davon absieht, begründet er mit einer Studie, die das deutsche Beratungsunternehmen Consentec im Jahr 2013 im Auftrag des Bundes verfasst hat.
Differenzierung zwischen Stadt und Land gefordert
Die Studie kommt zum Schluss, dass die Aufschläge auf den Strompreis stark anstiegen, wenn der Mehrkostenfaktor über 1,75 läge. Der Strom würde für die Haushalte also deutlich teurer.
Zudem nimmt der Bund an, dass beim Faktor 1,75 ungefähr 88 Prozent der Leitungen in den Boden verlegt würden. Mit einem höheren Faktor könne nur noch ein «relativ geringer Anstieg» an in den Boden verlegten Leitungen erreicht werden.
Die Branche ist anderer Meinung. Der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) ist der Ansicht, dass mit dem Mehrkostenfaktor von 1,75 im urbanen Raum wieder mehr Freileitungen gebaut würden. Aus Kostengründen würden dann «zahlreiche Hausanschlüsse und Versorgungsleitungen» nicht mehr als Erdkabel realisiert, so der Verband in seiner Vernehmlassungsantwort. Es könnte sogar so weit kommen, dass bereits als Erdkabel geplante Leitungen neu wieder als Freileitungen konzipiert würden.
Michael Frank, Direktor des VSE, sagt: «Es ist teurer, eine Strasse in der Innenstadt aufzureissen, um ein Kabel zu verlegen, als einen Acker.» Der Verband beantragt in seiner Vernehmlassungsantwort deshalb eine Differenzierung: Für ländliche Gebiete akzeptiert er den Vorschlag des Bundesrates. In städtischen sollen Erdkabel aber bis zu dreimal teurer sein dürfen als Freileitungen.
Weniger Bedenken im Kanton Bern
Wie sehen das die Netzbetreiber? Würden sie mehr Freileitungen bauen, wenn der Vorschlag des Bundesrats durchkommt? Die Ansichten darüber gehen auseinander. Einige erachten den Faktor 1,75 als zu tief, die Elektrizitätswerke der Stadt (EWZ) und des Kantons Zürich (EKZ) beispielsweise. Die Mehrkosten von erdverlegten Leitungen würden diesen Faktor in vielen Fällen überschreiten, heisst es beim EWZ. Die EKZ drohen zwar nicht mit mehr Freileitungen. Denn solche würden in Städten und Agglomerationen schon lange nicht mehr akzeptiert. Sie setzen sich aber für einen höheren Mehrkostenfaktor ein, um nicht auf den Kosten für die Erdverlegung sitzen zu bleiben.
Weniger Bedenken bereitet der Vorschlag des Bundesrates den Berner Anbietern. Das Netz des Energiekonzerns BKW befindet sich vor allem in ländlichem Gebiet, wo Erdverkabelungen günstiger sind. Der Vorschlag des Bundesrates sollte daher nicht zu mehr Freileitungen führen, so die BKW.
Wenig besorgt ist auch der Stadtberner Energieversorger EWB: «Der grösste Teil unserer Leitungen befindet sich schon im Boden. Die Kabelkanäle existieren», sagt eine Sprecherin. Die Kosten für einen Kabelersatz seien nicht vergleichbar mit den Kosten für neue Leitungen. Vom Vorschlag des Bundesrates sei man daher nur am Rande betroffen.
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