Wer nichts tut, tut den Jenischen erneut Unrecht
Mit den beiden Standplätzen für Wohnwagen in Bern und Biel zeigen die beiden Städte Lösungswillen. Damit ist es aber freilich noch nicht getan.
Eigentlich ist seit dem 28. März 2003 alles klar. Damals diktierte das Bundesgericht unmissverständlich: Die Behörden aller staatlichen Ebenen sind verpflichtet, die Bedürfnisse der Fahrenden in ihrer Raumplanung zu berücksichtigen. Im Kanton Bern folgte aber ein Jahrzehnt der Versäumnisse. Der Kanton zählt heute nicht mehr, sondern weniger Standplätze für Fahrende als damals.
So gesehen ist es auf den ersten Blick recht bescheiden, wenn die vereinten politischen Entscheidungsträger jetzt als Reaktion auf das aufmüpfige Verhalten der Jenischen für die nächsten vier Monate zwei temporäre Plätze für insgesamt 50 Wohnwagen anbieten. Das löst das Problem nicht.
Auf den zweiten Blick sind die Offerten der Städte Bern und Biel aber ein starkes Signal. Mit ihren Übergangslösungen zeigen die beiden Städte, was in den meisten anderen Gemeinden fehlt: Lösungswille - und die Offenheit, die Jenischen als zur Schweiz gehörende Minderheit zu behandeln.
Das ist womöglich erst eine klimatische Veränderung - aber eine wichtige. Dank dem Entgegenkommen der beiden Städte endet der Protest der Jenischen für sie nicht im erneuten Gefühl von Ohnmacht.
Loskommen vom Geist der 1930er Jahre
Unter Druck gerät dadurch die Kantonsregierung. Sie sieht sich jetzt nicht nur mit den Forderungen der Fahrenden konfrontiert, sondern zusätzlich mit jenen der Städte Bern und Biel. Diese fordern jetzt rasch konkrete, greifbare Lösungen.
Der Druck ist gross, denn bei Lichte betrachtet ists für die Kantonsregierung die vielleicht letzte Chance, gerade noch rechtzeitig zu agieren. Schafft sie nach der Debatte der letzten Wochen den Aufbruch nicht, dann erweckt sie den Eindruck, sie sei nicht wirklich willens, sich vom Geiste der 1930-Jahre zu trennen, der seinerzeit zum Drama der Kinder der Landstrasse geführt hatte. Nichts zu tun für die wirkliche Anerkennung der Minderheit der Jenischen, heisst nämlich unweigerlich auch, das Unrecht zu verlängern, das den Jenischen in der Vergangenheit widerfahren ist.
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