Vertrauen reicht nicht
Aufrüsten im Kampf gegen Steuerdelikte: Eine knappe Mehrheit des Grossen Rates findet, es brauche strengere Kontrollen bis hin zu Detektiven.

Bei Bürgerlichen und bei Linken gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen, wenn es um die Kontrolle von Betrügereien und Schwindeleien geht: Bürgerliche regen sich eher über «Sozialschmarotzer» auf. Die Linken packt die Wut, wenn «Steuersünder» auffliegen. Die einen beziehen zu viel Geld vom Staat, die anderen liefern zu wenig an den Fiskus ab.
Nun hat der bürgerlich dominierte Grosse Rat des Kantons Bern einen bemerkenswerten Entscheid gefällt. Er hat sich gestern dafür ausgesprochen, dass der Regierungsrat die Einführung von Steuerdetektiven prüft. Mit 74 zu 70 Stimmen bei zwei Enthaltungen fiel die Zustimmung knapp aus. Unterstützung für das Postulat gab es von den Grünen, aber auch von BDP, EVP und GLP. Dagegen waren SVP, FDP und EDU.
Nur eine Frage des Willens?
Das sei «wunderbar», man habe das Problem erkannt, sagt Andrea Zryd (SP), die den Vorstoss eingereicht hatte. «Eine Mehrheit hat eingesehen, dass eine stärkere und effizientere Kontrolle notwendig ist.» Die Argumentation des Regierungsrats, dass Steuerdetektive auf kantonaler Ebene gar nicht möglich seien, weil das eidgenössische Recht dafür geändert werden müsste, lässt Zryd nicht gelten. «Das ist für mich eine billige Entschuldigung, es ist eine Frage des Willens.» Nun könne man prüfen, welche Kompetenzen kantonale Steuerinspektoren haben dürften. Wie man diese am Schluss benenne, sei zweitrangig. Unabhängig davon glaubt Zryd, dass es bei der Steuerverwaltung mehr Personal braucht, denn: «Steuerbetrug ist ein schweres Delikt.»
«Eine Mehrheithat eingesehen, dass eine stärkere und effizientere Kontrollenotwendig ist.»
Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) zeigte sich im Rat überzeugt, dass es aufgrund der internationalen Bestrebungen für Steuersünder immer schwieriger werde, unentdeckt zu bleiben. Simon verwies auf das Bankgeheimnis für Ausländer, das innert kürzester Zeit de facto abgeschafft worden sei. Einen solchen Informationsaustausch auch in der Schweiz zwischen Steuerämtern und Banken hält Simon für wesentlich effizienter als Steuerdetektive.
Viel Schwarzgeld im Umlauf
Tatsächlich kann sich die bernische Steuerverwaltung über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Der automatische Informationsaustausch (AIA) sorgt für einen wahren Datenberg. Bisher gab es mehr als 92000 Meldungen aus 34 Ländern. Bei mehr als drei Vierteln geht es jedoch um kleinere Vermögen bis zu 10000 Franken. Die Zahl der Vermögen mit mehr als einer halben Million Franken bewegt sich im Promillebereich.
Dass viel Schwarzgeld kursiert, belegt auch die Möglichkeit der straflosen Selbstanzeige. Seit 2012 haben sich 12000 Personen bei den bernischen Behörden gemeldet, um ihr nicht deklariertes Geld zu legalisieren. Gesamthaft ging es um unversteuerte Vermögen in der Höhe von 3 Milliarden Franken. Eingenommen haben Kanton und Gemeinden rund 140 Millionen verteilt auf die Jahre 2012 bis 2018.
Die Prognose linker Kreise, dass bei einer engmaschigeren Kontrolle der Kanton aller finanzieller Sorgen enthoben wäre und keine Sparpakete mehr geschnürt werden müssten, scheint deshalb gar optimistisch. Dass einiges zu holen ist, wird jedoch durch den Blick auf den Bund, der Steuerdetektive beschäftigt, unterstrichen. Dabei kann die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Zwangsmassnahmen wie eine Hausdurchsuchung oder die Beschlagnahme von Beweisen und Vermögenswerten anordnen.
Die ESTV fokussiert dabei auf die grossen Fische: Pro Jahr werden zwischen 10 und 20 neue Ermittlungsverfahren von der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen mit ihren gut 20 Mitarbeitenden neu eröffnet. An Bussen und Nachsteuern war letztes Jahr mit 270 Millionen Franken ein Rekordwert zu verzeichnen. Die Erträge schwanken allerdings stark. 2016 waren es demgegenüber «nur» 41 Millionen Franken.
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