«Argentinien kann der Welt als Beispiel dienen, was möglich ist, wenn sich ein Land mit einer guten Führungsfigur für eine gute Politik entscheidet.» Jamie Dimon, Chef der grössten US-Bank J.P. Morgan Chase, war 2016 voll des Lobes für den argentinischen Staatspräsidenten Mauricio Macri, der sein Amt im Dezember 2015 angetreten hatte. Viele andere westliche Wirtschaftsführer, Politiker und Vertreter internationaler Organisationen teilten diese Ansicht. Für sie galt Macri als Hoffnungsträger: Mit einer auf Marktöffnung abzielenden Politik, dem Abbau von Preiskontrollen und Subventionen und einer frei floatenden Währung wollte der frühere Geschäftsmann sein darbendes Land wieder auf Wachstumskurs bringen.
Im Juni 2017 gelang Argentinien das Kunststück, eine Staatsanleihe mit 100-jähriger Laufzeit zu einem vergleichsweise moderaten Zinssatz von 8 Prozent bei Investoren unterzubringen. Doch gut zwei Jahre später, zum Ende von Macris erster – und wohl auch letzter – Amtszeit, sind dessen hehre Absichten auf dem Boden der Realität zerschellt. Südamerikas zweitgrösste Wirtschaft steht zum wiederholten Male vor einem Scherbenhaufen. Ja, es droht erneut eine Staatspleite – es wäre die neunte seit der 1816 erlangten Unabhängigkeit.
Argentinier hassen den IWF
Wie konnte es so weit kommen? Mauricio Macri als Alleinschuldigen für das heutige Desaster abzustempeln, wäre sicherlich falsch. Auch wenn er eine Reihe fragwürdiger und unglücklicher Weichenstellungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verantworten hat. Als besonders fatal erwies sich Macris Entscheid Ende 2017, das Inflationsziel von Argentiniens Notenbank – das er zu Beginn seiner Amtszeit eingeführt hatte – aufzuweichen. Angesichts der damaligen Teuerungsrate von rund 25 Prozent war dies ein alles andere als vertrauenerweckendes Signal (heute beträgt sie gut 54 Prozent). Der Präsident schwächte damit die Glaubwürdigkeit der Währungshüter. Entsprechend gross waren die Irritationen bei ausländischen Investoren.
Mauricio Macri als Alleinschuldigen für das Desaster abzustempeln, wäre sicherlich falsch.
Dass sie ab 2018 begannen, Kapital aus Argentinien abzuziehen, hatte aber noch einen tieferen Grund: Die steigenden Zinsen in den USA entwickelten eine Sogwirkung für anlagesuchende Gelder aus aller Welt. Erschwerend kam hinzu, dass an den Märkten erste Zweifel aufkeimten, ob Macri sein Reformprogramm würde umsetzen können. Denn der Präsident – dies war von Anfang an eines der grössten Handicaps – verfügt über keine Mehrheit im Parlament.
Jedenfalls erlebte die Landeswährung, der Peso, in der ersten Hälfte des letzten Jahres einen derart heftigen Schwächeanfall – in gut vier Monaten schwand sein Wert zum Dollar um 20 Prozent –, dass Macri den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Beistand ersuchen musste. Eben jene Institution, die mit einem früheren Spar- und Reformprogramm für Argentinien wesentlichen Anteil daran gehabt hatte, dass das Land 2001 in einer Rezession und einem Staatsbankrott versank. Seither gibt es niemanden und nichts, was die Argentinier mehr hassen als den IWF.
Argentiniens Zahlungsaufall droht
Für Macris Widersacher war es denn ein Leichtes, den Fonds und den Präsidenten für die missliche Wirtschaftslage verantwortlich zu machen. Die Quittung folgte am 11. August bei den Vorwahlen für das Präsidentenamt: Der peronistische Kandidat Alberto Fernandez schlug Macri derart klar, dass der Ausgang der entscheidenden Ausmarchung Ende Oktober vorgezeichnet ist. Die Aussicht auf eine Rückkehr des peronistischen Linkspopulismus an die Macht hat die Märkte regelrecht in Panik versetzt. Die seither nochmals verstärkte Kapitalflucht hatte zuletzt solche Ausmasse erreicht, dass Macri am letzten Wochenende nicht mehr umhin kam, Kapitalkontrollen einzuführen.
Was für eine Demütigung für den Präsidenten, der als erste Amtshandlung 2015 die Kapitalkontrollen von Vorgängerin Cristina Kirchner aufgehoben hatte. Kann Mauricio Macri jetzt die Auslandsgläubiger nicht zeitnah für eine Umschuldung gewinnen, erwartet ihn der nächste Tiefschlag – Argentiniens Zahlungsausfall.
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Wie der argentinische Hoffnungsträger verglühte
Die US-Zinswende besiegelte den Umschwung. Eigenes Fehlverhalten tat ein Übriges.