Die Partys zum JahresendeWie Sie an Silvester die gute Laune behalten
Wohin an Silvester? Und wohin eher nicht? Ein kleiner Überblick ohne Vollständigkeitsgewähr über das Angebot, das Sie vor der Einsamkeit und vor dem Fernsehprogramm retten könnte.

Die Rituale, um das Glück zum Jahresende auf seine Seite zu zwingen, sind mannigfaltig: Es gibt Menschen, die achten darauf, an Silvester keine Wäsche aufzuhängen, weil der Kriegsgott Wotan sich darin verfangen und darob ein Jahr ungut gelaunt sein könnte.
In Bulgarien hofft man, Reichtum zu erlangen, indem man seine Nachbarn mit dem Ast eines Kornelkirschenbaums auspeitscht. Und ganz Mitteleuropa schaut sich jedes Jahr den Sketch «Dinner for One» an, weil der allgemein als lustig gilt. Weiterreichende Side-Effects sind für letzteres Ritual indes nicht überliefert.
Welche Nebeneffekte für diejenigen zu befürchten sind, die sich entschliessen, den letzten Tag des Jahres lieber im trauten Heim statt in aufgekratzter Geselligkeit zu verbringen, kann schon jetzt abgeschätzt werden. Man wird das neue Jahr in bedauerlichem Zustand begrüssen – zumindest wenn man sich dem TV-Programm hingibt. Es winkt auf fast allen linearen Kanälen die bereits aufgezeichnete Show der stets extrem gut aufgelegten Francine Jordi mit ihren musikalisch stets eher schlecht aufgelegten Gästen.
Die Wagemutigen
Also doch auf die Piste: Denn da könnte einem etwas begegnen, das der Auspeitschung mit einem Kornelkirschenbaumast ziemlich nahe kommt. Die Kummerbuben laden ins Berner Casino, lassen sich von einem 40-köpfigen Orchester und von einer Mezzosopranistin begleiten und bringen ihr Album «Itz mau Apokalypse» zur Aufführung. Schon ist man seitens des Casinos um Schadensbegrenzung bemüht: «Ein deprimierender Abend muss niemand fürchten, im Gegenteil», heisst es auf deren Website. Eigentlich schade. So eine Defätisten-Party zum Jahreswechsel unter dem Dach der Burgergemeinde wäre doch mal was anderes gewesen.
Die Lustigen
Denn Glücksversprechen gibts an Silvester bis zum Abwinken. Zum Beispiel in der La Cappella, wo das deutsche Zauber-Comedy-Duo Junge Junge ebensolche «Glücksmomente» in Aussicht stellt. Gezaubert wird denn auch mit vermeintlichen Glücksbringern wie Marienkäfern oder deutscher Milchschokolade.
Glück strebt man eigentlich auch im Dachstock der Reitschule an, wo zum nachmittäglichen Soli-Day-Rave geladen wird. Aufgelegt wird kantige elektronische Musik, gesammelt wird für die No-WEF-Kampagne, und in das Glück mischt sich dann traditionsbedingt doch auch ein bisschen Kampf, wie der Affiche zur Party zu entnehmen ist: «Kommet und tanzet, lachet und trinket! Kämpferisch bleiben und Herrschende enteignen!»
Die Bluesigen
So richtig unter den Herrschenden zu leiden, hatte der Mann, der an Silvester im Belle Epoque auftreten wird. Der Blues- und Gospelsänger Tommie Harris wuchs in Zeiten der Rassentrennung in den USA auf, spielte neben Muddy Waters und Luther Allison, bis ihn das Militär nach Deutschland verlegte, wo er noch heute lebt. Der 83-Jährige spielt im Berner Hotel mit dem Pianisten Dirk Raufeisen zum noblen 5-Gänger auf.
Konkurrenz erwächst den beiden am ehesten aus dem Marians Jazzroom, wo Kenny «Blues Boss» Wayne auftritt, was die Veranstalter zu folgender hochtrabender Annonce anstachelt: «Der Blues Boss spielt den packendsten Piano-Blues, den man sich vorstellen kann, und ist auch ein unglaublicher Boogie-Woogie-Pianist.»
Die Reisenden
Eine Boogie-Woogie-freie Zone wird an Silvester die Heitere Fahne in Wabern sein. Munter wird es vermutlich trotzdem: Angekündigt ist «Heitere-Silvester im Kreuzfahrtschiff». Es gibt Essen, Musik und das Duo Katers Mäuse. Dahinter verbergen sich zwei Musiker von Troubas Kater und Tomazobi, die einen wilden Törn von Züri West bis Argentinien anzetteln.
