Wer ein Bein verliert, ist verflucht
In Haiti mussten vielen Erdbebenopfern Gliedmassen amputiert werden. Dabei verloren sie nicht nur Beine oder Arme, sondern auch ihre Würde. Dem Voodoo-Kult zufolge sind sie Nichtsnutze.

Die Haitianer reden von Goudougoudou, wenn sie das Erdbeben meinen. Dieses neue Wort, eine kreolische Lautmalerei, gibt das Geräusch wackelnder Häuser wieder und ist nach der Katastrophe mit den 230'000 Todesopfern entstanden. Oder aber sie sprechen vom Evénement, vom Ereignis. Oder von der Affaire, der Sache. Das Wort Erdbeben hingegen vermeiden die Haitianer. Es ist ihnen zu stark, zu schonungslos für das, was am 12. Januar 2010 geschehen ist. Und zu sehr fürchten sie, ein neues Beben heraufzubeschwören, wenn sie die Katastrophe beim Namen nennen.