Ursula Krechel gewinnt den Deutschen Buchpreis
Mit ihrem Buch zur Geschichte eines jüdischen Richters hat sie sich gegen fünf Männer durchgesetzt: Die 64-jährige Schriftstellerin Ursula Krechel erhält den mit 25'000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis 2012.

Die Schriftstellerin Ursula Krechel ist mit dem Deutschen Buchpreis 2012 geehrt worden. Krechel erhielt die Auszeichnung für den Roman «Landgericht», wie die Jury des Buchpreises am Montagabend in Frankfurt am Main am Vorabend der Buchmesse bekannt gab.
In einer Mischung aus Fakten und Fiktion erzählt die in Berlin lebende 64-jährige Autorin in ihrem Buch die Geschichte eines jüdischen Richters. Nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland kehrt er 1947 in seine Heimat zurück und stösst erneut auf Abwehr.
Im nüchternen Chronikstil beschreibt Krechel zugleich den schwierigen Neuanfang nach dem Krieg und die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit. Sie betrachte ihr Buch auch «als persönliche Wiedergutmachung an den Opfern», sagte Krechel bei der Preisverleihung.
«Ein politisch akuter Roman»
«Bald poetisch, bald lakonisch, zeichnet Krechel präzise ihr Bild der frühen Bundesrepublik – von der Architektur über die Lebensformen bis hinein in die Widersprüche der Familienpsychologie», heisst es in der Begründung der Jury. Das Buch sei ist ein «bewegender, politisch akuter, in seiner Anmutung bewundernswert kühler und moderner Roman».
Die sieben Jurymitglieder hatten in den zurückliegenden fünf Monaten 162 Romane gesichtet, die zwischen Oktober 2011 und Mitte September 2012 erschienen sind. Zunächst wählten sie eine 20 Titel umfassende Longlist und zuletzt eine Shortlist mit sechs Titeln aus.
Gegen fünf Männer durchgesetzt
Im Finale setzte sich Krechel gegen fünf weitere literarische Neuerscheinungen durch. Auf der Shortlist standen ausserdem noch Wolfgang Herrndorf mit seinem Wüstenroman «Sand», Ernst Augustin mit «Robinsons blaues Haus», Clemens J. Setz mit «Indigo», der Roman «Fliehkräfte» von Stephan Thome und Ulf Erdmann Zieglers Buch «Nichts Weisses».
Die Siegerin erhält mit der Auszeichnung 25'000 Euro Preisgeld, die fünf übrigen Finalisten jeweils 2500 Euro. Der Preis wird traditionell am Vorabend der Frankfurter Buchmesse vergeben, die morgen Dienstag offiziell eröffnet wird.
«Landgericht» sei ihr 23. Buch, sagte Ursula Krechel nach der Auszeichnung mit dem Buchpreis. Und jedes Buch habe seine ganz eigene Geschichte. Vor allem Gedichte hat die 64-Jährige bislang veröffentlicht, auch als Essayistin hat sie sich einen Namen gemacht. Lange Zeit war die gebürtige Triererin nur einem kleinerem Kreis bekannt, erst ihr 2009 erschienener Roman «Shanghai fern von wo» verschaffte ihr grössere literarische Anerkennung und brachte ihr zahlreiche Preise ein.
Dramaturgin und Journalistin
In dem jetzt ausgezeichneten Buch geht es um einen jüdischen Richter aus Berlin, der während des Nationalsozialismus zehn Jahre im Exil gelebt hat und 1947 nach Deutschland zurückkehrt. In der Enge Nachkriegsdeutschlands findet er keine Heimat mehr und stösst überall auf Ablehnung.
Sie habe die Nachkriegsjahre als überaus larmoyant erlebt, sagte Krechel, die am 4. Dezember 1947 als Tochter eines Psychologen in Trier zur Welt kam. Nach dem Abitur studierte sie in Köln Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte, parallel arbeitete sie als Journalistin beim Westdeutschen Rundfunk und dem «Kölner Stadt-Anzeiger».
Von 1969 bis 1972 war die promovierte Theaterwissenschaftlerin dann als Dramaturgin an den Städtischen Bühnen Dortmund beschäftigt. Anschliessend liess sie sich als freie Schriftstellerin nieder.
Schwer zugängliches Werk
Ihre erste literarische Arbeit war 1974 das Theaterstück «Erika», ein Buch, das damals auch in der Frauenbewegung Furore machte. Sachlich mit dem Feminismus auseinander setzte sie sich in dem Buch «Selbsterfahrung und Fremdbestimmung. Bericht aus der Neuen Frauenbewegung» (1975).
Krechels erstes Prosawerk «Zweite Natur. Szenen eines Romans» erschien 1981. In den folgenden Jahren veröffentlichte sie Gedichte, Hörspiele, Dramen und Prosawerke, ausserdem arbeitete sie als Dozentin an zahlreichen Universitäten im In- und Ausland. Ihr Werk gilt vielen als schwer zugänglich.
Die in Berlin lebende Schriftstellerin ist mehrfach ausgezeichnet worden, erhielt unter anderem den Elisabeth-Langgässer-Preis (1997), das Hermann-Hesse-Stipendium der Stadt Calw (2006) und den Joseph-Breitbach-Preis (2009) der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur.
dapd/sda/fko
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