ZoomWenn sich die Identität spiegelt
Männerbeine in Strumpfhosen, faltige Décolletés, Kratzspuren auf dem Rücken: Anne Morgenstern zeigt in Genf Körper abseits der Normen.

Eine Felsspalte, eine durchschimmernde Unterhose. Ein übertrainierter Frauenkörper, ein kaputter Rollladen. Ein schwerer Vorhang, ein in Plastik eingeschnürter Hintern. Wo hört der Körper auf, und wo beginnt die Textur? Ist ein Körper nicht immer auch Landschaft?
Anne Morgenstern hat ihre erste grosse Einzelausstellung «Indocile and tender» (auf Deutsch: «zärtlich und unbezähmbar») im Centre de la Photographie in Genf dem Körper und der Identität gewidmet.
Morgenstern wurde 1976 in Leipzig geboren, sie studierte Fotografie in Zürich, wo sie heute lebt und arbeitet (u.a. auch für den «Tages-Anzeiger»).


Haut, Verlangen, Haare, Schönheit, Kratzspuren auf dem Rücken, Lust, Männerbeine in Strumpfhosen, Scham, ein faltiges Décolleté, Stolz, Körper zwischen den Geschlechtern: Morgenstern gelingt es, Menschen abzubilden, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, ohne sie in eine neue Kategorie zu zwängen. «Ihre Arbeit ist sehr befreiend und emanzipatorisch», sagt Kuratorin Danaé Panchaud über Morgenstern. «Indocile and tender» ist die erste Ausstellung von Panchaud im Centre de la Photographie in Genf, bis vor kurzem leitete sie das Photoforum Pasquart in Biel.




Parallel zur Ausstellung hat Morgenstern ihr Buch «Macht Liebe» veröffentlicht, in dem sie Porträts von Menschen mit Bildern von Innenräumen, Tieren, Stoffen oder Möbeln kombiniert, als würden alle Dinge dieser Welt miteinander kommunizieren. Eine wichtige Rolle kommt dabei vor allem dem Spiegel zu. So hat Morgenstern ihrem Buch auch ein Zitat der deutschen Schriftstellerin Monika Rinck vorangestellt: «Spiegele mich zur Unkenntlichkeit, in Stücken gib mich mir wieder zurück.»
Ausstellung Anne Morgenstern: «Indocile and tender», Centre de la Photographie in Genf, bis 10. April 2022
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