Wacklige Fundamente
Selbstbespiegelung ist keine gute Drehbuchautorin. Aber sie tritt ungefragt auf in der Periode rund um Weihnachten, wenn es früh dunkel und spät hell wird, wenn man aus dem täglichen Tretmühlentrott geworfen und zum Nachdenken gezwungen wird. Da stellt sich gern, wie es Mani Matter einst genial formuliert hat, ein «metaphysisches Gruseln» ein.Denn die Angst geht um: «Jobangst» zum Beispiel, wie der «Blick» jüngst schrieb. Auf der «Blick»-Hitparade der gefährdeten Berufe sind jene der Werber, der Tourismusfachleute und natürlich der Bankangestellten ganz oben. Nicht rosig sieht es auch für Uhrmacher, Pöstler, Köche, Floristen, Kaminfeger und Architekten aus – die weibliche Form ist stets mitgemeint, nehme ich an. Besser steht es um Polizisten, Buchhalter, Feuerwehrleute, Lokomotivführer und um alle im Gesundheitsbereich: Ärzte, Krankenpfleger, Zahnärzte. Je schlechter die Wirtschaftslage, desto mehr Leute werden krank, könnte man vulgärpsychologisch schlussfolgern. (Dass die Journalisten auf der Liste gar nicht vorkommen, ist nur bedingt beruhigend.)Die Arbeitslosigkeit werde laut Prognosen des Seco von heute 2,6 auf 3,3 Prozent im nächsten und 4,3 Prozent im übernächsten Jahr steigen, konnte man gleichzeitig im «Bund» lesen. Das wird sich negativ auf die Sozialwerke auswirken: Die Arbeitslosenversicherung wird Milliardenschulden anhäufen, die Erwerbsersatzordnung (bezahlt den Lohnausfall bei Militärdienst und Mutterschaft) benötigt zusätzliche Mittel; die Invalidenversicherung ist sowieso in akuten Finanznöten. Die Lage ist düster. Plötzlich wirken Fundamente wacklig, die einst gefestigt schienen. Die Existenz fühlt sich bedroht an. Bis man auf das Bulletin der International Crisis Group stösst, einer Nichtregierungsorganisation, die sich unter Führung des einstigen australischen Aussenministers Garreth Evans mit Konfliktherden beschäftigt und mithilft, nach Lösungsansätzen zu fahnden.Die fast 200 Terrortoten in Mumbai werden hier vermeldet. Die Lage in Pakistan und in Afghanistan hat sich rapid verschlechtert. In Nigeria starben bei brutalen Zusammenstössen aus religiösen Gründen – einem Konflikt zwischen Muslimen und Christen – in zwei Tagen 200 Menschen. Dass es in Nicaragua zu gewalttätigen Unruhen kam, nahm man hierzulande schon gar nicht mehr wahr. Dafür hat Radio DRS von der Vertreibung Tausender von Christen in Irak berichtet, die in Bagdad, Mossul und anderen Städten ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Das sind nur Ausschnitte aus den allerletzten Wochen, und vom «Albtraum Simbabwe» wollen wir gar nicht reden.Natürlich ist es kein Trost, dass andere ungleich grössere Nöte leiden als man selber. Eigene Ängste sind nicht durch die Katastrophen zu kompensieren, die andern zustossen. Aber an die Proportionen des Elends erinnert zu werden, ist trotzdem hilfreich. Äussern Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel im Internet:bundblog.derbund.chInternational Crisis Group:www.crisisgroup.org>
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