Vieles ausser Punk
Unter dem Titel «Punk in the Cathedral» spielt das Berner Kammerorchester im Münster ein erfrischend ungewöhnliches Programm.

«Nehmen Sie den Titel nicht wörtlich!» warnt der Geiger und Dirigent Droujelub Yanakiew im Interview eindringlich («Berner Woche» vom 22. 2.) – wohl im Wissen darum, dass er den Kern des durchaus ansprechenden Programms weit verfehlt. «Er soll neugierig machen und ein wenig provozieren», gibt er zu. Der Plan geht auf: Das Berner Münster ist gut besetzt, was angesichts des Programms überrascht; mit Schönberg, Yoshimatsu und Takemitsu sind lauter Grössen der Neuen Musik vertreten.
Vielleicht ist es die Uraufführung von Yanakiews «Jimi Hendrix Suite» für E-Violine, Perkussion und Streichorchester, die das Publikum an diesem eiskalten Abend aus den Häusern lockt. Verwoben mit Takashi Yoshimatsus «Atom Hearts Club Suiten» und «And Birds Are Still» sowie Toru Takemitsus «Death and Resurrection» bildet sie den mächtigen ersten Konzertteil.
Improvisiertes Zwiegespräch
Es sind Yanakiew an der Geige und der Schlagzeuger Peter Conradin Zumthor, die das Konzert im abgedunkelten Münster mit «Punk in the Cathedral» aus der «Jimi Hendrix Suite» eröffnen. Drei einsame Leuchten erhellen die beiden Solisten. Nach einigen lieblichen akustischen Geigentönen wirft der experimentierfreudige Yanakiew sein Effektboard an, um seinem Instrument den Hendrix'schen Gitarrenklang zu entlocken.
Im improvisierten Zwiegespräch mit dem ebenso spielfreudigen Zumthor wird der Boden bereitet, auf dem Takemitsus «Death and Resurrection» für Streichorchester – bekannt aus dem Film «Black Rain» über die Folgen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima – seine erschütternde Wirkung zu entfalten vermag. Der zweite Satz «Trillaphon» der «Jimi Hendrix Suite» wird zu einem Höhepunkt des Abends. Mit seinem Schlagzeug erschafft Zumthor eine Klangstruktur höchster Intensität und spielt dabei gekonnt mit dem ausgeprägten Hall des Kirchenraumes. So entsteht der Eindruck eines regelrechten Schlagzeugorchesters.
Leider zeigt sich hier aber auch erstmals eine Schwäche des Abends: das Licht. Ein hektisches weisses Geflacker buhlt im Hintergrund um die Aufmerksamkeit, die es Zumthor nicht zu gönnen scheint.
Leichtigkeit im Klangbild
Zunehmend mischen sich nun Jazz-, Rock- und Pop-Klänge ins klassische Programm, welches das rund zwanzigköpfige Berner Kammerorchester stilsicher und überzeugend präsentiert.
Höchste Präzision – auch dank des überzeugenden Dirigats Yanakiews – und ideale Balance führen im Klangbild zu einer Leichtigkeit, die man sich in diesen Hallen nicht zu hören gewohnt ist. Nach der Pause der Kontrast: Statt zahlreicher kurzer Sätze folgt Arnold Schönbergs dreissigminütiges «Verklärte Nacht» und statt irritierender Farbwechsel und Lichtorgeln ist der gerüstlose Chorbogen stimmungsvoll und unaufgeregt beleuchtet. Aber auch in diesem zweiten Teil erklingt ein Orchesterklang, der das spätromantische Werk des Wiener Meisters zum Glühen bringt und das Publikum selig verklärt in die kalte Nacht entlässt.
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