Verwirrspiel um eine (schwarze) Liste
Bundespräsident Merz hofft, dass er die Schweiz von einer schwarzen Liste der OECD weggebracht hat. Bloss: Unklar ist, ob diese Liste überhaupt existierte.
Wird er ihn an der berühmten Tür in Downing Street mit freundlichem Händedruck empfangen? Oder wartet er drinnen und lässt den Gast wie einen Sünder kommen? Das fragten sich Beobachter am Samstag in London, als Bundespräsident Hans-Rudolf Merz Premierminister Gordon Brown seine Aufwartung machte.
Die Briten schienen nicht recht zu wissen, wie sie sich verhalten sollten. Immerhin hatte die von London viel gescholtene Schweiz am Vortag ihre Entscheidung zur Lockerung des Bankgeheimnisses bekannt gegeben. Im diplomatischen Durcheinander, das die eilig arrangierte Reise des Bundesrats an die Themse auslöste, musste Merz tatsächlich ohne Händedruck in No. 10 eintreten. Nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür jedoch wieder: Heraus kam der Hausherr mit dem Gast zum demonstrativen Händeschütteln vor den laufenden Kameras.
Eine halbe Stunde widmete Brown dem Bundesrat. Er wertete die angekündigte Lockerung des Bankgeheimnisses als «Anerkennung der Tatsache, dass die alten Steueroasen nichts mehr zu suchen haben in der neuen Welt». Der Schritt der Schweiz und anderer Länder signalisiere «den Durchbruch zu einer neuen Weltfinanzordnung». Merz, der an das informelle Treffen des Ministerausschusses des IWF nach London gereist war, zeigte sich erleichtert über «das grosse Verständnis», das er bei Brown gefunden habe. Die Frage, ob er nun zuversichtlich sei, dass die Schweiz von allen schwarzen Listen verschwinden werde, bejahte er. Der britische Regierungschef habe ihm zugesagt, er werde seinen Einfluss geltend machen. Er habe ihm auch eine Beteiligung der Schweiz an der künftigen G-20-Arbeit, zumindest auf technischer Ebene, in Aussicht gestellt. Auch US-Finanzminister Timothy Geithner begrüsste die neue Haltung der Schweiz. Für ein Treffen mit Merz fand er in London allerdings keine Zeit.
Steinbrück weiss von keiner Liste
In ungewöhnlicher Schärfe wandte Merz sich gegen die Art und Weise, wie die Schweiz auf die angeblich Anfang März von der OECD an Brown übermittelte schwarze Liste gelangt sei. Diese Liste sei erstellt worden, ohne dass die Schweiz davon Kenntnis gehabt habe, «obwohl wir zahlendes und gleichberechtigtes Mitglied dieser Organisation sind». Ein solches Verfahren sei «politisch und völkerrechtlich nicht akzeptabel», fand Merz. Auch in der Schweiz gab es Schelte: Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sprach von einem Fehler der Pariser Organisation, der sich nicht wiederholen dürfe. Ins gleiche Horn stiess Wirtschaftsministerin Doris Leuthard in der DRS-«Samstagsrundschau».
Nur: Existiert die Liste überhaupt? Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die «positiven Ergebnisse», die bereits die simple Niederschrift einer Liste bestehender Steueroasen erbracht habe. Ihr Finanzminister Peer Steinbrück dagegen erklärte, ihm sei von einer solchen OECD-Liste nichts bekannt. Wenn allein ein Gerücht derartige Nervosität verursachen könne, komme ja wenigstens endlich «Zug in den Kamin». Viel hänge von den Details der neuen Abkommen mit der Schweiz ab. Er jedenfalls werde von der Forderung nach automatischem Informationsabtausch nicht abrücken.
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