Österreichischer Politiker wehrt sich gegen chinesischen Dorf-Klon
Chinesen lieben das malerische Örtchen Hallstatt so sehr, dass sie es in ihrem Land kopieren. Die einen freuts, ein EU-Abgeordneter sieht darin einen Fall von Nachahmerprodukten.
Kaum wurden die Pläne zum Nachbau des 800-Seelen-Dorfes Hallstatt bekannt, reagierte Hans-Peter Martin aus Bregenz, der für seine eigene Partei «Liste Dr. Martin» im EU-Parlament in Brüssel sitzt: «Hallstatt wird gerade zu einem Modellfall. Wenn chinesische Investoren europäisches Kulturgut kopieren, so müssen wir darum kämpfen, dass dies auf einer fairen Grundlage geschieht. Das Original muss davon profitieren können, nicht nur die Kopie», schrieb Martin gestern Abend.
Die Dorfkopie werfe grundsätzliche Fragen zu Nachahmerprodukten in China auf. Martin will die Angelegenheit bereits hochrangigen Abgeordneten des chinesischen Parlaments unterbreitet haben, die zu einem regulären Parlamentariertreffen in Brüssel weilten. Die Gesandten des Volkskongresses hätten versichert, sie würden die Angelegenheit prüfen.
«Nicht alles dem Tourismus opfern»
Laut Hans-Jörg Kaiser von einer Unesco-Unterorganisation für Denkmalpflege muss die rechtliche Lage noch überprüft werden. Er warnte gemäss der österreichischen Nachrichtenagentur APA davor, alles dem Tourismus zu opfern. Die Landschaft und die Bewohner Hallstatts werde man ohnehin nicht nachbauen können.
Prinzipiell sei es aber legal, Gebäude zu fotografieren und dementsprechend nachzubilden: «Alles, was aussen ist, ist öffentlich zugänglich. Nur für eine Vermessung braucht es das Einverständnis des Eigentümers», zitiert ihn «Spiegel online».
Heimlich Pläne erstellt
Es ist denn auch das intransparente Vorgehen der Chinesen, das einige Hallstätter stört. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass schon weit fortgeschrittene Pläne für den Dorf-Klon existieren, den die Firma China Mine Metals als Stadtteil von Boluo in der Provinz Guangdong bauen will. Auch der Bürgermeister von Hallstatt, Alexander Scheutz, war überrascht. Er will seinen Amtskollegen aus Boluo und die Vertreter von China Mine Metals, die sich für Juli angekündigt haben, auf das Unbehagen in der Bevölkerung hinweisen.
So hat eine Bewohnerin «ein mulmiges Bauchgefühl» bei der Vorstellung, dass in den letzten Jahren Chinesen die Häuser heimlich fotografiert und abgezeichnet hätten. «Das ist so, als hätte jemand eingebrochen», sagt die Hallstätterin. Laut Bürgermeister Scheutz sei es nie aufgefallen, dass Architekten aus China den Baustil ausspioniert hätten. Kein Wunder: «Wir haben jährlich bis zu 800'000 Tagesgäste, die alles und jeden fotografieren.»
Grundsätzlich steht der Bürgermeister dem chinesischen Projekt jedoch positiv gegenüber: «Ich glaube, dass es ein Tourismusmotor werden könnte.» Beinahe euphorisch ist Pamela Binder vom Tourismusverband Dachstein-Salzkammergut. Hallstatt in China sei «eine tolle Werbung», ja geradezu ein «Geschenk». Sie glaubt nicht, dass Chinesen durch die Kopie davon abgehalten werden, das Original zu besuchen.
Interlaken in China
Zwei Fahrstunden von Hongkong entfernt liegt seit 2007 bei Shenzhen das Resort Interlaken. Es handelt sich aber nicht um eine genaue Nachbildung, sondern um einen European Mixture Style, wie eine Managerin der Chinese Town Group (OTC) gegenüber der «Jungfrau Zeitung» sagte. Es gibt im chinesischen Interlaken zwar eine Nachbildung des Kursaals, ein Hotel sei dem Grand Hotel Victoria-Jungfrau nachgebildet, und ein Kirchturm sehe dem von Interlaken ähnlich. Daneben stehen dort aber vor allem Häuser im Stil des gesamten deutschen Sprachraums.
Auch bei diesem Projekt hatten die Chinesen nicht vorgängig Kontakt mit der Namen gebenden Gemeinde aufgenommen. Als die Schweizer Tourismusförderer davon erfuhren, haben sie sich jedoch auf die Chinesen gestürzt. «Shenzhen bietet uns eine tolle Plattform, um den Leuten Lust auf das Original zu machen», erklärte Stefan Otz von Interlaken Tourismus im Rahmen eines Treffens mit chinesischen Partnern 2007 gegenüber der «Jungfrau Zeitung». Die Berner Oberländer planten einen «Kulturexport»: Alphornbläser und Vertreter des Handwerks sollten vor Ort für eine Reise in die Schweiz werben.
Zahlreiche Klone
Bei den österreichischen Bedenken gegen das Nachbauprojekt handelt es sich vermutlich um eine Premiere. Denn nicht zum ersten Mal wird im Reich der Mitte europäische Architektur kopiert. Vor allem bei den gehobeneren Einkommensschichten liegt Europa im Trend, sei es bei Luxusgütern, Wein oder eben auch beim Baustil.
So hat laut «Spiegel online» das chinesische Anting ein Quartier im Stil einer mittelgrossen deutschen Stadt gebaut – inklusive Statuen von Goethe und Schiller. Bei Chengdu und bei Shanghai stehen Kopien von englischen Orten. Bei Shanghai gibt es demnach auch Miniklone von Barcelona, Venedig und einem skandinavischen Städtchen.
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