«Wir arbeiten an den ganz grossen Fragen»
Die Berner Weltraumforschung feiert an der Nacht der Forschung ihr 50-Jahre-Jubiläum. Planetologe Peter Wurz ist überzeugt, dass man ausserhalb der Erde Leben entdecken werde.

Herr Wurz, Sie kennen das All vor allem durch Teleskop und Computer. Würden Sie in eine Rakete steigen?
Nein, dafür braucht es einen anderen Schlag von Menschen – mutige Leute mit entsprechender Ausbildung. Eine Rakete ist voll mit explosivem Treibstoff.
Die Universität Bern feiert heuer 50 Jahre Weltraumforschung. Gab es in dieser Zeit Entdeckungen, die man für unmöglich gehalten hatte?
Wenn wir ein Projekt beginnen, haben wir immer Modellvorstellungen. Diese müssen wir aber regelmässig revidieren. Nehmen wir die Pluto-Mission «New Horizon». Die Bilder haben uns gezeigt: Auf dem Pluto gibt es Gebirge, Ebenen und zerklüftete Landschaften. Das haben wir nicht erwartet.
Die Uni Bern lieferte das Sonnensegel, das Buzz Aldrin bei der ersten Mondlandung 1969 in den Mond steckte, oder die Messinstrumente für die international gefeierte Rosetta-Mission. Mischt die Uni bei der Forschung vorne mit?
Sie nennen nur wenige Beispiele, wir haben wesentlich mehr geleistet. Der Mix ist ausschlaggebend: Wir liefern Messinstrumente mit Schweizer Qualität, die sich sogar im Weltraum bewähren. Das liegt den Technikern hier einfach im Blut. Wir haben kleine Teams, die ihr Wissen teilen und tradieren. Und der Kanton ist ein verlässlicher Finanzgeber.
Inwiefern?
Wir haben einen finanziellen Grundsockel zur Verfügung vom Kanton. Für Spezialprojekte gibt es zusätzlich Geld von anderen Quellen. In den USA gibt es nur Geld für einzelne Missionen. Mit deren Ende hört die Finanzierung auf. So ist es schwierig, Wissen weiterzugeben. Viel Know-how geht verloren.
Es dauert Jahrzehnte, solche Projekte aufzugleisen. Bis Resultate vorliegen, verstreichen viele weitere Jahre. Ist das nicht frustrierend?
Wir arbeiten an den ganz grossen Fragen. Wo kommen wir her? Was ist der Ursprung des Sonnensystems? Wie ist Leben entstanden? Und ist es überhaupt hier entstanden oder kam es von ausserhalb? Das sind knifflige und komplexe Fragen, ich werde wohl keine davon in meinem Leben noch beantworten können, aber immerhin dazu beitragen. Daher: Ein langer Atem und optimistische Robustheit gehören zu meinem Beruf.
Angenommen, diese Fragen werden dereinst beantwortet: Was ändert dies an unserem Alltag?
Zunächst nicht viel. Aber philosophisch sind diese Antworten äusserst wichtig: Sie verändern unser Selbstverständnis. Nehmen Sie das Beispiel der Relativitätstheorie. Raum und Zeit gelten seither nicht mehr als absolute Grössen, und das hat unser Denken verändert. Oder Kopernikus mit seinem Beleg, dass die Erde um die Sonne kreist. Das war ein wichtiger Anstoss für die Aufklärung. Wenn wir nun nicht alleine sind im All, müssen Theologen und Philosophen über die Bücher.
Bern koordiniert das Cheops-Projekt, das sich der Suche nach erd–ähnlichen Planeten widmet. Wonach sucht man eigentlich?
Wichtig ist zunächst die Grösse der Planeten, die etwa der Erde entsprechen muss. Mit der ähnlichen Grösse geht die ähnliche Schwerkraft einher. Ist diese zu stark, können Wesen wie der Mensch nicht mehr umherlaufen, weil sie zu stark angezogen werden. Ist sie zu klein, kann sich die Atmosphäre nicht halten. Sodann darf der Planet nicht zu weit von einem Stern entfernt sein, weil Leben auch flüssiges Wasser voraussetzt. Selbst wenn es Leben gibt, muss dieses dann auch Spuren hinterlassen. Sonst können wir es unmöglich erkennen.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass es Leben ausserhalb der Erde gibt?
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Leben auf anderen planetaren Objekten finden. Beim Mars suchen Weltraumforscher schon länger, nun wird die Suche auf die Jupiter- und Saturnmonde ausgedehnt. Dort gibt es Ozeane unter dicken Eisschichten. Das Sonnenlicht fehlt zwar, aber es ist auch möglich, dass andere chemische Prozesse Leben hervorbringen.
Die Mondlandung war ein Wettrennen zwischen West und Ost. Gibt es diese Rivalität im All heute noch?
Oh ja, aber sie hat sich verschoben. Der neue Player ist China, der ein grosses Projekt anstrebt: eine bewohnte Station auf dem Mond. Die Chinesen werden sich mit den USA den nächsten Wettlauf liefern: Im Selbstbild der USA gehört der Mond den Amerikanern. Wer auf dem Mond ein Habitat unterhalten kann, kann das auch auf dem Mars. Das ist ein Prestigeziel. Die Nation, die das zuerst schafft, wird einen wahnsinnigen Technologieschub erleben. Das passierte auch den Amerikanern nach der Mondlandung.
Mit Unternehmen wie Spacex drängen zunehmend Private ins All. Ist das ein Problem?
Im All hat es genug Platz. Heikel ist es im erdnahen Raum. Der ganze Schrott, den die Missionen verursachen, ist brandgefährlich: Die Teile fliegen mit Geschwindigkeiten von zehn Kilometern pro Sekunde – zehnmal schneller als eine Gewehrkugel. Bereits kleine Teile können also immensen Schaden anrichten.
Lesen Sie Science-Fiction?
Aus diesem Alter bin ich heraus. Mein Leben ist aufregend genug.
Wenn Sie sich entscheiden müssten: «Star Trek» oder «Star Wars»?
Das ist mir etwas peinlich. Ich weiss, dass es beides gibt. Ich kenne die Unterschiede kaum.
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