YBs spektakuläres 0:0 in BaselUnd dann zieht Alex Frei die rot-blaue Brille an
Ein annulliertes YB-Tor, zwei Lattentreffer und Chancen hüben wie drüben. Nach dem 0:0 dürfen die Young Boys zufrieden sein.

Und plötzlich weiss man nicht mehr, wohin man blicken soll. Nach links, wo die Young Boys einen Spielzug über fünf Stationen vollziehen, an dessen Ende Meschack Elias Schuss von Marwin Hitz an die Latte gelenkt wird. Oder nach rechts, wo Liam Millar Cheikh Niasse im Strafraum düpiert und den Ball an die Latte donnert.
Zwei Lattenschüsse innert zwei Minuten, die Partie hat nach einer Stunde so richtig Fahrt aufgenommen. Sie ist intensiv und hitzig, sogar Raphael Wicky wird vom Schiedsrichter verwarnt, der schon immer böse Raphi, wie sein Konterpart Alex Frei nach der Partie mit einem Augenzwinkern bemerken wird. Auch Frei erhält noch die Gelbe Karte, weil er einen Pfiff des Schiedsrichters mit einem Abwinken quittiert.
Der Match wirkt jetzt vor 26’547 Zuschauer, die für eine prächtige Stimmung sorgen, wie ein Gegenprodukt zu manchen Spielen in der Super League, die umgeben von Tartanbahnen und vor halb leeren Tribünen stattfinden. Wicky spricht von einer packenden Partie. «Es ging hin und her, beide Teams agierten offensiv und suchten Tore.» Und Frei bemerkt, dass das Spiel auf beide Seite hätten kippen können. Um anzufügen: «Wenn ich die rot-blaue Brille anziehe, dann eher auf unsere Seite.» Aber dazu gleich später.
Basels Schreckensbilanz gegen YB
Die Vorfreude auf die Affiche ist schon neunzig Minuten vor Anpfiff spürbar. Die Wege zum Stadion sind von Menschen verstopft, der Busfahrer wünscht den Gästen ein schönes Spiel – und hoffentlich drei Punkte für den FCB. Es ist nicht überliefert, ob die Worte ein Ritual des Chauffeurs sind, klar ist hingegen, dass sich die Basler Hoffnungen gegen YB immer wieder zerschlugen. Seit dem 7:1-Heimsieg der Berner im September 2018, diesem Resultat, das den Machtwechsel im Schweizer Fussball zementierte, haben die Young Boys nur in zwei von siebzehn Vergleichen verloren.
Das letzte Mal vor über zwei Jahren, im Liga-Schlussspurt nach der langen Corona-Unterbrechung. Nur drei Basler Spieler von damals stehen immer noch im FCB-Kader, bei YB sind es neun. Das ist Beleg für die Unruhe und Umstürze, die Rot-Blau immer wieder ergriffen haben. «Wir dürfen nicht vergessen», sagt Frei, «dass YB in den letzten fünf Jahren viermal Meister wurde. Und dass wir sechs Neuzugänge in der Startelf hatten, YB nur einen.»
Frei ist ja selbst erst im Sommer nach Basel zurückgekehrt, er lässt nach dem Motto agieren: Jugend forscht. Kasim Nuhu, bis 2018 bei YB und erst seit gut zwei Wochen beim FCB, ist der erfahrenste Feldspieler in der Startaufstellung. Als Captain fungiert der 21-jährige Holländer Wouter Burger.
Wicky kann derweil auf Niasse zurückgreifen, die schon wieder lange Berner Verletztenliste ist um einen Namen kürzer. Aber nicht für lange: Nach einer halben Stunde muss sich Linksverteidiger Loris Benito nach einem Tritt auf die Ferse auswechseln lassen, für ihn kommt Jordan Lefort. Der Franzose war zu Beginn der Vorbereitung verletzt und schien unter Wicky aussen vor, Benito und der ebenfalls verletzte Ulisses Garcia standen in der Gunst des Trainers weit vor ihm. Plötzlich wird Lefort gebraucht und erhält nach seiner Darbietung mit etlichen gelungenen Vorstössen Lob des Trainers.
