USA frieren Guthaben ein
Washington belegt Venezuelas Ölindustrie mit Sanktionen. Das soll Präsident Maduro und das Militär entzweien.

Juan Guaidó (35) hat sich Briefpapier anfertigen lassen, auf dem er nicht nur als «Präsident der Nationalversammlung» zeichnet, sondern auch als «Interimspräsident der Bolivarischen Republik von Venezuela». In dieser Funktion, die er «kraft der Verfassung» ausübt, regiert er jetzt drauflos. Und zwar ungeachtet dessen, dass im Präsidentenpalast von Miraflores immer noch Nicolás Maduro sitzt und sich ebenfalls für den rechtmässigen Staatschef hält.
Wichtigste Devisenquelle
Guaidó teilte am Montag schwarz auf weissem Präsidentenpapier mit: «Ab diesem Moment übernehmen wir die Vermögenswerte unserer Republik im Ausland.» Zwei Absätze weiter unten kündigte er an, er werde ein «neues Management für PDVSA und Citgo» ernennen. PDVSA ist der staatliche Ölkonzern Venezuelas. Weil in dem Land seit Jahren ausser Erdöl praktisch nichts mehr produziert wird, ist der Staatsbetrieb im Grunde ein Synonym für die venezolanische Volkswirtschaft. Und Citgo, dessen Tochterunternehmen in den USA, ist die mit Abstand wichtigste Devisenquelle des Landes. Wer Citgo kontrolliert, kontrolliert Venezuela.
Zumindest das Geld, das Citgo besitzt, kontrolliert jetzt freilich erst einmal die US-Regierung. Washington hat Venezuelas Ölhandel ins Visier genommen, um den autokratischen Präsidenten Maduro zum Rücktritt zu zwingen. Wie das Weisse Haus mitteilte, werden die Vermögenswerte und Einnahmen von PDVSA respektive der texanischen Tochter Citgo in den USA eingefroren.
Künftig dürfen die meisten amerikanischen Firmen keine Geschäfte mehr mit PDVSA und Citgo machen. Bisher importierte Citgo Erdöl aus Venezuela, raffinierte es in Texas und verkaufte die Ölprodukte dann in den USA. Dazu betrieb das Unternehmen auch ein Tankstellennetz. Ab sofort ist es Citgo jedoch verboten, Geld aus den USA an das Mutterunternehmen in Venezuela zu transferieren.
Maduro soll sich an PDVSA bereichert haben
Für Maduro ist das im Machtkampf mit Guaidó ein harter Schlag, auch wenn er sich das öffentlich nicht anmerken lassen will. Citgo sei Eigentum des venezolanischen Staates, «wir werden deshalb weiterhin Öl in die USA verkaufen», teilte er mit. «Und falls sie es nicht kaufen wollen, werden wir es eben woanders verkaufen.»
Das klingt leichter, als es ist. Nicht nur, weil der grösste Teil des venezolanischen Öls in die USA geht. Sondern auch, weil die Kunden in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zu anderen Abnehmern bar bezahlen. Russland und China verrechnen die Ölimporte mit alten Schulden, die das Land bei ihnen hat.
Nach Angaben der US-Regierung sind von der Blockade derzeit sieben Milliarden Dollar an Vermögenswerten sowie elf Milliarden Dollar an erwarteten Einnahmen betroffen. Das Geld werde erst wieder freigegeben, wenn PDVSA sich unter der Kontrolle einer von Juan Guaidó geführten Regierung befinde, hiess es in Washington. Die USA haben Guaidó als rechtmässigen Übergangspräsidenten anerkannt. Sie werfen Maduro vor, sich und seine Günstlinge aus dem Vermögen von PDVSA zu bereichern und so ihre Macht zu sichern.
Guaidó immer noch frei
Die US-Regierung löste am Montag auch neue Spekulationen über eine mögliche Militärintervention in Venezuela aus. Sicherheitsberater John Bolton hielt bei einer Pressekonferenz einen Schreibblock unter dem Arm, auf dem der Satz «5000 Soldaten nach Kolumbien» gekritzelt stand. Kolumbien ist Venezuelas Nachbar und ein enger US-Verbündeter. Das Land wäre daher ein günstiger Standort, um von dort aus eine Militäraktion in Venezuela zu beginnen. Dem Pentagon zufolge gibt es derzeit keine Befehle, 5000 Soldaten dorthin zu verlegen.
Das Weisse Haus hat in der Vergangenheit allerdings mehrmals erklärt, dass im Umgang mit Maduro «alle Optionen auf dem Tisch» lägen, einschliesslich der militärischen. Washington hat Maduro zudem davor gewarnt, gewaltsam gegen amerikanische Diplomaten im Land, Parlamentarier der Opposition oder Guaidó selbst vorzugehen. Das hätte eine entschlosseneund harte Antwort zur Folge, so Washington.
Der venezolanische Geheimdienst Sebin nahm Guaidó am 13. Januar vorübergehend fest, liess ihn aber wenig später wieder frei. Seit dieser sich am 23. Januar selbst zum Übergangspräsidenten ernannte und umgehend von den USA und vielen lateinamerikanischen Staaten anerkannt wurde, kann sich Juan Guaidó in Caracas erstaunlich frei bewegen. Fast alle anderen politischen Herausforderer Maduros befinden sich entweder in Haft, im Hausarrest oder flüchteten aus Angst vor Verfolgung ins Exil.
Gibt es ohne Geld keinen Grund zur Treue mehr?
Die neuen Ölsanktionen aus Washington zielen eindeutig darauf, aus Guaidós erklärtem Machtwechsel einen realen Machtwechsel zu machen. Sowohl unter Barack Obama als auch unter Donald Trump hatte das Weisse Haus hochrangige Funktionäre aus Maduros Umfeld sanktioniert, aber den lukrativen Ölhandel trotz aller Warnungen bisher nicht angerührt.
Von diesem Geschäft profitierte in Venezuela vor allem die Militärspitze, die sich schamlos bereichern durfte und dafür im Gegenzug Loyalität zu Maduro schwor. Die mutmasslich zwischen Guaidó und Washington abgestimmte Strategie lautet nun offenbar: Wenn der grösste Geldfluss nach Caracas gestoppt wird, entfällt für die Generäle auch der wichtigste Grund, auf Maduros Seite zu stehen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch