Rätselhafte SpracheUr-Baskische Wörter auf Bronzeblech entdeckt
Der sensationelle Fund einer 2100 Jahre alten Metallhand verändert den Blick auf die wohl rätselhafteste Sprache Europas fundamental.

Im Juni 2021 gruben Archäologen ein feines, hauchdünnes Blech aus Bronze aus, in Form einer menschlichen Hand, rund 14 Zentimeter hoch und 13 Zentimeter breit. Sie stammt aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Wie sie früher wahrscheinlich ein Haus geschmückt hatte, wird sie heute ein Museum bereichern, als Ausdruck eisenzeitlicher Kunst des Stammes der Vaskonen.
Doch als das Forschungsteam das bronzene Artefakt vom Schmutz der Jahrtausende befreit hatte, war klar: Das ist nicht einfach nur Kunst – das ist eine Sensation: Auf der Hand waren auf vier Zeilen verteilt fünf Wörter eingekratzt worden. Die Schrift gehörte zum iberischen System, nur welche Sprache das ist, war zunächst ein Rätsel. Jetzt sind sich die Fachleute einig: Auf diesem bronzenen Blech befindet sich der erste schriftliche Beleg der protobaskischen Sprache.
«Dieses Stück stellt unsere bisherige Vorstellung über die Vaskonen und ihrer Schrift auf den Kopf», sagt Joaquín Gorrochategui, Professor für indoeuropäische Linguistik an der Universität des Baskenlandes. «Wir waren fast schon überzeugt davon, dass sie analphabetisch waren und Schriftzeichen nur bei der Münzprägung benutzten.»
Ein Glücksbringer aus der Eisenzeit
Die Vaskonen gelten als Vorfahren der heutigen Basken, ihr Siedlungsgebiet stimmte wahrscheinlich räumlich mit der heutigen Provinz Navarra in Spanien überein. Die Sprache der Basken gilt als älteste isolierte, also nicht mit anderen Sprachen verwandte Sprache des Kontinents. Das Territorium der Vaskonen wurde im Laufe des ersten Jahrhunderts vor Christus in das römische Imperium einverleibt. Die Romanisierung hielt sich aber wohl in Grenzen, wie man an der noch heute vorherrschenden baskischen Kultur und Sprache erkennen kann. Über die Vaskonen gibt es kaum literarische Quellen, auch deshalb ging man davon aus, dass sie für ihre Sprache keine schriftliche Ausdrucksform besassen.
Die Ausgrabungen, die seit 2017 von der Aranzadi Science Society auf dem Gipfel des Bergs Irulegi durchgeführt werden, haben nun das Gegenteil bewiesen. Hier, in der Nähe der navarresischen Hauptstadt Pamplona, hatte es mindestens seit dem 11. Jahrhundert vor Christus eine vaskonische Siedlung gegeben, ehe sie während des Sertorianischen Kriegs (83 bis 73 vor Christus) in der Zeit der römischen Bürgerkriege niedergebrannt wurde. Die Häuser stürzten ein und begruben dabei die Alltagsgegenstände der Vaskonen – heute ist die Siedlung eine Schatzkammer für Archäologinnen und Archäologen.
Die Entzifferung des Wortes «sorioneku» ist der Beweis dafür, dass die Vaskonen die Schrift nutzten.
Das nun als «Hand von Irulegi» bekannte Bronzeartefakt ist der mit Abstand bedeutendste Fund. Die Entzifferung des ersten Wortes «sorioneku» ist der Beweis dafür, dass die Vaskonen die Schrift nutzten. Für Linguisten, die sich mit den Ursprüngen der baskischen Sprache beschäftigen, hat die Hand daher einen unschätzbaren Wert. «Diese Inschrift ist unwiderlegbar», sagt Javier Velaza von der Universität Barcelona, der an der Entzifferung beteiligt war. Das Wort «sorioneku» sei ein Vorläufer des modernen baskischen Wortes «zorioneko», das «viel Glück» bedeutet.
Vermutlich war die Bronzehand als Glücksbringer über einem Hauseingang angebracht. Zumindest den Forschenden hat sie Glück gebracht – mehr als zwei Jahrtausende später.
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