
Das Austrittsabkommen zwischen Grossbritannien und der EU enthält einen Mechanismus, wie bei einem Streit vorzugehen ist, bis ein Partnerschaftsabkommen die künftigen Beziehungen regelt. Dies ist für die Schweiz interessant, weil im weitgehend fertig verhandelten Rahmenabkommen ebenfalls ein solcher vorgesehen ist. Er dürfte weitgehend der Regelung entsprechen, welche Grossbritannien und die EU nun ausgehandelt haben.
Demnach ist vorgesehen, dass zuerst der gemischte Ausschuss aus Briten und EU-Diplomaten eine Lösung sucht. Wenn das innert dreier Monate nicht gelingt, kann ein Schiedsgericht einberufen werden. Dieses besteht aus fünf Personen: Die EU und Grossbritannien benennen je zwei Richter. Auf den fünften Richter müssen sich beide Seiten einigen. Wenn es im Streit um EU-Recht geht, dann fragt das Schiedsgericht den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg um eine Interpretation an. Diese Auslegung ist dann für das Schiedsgericht bindend. Beide Seiten können diesen Gang an die EU-Richter verlangen.
Hat das Schiedsgericht entschieden, so ist das bindend für beide Seiten. Verweigert eine Seite die Umsetzung des Entscheides, kann die Gegenseite alle Verpflichtungen, ausser jene gegenüber den Bürgern der anderen Seite, ausser Kraft setzen. Das Schiedsgericht kann dann wieder angerufen werden, um die Verhältnismässigkeit der Sanktionen zu prüfen.
«Früher wusste man wenigstens, woran man war.»
Dieses Schiedsgericht entspricht dem Modell, welches Bundesrat Ignazio Cassis letzten März den Medien vorgestellt hat. Auf eine Frage aus dem Parlament antwortete der Bundesrat damals, er habe «stets» akzeptiert, dass die Streitbeilegung «gemäss der Rechtsprechung des EuGH erfolgen soll». In der Sendung «Arena» des Schweizer Fernsehens vom März sagte der Europarechtler Matthias Oesch (Universität Zürich), dass alles Recht des Binnenmarkts vom Gerichtshof der EU ausgelegt werde: «Wir werden nicht am EuGH vorbeikommen.» Er werde permanent eine Rolle spielen.
Ähnlich analysiert auch Carl Baudenbacher, der frühere Präsident des Gerichtshofes der Efta, das Austrittsabkommen. Dem Schiedsgericht werde keine eigene Kompetenz verbleiben. Dieses «Scheinschiedsgericht» sei eigentlich noch schlechter als das reine Modell einer Beurteilung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). «Da wusste man wenigstens, woran man war.» Der Gerichtshof der Efta, an dem sich die Schweiz statt am EuGH andocken könnte, müsse niemandem etwas vorlegen.
Der FDP-Aussenpolitiker Hans-Peter Portmann (ZH) sieht es anders. Er geht davon aus, dass das Schiedsgericht in den Protokollen zum Rahmenabkommen mit der Schweiz freier in der Anwendung von EU-Recht und in der Beurteilung von Ausgleichsmassnahmen sein wird als das Schiedsgericht aus dem Austrittsabkommen.
«Keine Grundsatzentscheide»
Für SVP-Präsident Albert Rösti (BE) beweist das Austrittsabkommen, dass das Schiedsgericht nur dazu da sei, die Bevölkerung über die tatsächliche Natur des Abkommens zu täuschen. «In den allermeisten Fällen entscheiden fremde Richter in Luxemburg über die Schweiz», sagt Rösti, «entweder durch frühere Urteile oder durch Anrufung durch das Schiedsgericht.»
Der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer findet es richtig, wenn das Schiedsgericht bei der Auslegung von EU-Recht der bestehenden Auslegung des EU-Gerichtshofes folgt. «Das Schiedsgericht kann keine Grundsatzentscheide fällen», sagt Nussbaumer.
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