Nach Aufforderung der PolizeiBesetzer verlassen Haus im Mattequartier freiwillig
Nach fünf Hausbesetzungen am Wochenende hat ein Kollektiv ein weiteres Berner Gebäude okkupiert. Es protestiert damit gegen hohe Mieten und ungenutzte Räume – und fordert Freiheit für die Angeklagten Effi-Prozess.

Ein Haus im Berner Mattequartier wurde am Montagmorgen bereits zum zweiten Mal besetzt. Nachdem das Haus im März geräumt wurde, besetzte zu Beginn dieser Woche erneut eine Aktivistengruppe die Liegenschaft.
Schon seit dem Morgen standen mehrere Kommandowagen vor Ort, und Einsatzkräfte waren unter anderem mit Drohnen und Booten im Einsatz. Die Besitzerin der Liegenschaft, Energie Wasser Bern (EWB), habe die Räumung verfügt, wie die Einsatzkräfte gegen 15 Uhr per Lautsprecher mitteilen.
Wie ein «Bund»-Reporter vor Ort berichtet, hatten die Besetzenden fünf Minuten Zeit, das Haus zu verlassen. Sie kamen der Aufforderung nach. Zwei Besetzerinnen und vier Besetzer verliessen das Haus freiwillig. Beim Verlassen des Hauses wurden sie von der Polizei kontrolliert und erhielten eine Wegweisung. Für die nächsten Stunden müssen sie der Liegenschaft im Mattequartier fernbleiben. Es stehe der Eigentümerschaft frei, nun Anzeige zu erstatten. Dafür habe sie drei Monate Zeit, sagt Ramona Mock, Mediensprecherin der Kantonspolizei.
Auf Anfrage gibt EWB an, das Gebäude an der Wasserwerkstrasse 17 werde für eine schulische Nutzung zur Verfügung gestellt. Diesen Grund hatte sie bereits genannt, als das Gebäude schon im März besetzt und auf ihre Verfügung geräumt worden war. Die Besetzenden kritisieren allerdings in einem Video-Statement, seither sei bezüglich schulischer Nutzung nichts geschehen.
Die Gruppe erinnert an die polizeiliche Räumung verschiedener besetzter Liegenschaften, die bis heute ungenutzt blieben – etwa der ehemaligen Schreinerei auf dem Von-Roll-Areal, die das Kollektiv Fabrikool besetzt und zwischengenutzt hatte. «Für mich ist Besetzen nicht ein Verbrechen», heisst es im Video. «Das eigentliche Verbrechen ist Raum zu besitzen und ihn nicht zu benutzen.»
Schon einmal besetzt
Das Haus in der Matte war bereits im März von Aktivistinnen und Aktivisten okkupiert worden. Auch diese wollten sich damit gegen Leerstände aussprechen. Das Gebäude, das Energie Wasser Bern gehört, wurde von einem polizeilichen Grossaufgebot geräumt, das auf keine Gegenwehr stiess.
Die neuste Besetzung kam, nachdem am Vortag aktivistische Gruppen die Besetzung fünf anderer Häuser im Raum Bern bekanntgaben. Die Aktionen sind laut Bekennerschreiben ein Zeichen der Solidarität mit der Besetzergruppe der Effingerstrasse 29. Diese stehen am Montag vor Gericht. Vor Ort seien aber kaum Personen anzutreffen, teilte die Polizei am Sonntag mit. In einem weiteren Schreiben auf der Website der Anarchistischen Gruppe Bern war denn auch von «Scheinbesetzungen» die Rede.
In der Matte handelt es sich nicht bloss um eine Scheinbesetzung: Ein «Bund»-Reporter vor Ort berichtete, durch die Fenster des Gebäudes seien Menschen zu sehen, die angeben, «viele» zu sein. Die Fassade war mit Transparenten behängt, wonach das Haus nun «besetzt und belebt» sei. In ihrem Video gab die Gruppe an, alle Besuchenden seien willkommen.
Auch sie nimmt auf den anstehenden Prozess Bezug: Eine Mitteilung auf der Plattform Barrikade.info unterzeichnen sie mit «Freiheit für alle Effi29-Leute!». Ihre Aktion scheint mit derjenigen der anderen Gruppen koordiniert zu sein: Als Beispiele für inakzeptable Leerstände nennen sie in ihrem Video eine Reihe von Gebäuden, die am Vortag besetzt worden sind.
Polizei vor Ort
Wie unser Reporter vor Ort meldet, hat sich um etwa 10.00 Uhr die Polizei vor dem Haus in Stellung gebracht. Im Einsatz waren rund sechs Polizeiangehörige und zwei Fahrzeuge. Die Einsatzkräfte haben die Zugänge zum Platz vor dem besetzten Gebäude gesichert, dabei werden Passantinnen und Passanten kontrolliert. Ein Passant erzählte dem Reporter, wer verdächtigt werde, die Besetzenden besuchen zu wollen, erhalte einen Platzverweis. Auf Anfrage teilt die Polizei lediglich mit, sie habe von der Besetzung Kenntnis – und anders als bei den Scheinbesetzungen vom Vortag seien auch Menschen im Gebäude.

Um den Mittag sind an der Aare unweit vom besetzten Haus Polizeiboote bereitgemacht worden. Schon bei der letzten Besetzung des Gebäudes waren Einsatzkräfte auch auf dem Wasser unterwegs. Auch Drohnen schwirren durch die Luft. Die von der Polizei ergriffenen Schritte ähneln denjenigen, die der Räumung im März vorangingen.

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