
Wie Frankreich und andere Länder führt nun auch die Schweiz ein Verhüllungsverbot ein. In der Praxis wird dieses kaum von Belang sein, da bei uns höchstens drei Dutzend Nikabträgerinnen leben. Die Befürworter selber haben im Abstimmungskampf vor allem auf die symbolische Bedeutung verwiesen. Wofür genau die knappe Mehrheit der Stimmenden nun aber ein Zeichen gesetzt hat, ist nicht ganz klar.
Teilweise ist es sicher ein aufrichtig gemeintes Signal gegen die Unterdrückung der Frau: In der Schweiz soll niemand gezwungen werden, sich zu verschleiern, wie das in Teilen der muslimischen Welt der Fall ist. Und dort draussen soll man wissen, wo die Schweiz in der Frage der Gleichstellung steht.
Wir alle haben ein Interesse daran, dass sich die bei uns lebenden 450’000 Musliminnen und Muslime zu Hause fühlen.
Andere aber haben vermutlich Ja gestimmt, weil sie schlicht Mühe mit Muslimen und dem Islam haben. Oder sich vor islamistischem Terror fürchten.
Pro Jahr eine Handvoll Bussen, das wird die direkte Wirkung des Verhüllungsverbots sein. Doch dabei darf es nicht bleiben. Denn das Ja zum Verhüllungsverbot zeigt ein Unbehagen, das ernst zu nehmen ist.
Wir alle haben ein Interesse daran, dass sich die bei uns lebenden 450’000 Musliminnen und Muslime zu Hause fühlen. Sie gehören zur multikulturellen Schweiz, im Alltag gibt es vergleichsweise wenig Probleme. Vorstädte, wo Islamisten das Sagen haben und den Rechtsstaat zurückdrängen, gibt es bei uns nicht – kulturelle Konflikte aber schon.
Der Macho-Mentalität und Homophobie von jungen Kosovaren, Bosniern oder Syrern entgegenzutreten, bleibt die Aufgabe von uns allen, auch von den Musliminnen und Muslimen selber. Ob Lehrerinnen und Lehrer, Fussballtrainer, Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Freunde: Von uns allen sind schnelle Reaktionen und wo nötig Sanktionen verlangt. Wir alle können im Alltag mehr für die Frauenrechte und die Integration der Musliminnen und Muslime tun.
Das Ja verpflichtet ebenso, entschlossen gegen islamistische Propaganda vorzugehen. Moscheen kontrollieren, Finanzströme überwachen, mit muslimischen Gemeinschaften die Hassprediger identifizieren und Seelsorger und Imame fördern, die menschenverachtenden Unruhestiftern keine Chance lassen: Das Verhüllungsverbot selber löst zwar keine realen Probleme – aber wir sollten es gleichwohl als Auftrag lesen, diese anzupacken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Kommentar zum Nikab-Entscheid – Wir müssen das Unbehagen gegen Muslime ernst nehmen
Das Ja zum Verhüllungsverbot nur als frauenfreundliches Bekenntnis zu deuten, wäre naiv. Wir alle müssen im Alltag mehr für das multikulturelle Zusammenleben tun.