Unfrieden am Egelsee
Weil Gastronomen aus der Länggasse am Egelsee der Stadt Bern ein Café eröffnen möchten, sehen die Angler und Fischer ihr Idyll im Schosshaldequartier bedroht. Immerhin seien sie schon seit 1942 dort.
Wer in der Stadt Bern seine Ruhe will, sucht diese womöglich im Botanischen Garten oder setzt sich vielleicht an ein lauschiges Plätzchen an der Aare. Andere nehmen den Weg ins Egelmösli auf sich, um am Seeufer des Egelsees die Seele baumeln zu lassen. Einer von ihnen ist Beat Spicher, Fischer des Anglerfischer-Vereins (AFV) Bern. Mit Schwung wirft er seine Angel aus. Die Sonne steht schon ziemlich hoch am Himmel, die ersten Passanten sind auf dem Uferweg unterwegs, auch wenn es erst halb neun morgens ist. Geht man nicht eher am frühen Morgen zum Fischen? Spicher verneint: «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich auch noch am späteren Vormittag Fische gefangen habe.»
Langsam holt er den Köder wieder ein. Noch hat kein Fisch angebissen. Das kümmert ihn aber nicht. «Ich gehe nicht zum ‹Fleischfischen›, sondern um Musse zu finden.» Die Vorzüge des grünen Plätzchens in der Stadt Bern haben auch die Betreiber des Café Sattler aus der Länggasse erkannt: Sie wollten an die attraktive Lage expandieren. «Wir hofften, am Egelsee einen Begegnungsort für ‹Jung und Alt› schaffen zu können», sagt Silvia Peter, Co-Geschäftsführerin des Sattler. Nun haben die Sattlerbetreiber das Baugesuch wegen diverser Einsprachen zurückgezogen. Ob der Egelsee, ein grüner Fleck der Stadt Bern, als Ruheoase oder als belebter Begegnungsort dienen soll, darin gehen die Meinungen auseinander.
Kritik an Lärm und Abfall
Die Kritik des Fischervereins am Sattler richtet sich gegen den Lärm eines Gastrobetriebs, der sieben Tage die Woche und bis spät am Abend geöffnet hätte. Yvonne Prieur, Vorstandsmitglied des AFV, sagt, der Lärm durch mehr Publikumsaufkommen würde nicht nur auf Fische und Pflanzen des Egelsees negativen Einfluss haben, sondern auch auf Vögel, Fledermäuse und andere Säugetiere. Spicher sieht das Problem nicht nur in der gestörten Ruhe. «Seit neuestem dürfen wir uns an den Graffitis hier erfreuen», sagt er und zeigt auf das Vereinshaus des Schosshalde-Ostring-Murifeld-Leist hinter seinem Rücken. Neben dem Chalet wächst ein Grasstreifen, der mit Müll bedeckt ist. Für ihn ist der Vandalismus und der herumliegende Abfall einer der störenden Faktoren: «Das wird bestimmt nicht besser, wenn hier noch ein Gastrobetrieb hinkommt», sagt er.
Auch im Quartier und ausserhalb wird die Diskussion um den Egelsee geführt. Eine 81-jährige Rentnerin aus der Elfenau hätte nichts gegen ein Café am See. Auch eine junge Mutter vom Obstberg, die mit ihren Kindern oft den Spielplatz am See nutzt, würde gern in ein Café wie das Sattler einkehren können. Sie versteht die Einsprachen gegen das Sattler nicht: «Ein neues Café würde das Quartier bestimmt beleben.» Ein Café gibt es allerdings am Egelsee schon. Es gehört dem Leist, der es aber nur samstags und nur für die Mitglieder des Vereins betreibt. Leist-Präsident Patrick Sutter ist der Ansicht, alle hätten Anspruch auf den See. «Unser Verein findet den Erhalt und den Schutz des Egelsees aber wertvoller als die Belebung», sagt er.
Prieur vom AFV verweist jedoch auf den nicht direkt am See gelegenen Familientreff mit Mittagstisch. «Dort können alle einen Kaffee trinken, die das möchten», sagt sie. Ob der Lärmpegel des Lokals Sattler einen Einfluss auf die Fische haben könnte, darüber gibt es gemäss Experten keine wissenschaftlichen Datengrundlagen. Denn die Studien beruhen nur auf dem Fall, dass die Geräusche direkt ins Gewässer gelangen, wie bei Motorbooten. «Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass Fische durch Lärm ausserhalb des Gewässers beeinträchtigt werden», sagt Helmut Segner, Leiter des Zentrums für Fisch- und Wildtiermedizin der Uni Bern. Wenn zudem Müll und Essensreste das Gewässer verschmutzen, könnten sich die Fische überfressen. Ein Bub am Ufer hat plötzlich Mühe, seine Angel zu halten: Ein Fisch ist am Haken. Spicher eilt zu Hilfe. Der Junge freut sich, eine Schleie gefangen zu haben, aber Spicher korrigiert ihn: «Schau nochmals richtig hin, junger Mann, das ist ein Karpfen.»
Stadt will Zwischennutzung
Am Egelsee darf nur fischen, wer ein Egelseepatent hat und Mitglied des Berner AFV ist. Von den 168 Mitgliedern des Vereins haben 45 Personen das Egelseepatent. Der Verein hat den Egelsee von der Stadt seit 1942 gepachtet. «Wenn wir schon zum See schauen, dann wollen wir ihn auch nutzen», sagt Spicher. Weil der Grund des Sees eine Müllhalde sei, führt der Fischerverein jedes Jahr eine Putzaktion durch, wobei sogar Velos und Sofas herausgefischt werden. Die Stadt will das Areal des ehemaligen Entsorgungshofs am Egelsee für Zwischennutzungen vermieten. Das Sattler plante deshalb ein Gastrobetrieb in Containern auf dem Vorplatz. Das erste Baugesuch vom Sattler befand sich aber in der Gewässerschutzzone. Ob das Sattler ein neues Baugesuch stellt und die Innenräume des Entsorgungshofs beziehen möchte, ist laut Sattler Co-Geschäftsführerin Peter noch unklar.
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