Kolumne «Das Wundern von Bern»Was mir an Berns Schulen auffällt
Unsere Kolumnistin möchte sich mal so richtig in die Nesseln setzen, deshalb wundert sie sich als Ostschweizerin öffentlich über die Berner Schulen.

Hier in Bern läuft an den Schulen vieles ein bisschen anders als in meiner Ostschweizer Heimat. Das sieht man aktuell besonders deutlich: Kurzerhand werden die Weihnachtsferien um eine Woche verlängert, indem man ihren Start vorzieht. Ein unorthodoxer Entscheid, um es möglichst neutral zu formulieren. In den Kantonen Thurgau und St. Gallen wäre das keine Option – aus dem einfachen Grund, weil dort die Ferien ohnehin bereits am Freitagabend, 17. Dezember, beginnen.
Dafür endet die freie Zeit auch schon am 3. Januar. Hier in Bern dauert sie eine Woche länger. Das heisst, das Betreuungsproblem für berufstätige Eltern verteilt sich auf insgesamt drei Wochen anstatt nur zwei. Das würde ich nicht gerade als besonders nervenschonende Massnahme bezeichnen. Doch aussergewöhnliche Zeiten verlangen wohl nach aussergewöhnlichen Entscheidungen.
Was mich aber auch im Normalmodus immer wieder überrascht am Berner Schulsystem, sind die mir absolut unverständlichen Bezeichnungen wie zum Beispiel «Spez-Sek». Klingt eher nach einem Zungenbrecher als nach einer Zwischen-Schulstufe. Oder dann die bis vor kurzem geltenden Ausdrücke für die verschiedenen Gymer-Klassen, die Ehemalige nach wie vor gerne verwenden: Prima, Sekunda, Tertia. Aus irgendeinem Grund zählte man dabei stets von oben abwärts. Das heisst, die Schülerinnen und Schüler stiegen in der Quarta ein und schlossen in der Prima ab. Wer denkt sich bloss so etwas aus?
Aus all diesen Gründen beobachte ich umso gespannter, was meine Kinder in der Volksschule erleben. In der Vorweihnachtszeit haben sie gewichtelt. Okay, das ist etwas, das ich auch aus meiner Zeit kenne. Allerdings waren wir schon Teenager, als wir das erste Mal den anderen in der Klasse heimlich Geschenke machen sollten. Und wir hatten auch keine so strengen Vorgaben – höchstens zwei Franken dürfen die Kleinen pro Geschenk ausgeben. Das heisst natürlich, dass sie basteln müssen – oder zeichnen. Mein elfjähriger Sohn hasst Basteln. Und Zeichnen.
Deshalb haben wir einen Deal gemacht: Ich habe für ihn gebastelt – er hat für mich die Böden in der Wohnung feucht aufgenommen. Wir waren beide glücklich mit dem Resultat. Und ich bin zum Schluss gekommen, dass die Kinder wohl in jedem Kanton das Wichtigste ausserhalb des eigentlichen Unterrichts lernen: Für ihre Anliegen einzustehen und gute Kompromisse zu finden.
Die Autorinnen und Autoren dieser Kolumne der Kulturredaktion staunen jede Woche über aktuelle Phänomene.
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