
Mit der forschen Behauptung, eine Frau könne im Schach nie die Nummer 1 werden, hatte sich in den 90er-Jahren Garri Kasparow in die Nesseln gesetzt. Es war die Zeit, als der von seiner Mutter früh geförderte Weltmeister die Szene fast nach Belieben dominierte und die Rede über ein Mädchen namens Judit Polgar aus Budapest aufkam, das dort als ebenso hochbegabt galt wie der Russe einst in seiner Geburtsstadt Baku.
Zur 26-jährigen Frau herangereift, schlug diese jüngste der drei Polgar-Schwestern den 15 Jahre älteren Kasparow erstmals in einer Turnierpartie 2002. Nach einer Babypause stiess sie im Juli 2005 bis auf Platz 8 der Weltrangliste vor, trat 2014 allerdings vom Spitzensport zurück.
Ihre Karriere widerspiegelt exemplarisch die Geschlechterproblematik im Schachsport. Denn sie selbst war dezidiert gegen die im obigen Titel angesprochene Trennung zwischen Frauen- und Männerevents.
Luftangriff in London
Tatsächlich gibt es im Schach keine Regelung, die Männer und Frauen in Wettkämpfen trennt. Doch eine Doppelspurstrategie, dass beispielsweise Titelkämpfe Männern und Frauen offen stehen, für Frauen aber noch eigene Meisterschaften eingerichtet werden, hat faktisch zur fast totalen Trennung geführt – und das nicht nur aus lauteren Motiven.
Initiiert wurde die Doppelspurstrategie mit einer reinen Frauen-WM bereits 1927, drei Jahre nach Gründung des Internationalen Schachverbandes (Fide). Bis 1944 dominierte da Vera Menchik, ehe sie in London Opfer eines Luftangriffs wurde. Danach führte der Weltschachbund zusätzlich unter anderem leichter als bei den Männern zu erzielende GM- und IM-Titel für Frauen ein und erhöhte deren Ratingzahlen willkürlich. Zudem lancierten immer mehr Länder nationale Frauenmeisterschaften.
Leicht zu erzielende Titel dank Frauenturnieren
In Wahrheit profitierten von dieser Geschlechtertrennung vor allem die Verbände selbst, weil sie so beispielsweise an die Töpfe für die «Frauenförderung» herankamen. Und dem Fide wiederum brachten separate Meisterschaften oder zusätzlich auszuwertende Turniere ebenfalls Mehreinnahmen.
Wie die FAZ 2016 ausführte, gestanden einige deutsche Berufsspielerinnen sogar ein, dass sie dank Frauenturnieren sportlich nicht ihre Leistungsgrenze ausreizen müssten. Sie bezögen einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens aus Verbandsmitteln als ihre männlichen Kollegen und profitierten von der Sichtbarkeit eigener Wettbewerbe sowie leicht zu erzielenden Titeln.
Dementsprechend bescheiden fällt die Bilanz aus dieser jahrzehntelangen Förderung aus. Der Anteil der Frauen unter erwachsenen Turnierspielern in westlichen Ländern liegt laut der FAZ nach wie vor tiefer als fünf Prozent, bezüglich Jugendlichen etwa bei sieben Prozent. Allein diese Statistik erklärt schon, warum weibliche Hochbegabte wie eine Judit Polgar so selten auftreten.
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Wieso sind Frauen- und Männerschach getrennt?
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