Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr
Die Linien von Bern nach Biel und von Bern nach Olten betreibt künftig die BLS statt die SBB. Mit dem Kompromiss sind weder BLS noch SBB zufrieden.

Richtig glücklich hat Peter Füglistaler gestern keinen gemacht. Am meisten verärgert hat der Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV) aber wohl die SBB. Seit Jahren sind sie das einzige Unternehmen, das die grösseren Städte der Schweiz auf den schnellen Bahnlinien miteinander verbindet. Der Fernverkehr ist gänzlich in ihrer Hand. Doch dieses Monopol hat das BAV gestern geknackt. Amtsdirektor Füglistaler will damit mehr Wettbewerb auf den Bahnlinien schaffen. Dass Wettbewerb zu besseren Resultaten führe als ein Monopol, das habe die Wirtschaftsgeschichte zur Genüge gezeigt, sagte er. Ein Befund, den der Gewerkschaftsbund und die Eisenbahnergewerkschaft SEV heftig kritisierten. Sie sprachen von «Wettbewerbsideologie», der zu Kostendruck und schlechteren Arbeitsbedingungen führe.
Gemäss Entscheid des Bundesamtes soll ab Ende 2019 die BLS statt die SBB die Fernverkehrslinien Bern–Biel und Bern–Burgdorf–Olten betreiben. Der definitive Beschluss steht jedoch noch aus. Zuerst dürfen nun Kantone, Verkehrsverbünde, Transportunternehmen und Infrastrukturbetreiberinnen Stellung zu dem Vorschlag nehmen. Den endgültigen Entscheid will das Bundesamt Mitte Juni fällen.
Substanzielle Abweichungen sind allerdings nicht zu erwarten. Die verlorenen zwei Linien sind für die SBB jedoch nur eine von zwei schlechten Nachrichten. Die zweite kommt sie teurer zu stehen: Künftig muss sie pro Fernverkehrszug höhere Beiträge an Schienen, Weichen und Fahrleitungen zahlen. Das Bundesamt für Verkehr hat die sogenannten Deckungsbeiträge erhöht. 100 Millionen Franken werden die SBB als Folge zusätzlich an die Infrastruktur zahlen müssen, wie Füglistaler sagte. 100 Millionen, die den Steuerzahler entlasten. Denn für das ungedeckte Defizit bei der Infrastruktur kommt der Bund auf.
Gewinndeckel für die SBB
Zudem führt das Bundesamt neu eine Art Gewinndeckel für die SBB im Fernverkehr ein. Konkret bemisst er sich an der Umsatzrendite. Übersteigt diese Kennzahl den Wert von 8 Prozent, will das Bundesamt die Deckungsbeiträge an die Infrastruktur noch weiter erhöhen. Um dies zu verhindern, blieben den SBB die Möglichkeit, die Tarife zu senken, etwa mittels zusätzlicher Sparbillette. Oder aber, und das wäre eine nicht beabsichtigte Konsequenz, sie lassen die Kosten aus dem Ufer laufen, sodass die Rendite ebenfalls sinkt. Bislang gab es keine solche Renditebeschränkung. Die SBB konnten also eine beliebige Umsatzrendite erzielen, ohne die Preise zu senken oder mehr an die Infrastruktur zahlen zu müssen.
Die SBB haben gestern wohl weder höhere Deckungsbeiträge noch einen Gewinndeckel erwartet. Sprecher Reto Schärli sagte auf Anfrage jedenfalls lediglich, die internen Fachleute analysierten die Auswirkungen. Die Mitteilung, welche die SBB verschickten, beinhaltete nur eine Reaktion auf die Neuzuteilung der Fernverkehrslinien. Diese wurde als «Paradigmenwechsel» und «eine irreversible Weichenstellung für den Fernverkehr» bezeichnet. Die SBB sind der Meinung, dass der Fernverkehr aus einer Hand geplant werden müsste.

Ob sie den Vorschlag anfechten, ist noch ungewiss. Unklar ist auch, ob sie sich quasi als Gegenschlag auf die von der BLS betriebenen S-Bahn-Linien in Bern bewerben. Diese Möglichkeit hatten die SBB im Vorfeld des Entscheids ins Spiel gebracht. Denn, so ihre Argumentation, mit dem Anspruch der BLS, Fernverkehrslinien zu betreiben, falle gewissermassen die historische Abmachung beider Bahnunternehmen dahin. Diese Abmachung datiert aus dem Jahr 2001. Per Handschlag hatten damals BLS-Chef Mathias Tromp und SBB-Chef Benedikt Weibel den bis anhin geltenden Deal besiegelt: Die SBB erhielten die Fernverkehrslinien, die BLS im Gegenzug die S-Bahn-Linien im Raum Bern.
BAV wollte Konkurrenzangebot
Dass die BLS aus diesem Modell ausscherte, dürfte nicht zuletzt am Bundesamt für Verkehr selbst gelegen haben. «Der Bund forderte uns eindringlich auf, uns für Fernverkehrslinien zu bewerben», sagte Rudolf Stämpfli, Verwaltungsratspräsident der BLS, gestern an der Bilanzmedienkonferenz des Berner Unternehmens. Das hat die BLS getan – und ist nun enttäuscht. Eigentlich hatte sie sich für fünf Fernverkehrslinien beworben. Nicht erhalten hat sie die beiden profitablen Intercity-Linien Basel–Interlaken-Ost und Basel–Brig.
Dafür gab das BAV auch die defizitäre Linie Bern–La Chaux-de-Fonds–Le Locle nicht der BLS, sondern den SBB. Das Bundesamt schlägt den SBB jedoch vor, diese Linie mittels eines Betriebsvertrags der BLS zu überlassen – wie das die SBB etwa bei der Gotthard-Bergstrecke mit der SOB tun. Die BLS hatte die Strecke schon bislang als subventionierte Regionalverkehrslinie betrieben. Das BAV deklarierte die Linie jedoch zu einer Fernverkehrslinie um, weshalb sie nun eigenwirtschaftlich und also ohne Subventionen betrieben werden muss. Das heisst: Die SBB müssen das Defizit von rund 20 Millionen selbst tragen. Das entlaste den Steuerzahler, hiess es beim BAV.
Unzufrieden zeigte sich das Unternehmen vor allem mit der Begründung des Bundesamtes. Dieses sprach bezüglich des Gesuchs der BLS von «Unsicherheiten». Unsicher sei etwa, ob das Rollmaterial rechtzeitig verfügbar gewesen wäre. BLS-Sprecher Stefan Dauner sagte auf Anfrage, er habe kein Verständnis für diese Argumentation. Die BLS habe ihr Gesuch genau wegen solcher Themen nochmals überarbeitet. Die letzte Version reichte sie im März ein. Darin passte sie die Termine, ab denen sie die Linien hätte übernehmen können, an. «Von uns aus gesehen wurde das Gesuch dadurch klarer und nicht unsicherer.»
Gemäss neuestem Gesuch hätte die BLS einige Linien allerdings erst sehr spät übernehmen können. Von Basel nach Brig hätte sie erst ab 2025 fahren können, nach Le Locle sogar erst ab 2032. Der Grund: die vollen Auftragsbücher der Rollmaterialhersteller. Das war dem BAV zu spät. Gleichzeitig wurde klar, dass das Bundesamt der BLS oder anderen Anbietern bei der nächsten Vergabe ihn zehn Jahren durchaus auch weitere Linien abgeben würde.
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