Was hats gebracht, das Dumping-Skiabo von Saas Fee?
222 Franken für eine ganze Ski-Saison: Damit sorgten die Walliser für Aufsehen. Zeit für eine Bilanz.

Die Kritik wurde ganz schweizerisch in Nebensätzen verpackt. «In Sitzungen von Branchenorganisationen gab es schon mal spitze Bemerkungen», erzählt Urs Zurbriggen. Direkt habe ihn aber niemand angegriffen, so der Operativchef der Saastal-Bergbahnen. Im November hatte sein Unternehmen eine hierzulande noch nie gesehene Aktion lanciert und damit für Aufruhr gesorgt: Die Saisonkarte, die sonst 1050 Franken kostete, war für 222 Franken zu haben.
Indirekt aber gab es durchaus Schienbeintritte. Andere Wintersportorte sprachen in den Medien von einem «Dumpingangebot», welches zu einem ruinösen Preiskampf führe. Zurbriggen nimmt das hin. «Es ist legitim, dass andere keine Freude haben. Aber wir leben in einer Marktwirtschaft», sagt er.
Auch Zürcher angesprochen
Er kann es auch locker nehmen. Denn der Plan ist aufgegangen. «Wir haben über 90'000 Abos verkauft», so der Bahnmanager. Nicht nur einjährige Abos wurden abgesetzt, sondern auch solche für 3 und gar für 15 Jahre (Kostenpunkt: 2999 Franken). «Auch davon haben wir mehrere Hundert verkauft, vor allem an Einwohner und Zweitwohnungsbesitzer», so Zurbriggen.
Das hatte Folgen: Im Dezember und Januar zählte Saas-Fee gemessen an den sogenannten Ersteintritten 45 Prozent mehr Skifahrer. Landesweit betrug das Wachstum gerade mal 3 Prozent. «Nach vielen schwierigen Jahren können wir endlich aufatmen», so Zurbriggen. Besonders freut er sich, dass mit der Aktion auch Leute aus der Region Zürich angelockt werden konnten. «Die Hälfte der Pässe ging in unsere traditionellen Stammgebiete Bern, Westschweiz und Basel», so der Bahnmanager. Danach folgten die Zürcher, denen das Wallis bisher meist zu weit entfernt war und die lieber nach Graubünden fahren.
Darum wiederholt die Region unter dem Allalinhorn die Aktion. Bereits haben mehr als 350 Leute ein Abo für 2017/18 reserviert. Die Saisonkarte kostet erneut 222 Franken. Wer bereits letztes Jahr zugegriffen hat, kann sein Abo für 400 Franken um zwei Jahre verlängern. Einzige Bedingung ist, dass bis Saisonende im April 77'777 Bestellungen eintreffen. Zurbriggen ist überzeugt, dass dieses «sportliche Ziel» erreicht wird. «Wir werden dieses Mal auch im Ausland dafür werben.» Speziell im Visier hat er Deutschland, die Benelux-Staaten und Grossbritannien. «Von dort kommen traditionell rund 40 Prozent unserer Gäste.»
Den positiven Effekt spüren nicht nur die 21 Bahnen und Lifte. «Während die Logiernächte im Dezember und Januar schweizweit rückläufig waren, konnten wir ein Plus von 13 Prozent verzeichnen», sagt der Saaser Tourismusdirektor Pascal Schär. Und dies, obwohl anfänglich im Tal nicht viel Schnee lag. Betrachte man den Januar einzeln, betrage das Plus sogar 30 Prozent.
Auch mehr Tagesausflügler zählt man im Tal. «Die Zahl der Ankünfte stieg um 20 Prozent», so Schär. Darum zögen alle Tourismusbetriebe eine positive Bilanz, «auch Hoteliers, Ferienwohnungsanbieter oder Sportläden». Damit ist das eingetroffen, was man sich erhoffte: Die Aktion wirkte im ganzen Tal.
Anderswo wird Saas-Fee denn auch Beifall geklatscht. «Eine tolle Marketingidee», sagt Edith Zweifel vom Zermatter Tourismusbüro. Negative Folgen befürchtet die Walliser Nobeldestination keine, auch wenn die beiden Wintersportorte in Luftlinie nur gerade 18 Kilometer auseinander liegen. Zu verschieden seien Gästestruktur und internationale Ausstrahlung. «Zermatt wird sich als Premium-Destination nie über den Preis verkaufen», erklärt Zweifel.
Probleme vertagt?
Auch im Innerschweizer Kurort Engelberg hat man keine Absicht, Saas-Fee zu kopieren. «Das Signal an den Markt wäre problematisch. Der Gast verliert das Verhältnis zum Wert des Skitickets», sagt Tourismusdirektor Frédéric Füssenich. Eigentlich müsste man seiner Ansicht nach die Preise sogar erhöhen, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. «Doch es passiert das Gegenteil.»
Preissenkungen sind für Füssenich keine Lösung, sondern ein neues Problem. «Wenn alle Skigebiete ihre Saisonkarten halb verschenken, verlieren alle.» Das führe dazu, dass Abschreibungen nicht getätigt würden. «So entsteht ein Investitionsstau», sagt der Tourismusmanager. Modernisierungen und Ausbauten könnten nicht mehr finanziert werden. Für Füssenich geht es um eine Grundsatzfrage: «Es wird sich zeigen, ob Destinationen mit Preis- oder mit Qualitätsführerschaft überleben.»
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