Ebenfalls eine Schiffsreise angedeutet wird im Bierhübeli: «(T)Raumschiff Expedition 23» heisst das Fest. Wie das klingt und warum das Fest in den Raumfahrt-Kontext gesetzt wird, bleibt schleierhaft. Aber diese kleine Prognose sei erlaubt: Irgendwann im Verlauf des Abends wird das Lied «Major Tom» von Peter Schilling erklingen, und die Leute werden deshalb sehr glücklich sein.
Wer sich an Silvester anstatt in Weltfluchtfantasien zu ergeben in eine Welt voller Liebe hineindenken möchte, ist im Berner Yehudi Menuhin Forum nicht schlecht aufgehoben. «La vie en rose» heisst die Losung des Konzertabends und verspricht laut Affiche «Lieder und Chansons im besinnlichen und beschwingten Stil». Etwas, was wohl auch Francine Jordi zu bieten hätte, werden Silvesterpartymuffel nun einwenden.
Die Nostalgischen
Aus einem nicht genau erforschten Grund sind handelsübliche Silvesterveranstaltende nicht so sehr an der Gegenwart oder an der Zukunft interessiert, sondern an der Nostalgie. Und hier scheinen gerade die 90s ziemlich hoch im Trend zu liegen. So laden sowohl das Hotel Wetterhorn in Hasliberg wie auch das Bieler Le Singe zur 90s-Party. An Ersterer werden mutmasslich die Hits gespielt, in Biel soll eher auf die groovigen Kapitel des Jahrzehnts fokussiert werden. Von Blümchen bis Moloko liegt alles drin, was eine verbindliche Empfehlung etwas schwierig macht.
Die Vielseitigen
Sehr beliebt an Silvester sind ohnehin jene DJs, die ein Breitband-Sorglos-Paket im Angebot haben. Sie treten beispielsweise in der Turnhalle des Progr in Aktion (Spektrum: Rap, Funk, House), im Kulturhof Köniz (Funk&Soul, 80er, NDW, Rock, Britpop, Balkan, Reggae, Latin, Grunge und Italo-Pop), im ISC («Hits, Hits, Hits») oder auf dem Gurten, wo Radio Energy für die Musik sorgt. Unter anderem mit DJ-Fachkräften aus Berlin wartet dahingegen das Kapitel am Bollwerk auf (Tipp: Der Dancefloor im Keller scheint der erspriesslichste zu sein), während im Gaskessel zur elektronischen und urbanen Musikauswahl einheimischer Plattenlegerinnen und -leger ausgeflippt wird.
Wer stilistisch noch etwas mehr herausgefordert werden mag, aber nach Livemusik lechzt, könnte im Mokka Thun glücklich werden. Hier tritt die hintersinnige Pina Palau neben dem Rockabilly-Heisssporn Skinny Jim Tennessee und dem Hit-Recycling-geschulten Oceans Orchestra auf. Das scheint ein adäquates Stimmungsspektrum zu ergeben, um ein Jahr zu verabschieden, das so unberechenbar zwischen Melancholie und Irrsinn irrlichterte.
Die Theatralen
Immer hübsch ist es, Silvester mit einer theatralen Darbringung zu verquicken. Möglich ist das unter anderem im Schlachthaus Theater Bern, wo nach dem Stück «Titanic Live» die Schauspielerin Grazia Pergoletti ihr Vinyl zum Knistern bringt – Tickets hierfür gibt es jedoch nur noch an der Abendkasse.
Das Stadttheater Langenthal zeigt unoriginellerweise das Stück «Dinner für One», doch hier gibt es tatsächlich einen Mehrwert zum Immergleichen: Pedro Lenz hat zum Stück geforscht und erstaunliche Bezüge zu seiner Heimatstadt Langenthal gefunden.
Bühnen Bern schicken ihr mobiles Theater ins Le Beizli der Vidmarhalle und zeigen das Stück «Der Drache». Dazu wird gespeist, und es wird der alles andere als richtige Satz fallen: «Wo dus warm und weich hast, tust du am klügsten, wenn du schweigst und nicht nachdenkst über die unangenehme Zukunft.»
Eine viel bessere Idee, als das Nachdenken einzustellen, könnte sein, sich an Silvester die schlechten Gedanken einfach aus dem Kopf hämmern zu lassen. Dafür bietet das Berner Münster Hand: Unter dem Programmpunkt «Münsterglocken hautnah» kriegt man um 13.30 Uhr das «Vollgeläute» aus nächster Nähe ins Trommelfell geschlagen. Nu denn. Adiö, merci und ein fröhlicheres neues Jahr.
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