Das vermeintliche Führungstor Rieders
Es ist bis dahin eine ausgeglichene Partie, Chancen sind Mangelware, die Abschlüsse auf beiden Seiten unpräzise. Gerade zu Beginn tun sich die Gäste mit dem Basler Pressing schwer. Christian Fassnacht, der einen Monat ausfällt, hätte ihrem Spiel ebenso guttun können wie Filip Ugrinic, der nach Knieverletzung diese Woche wieder eingreifen dürfte. Es läuft aber schon die Nachspielzeit der ersten Halbzeit, als YB-Goalie David von Ballmoos erstmals wirklich gefordert wird. Er muss gegen Burger und Andi Zeqiri parieren. Im Gegenzug zwingt Elia Basels Goalie Marwin Hitz zu einer Glanzparade. Die Extraminuten entschädigen für eine eher maue erste Hälfte.
Die Teams haben Anlauf genommen, jetzt setzen die zum Steigerungslauf an, die Partie bietet keine Verschnaufpausen mehr. Die Young Boys kommen mit Vehemenz aus der Pause, Rieder hat gleich zwei Chancen, Hitz kann zudem gegen Elia mit der Brust abwehren. Bald schon folgen die eingangs beschriebenen Lattentreffer sowie der vermeintliche Führungstreffer der Gäste.

Der aktive Rieder erzielt ihn mit einem Wuchtschuss, die Young Boys jubeln losgelöst vor ihren Fans. Doch der Dämpfer kommt schnell: Schiedsrichter Lukas Fähndrich läuft zur Seitenlinie, nach Überprüfung der Videobilder annulliert er den Treffer wegen Foulspiels des eingewechselten Cedric Itten. Das Tor hätte den Baslern besonders wehgetan: Itten stammt aus dem eigenen Nachwuchs, Rieder trainierte jahrelang beim FCB mit.
Die Basler bereiten eine Antwort vor, von Ballmoos ist gegen Dan Ndoye und Andy Diouf gefordert, beim Abschluss des französischen Juniorennationalspielers hat der YB-Goalie Glück, er wehrt ihn mit dem Kopf ab. Nach Pflege kann von Ballmoos weiterspielen. Der Berner Torhüter bestätigt den starken Eindruck der ersten Saisonwochen, er rettet einmal auch hervorragend gegen Burger.
Wicky blickt ungläubig zum Himmel
So geht es in die Schlussphase. Itten bieten sich innert Sekunden zwei Chancen, erst pariert der ebenfalls starke Hitz, dann klärt Sergio Lopez seinen Fallrückzieher auf der Linie. Die Szene ist spektakulär, wie auch der Seitfallzieher von Nicolas Ngamleu kurz darauf. Draussen schlägt Wicky beide Hände hinter den Kopf und blickt ungläubig zum Himmel. Ein «Topspiel» sei es gewesen, sagt er. Basels Stadionspeaker spricht gar von einem der besten 0:0, die sich im St.-Jakob-Park je zugetragen haben.
18:12 lautet das Schussverhältnis für die Berner, sie haben auch leicht mehr Ballbesitz. Die letzte Chance aber haben die Basler, der eingewechselte Sayfallah Ltaief wird im Strafraum angespielt, sein Schlenzer aus kurzer Distanz gerät zu zentral, von Ballmoos ist zur Stelle. Basels Jugend forscht, findet aber keine Tore. Auf die Bemerkung, er hätte diese Chance neun- von zehnmal verwertet, antwortet Frei, dass zehn- von zehnmal fast treffender gewesen wäre. Es ist diese Szene, die ihn zur Aussage verleitet, dass die Partie zugunsten des FCB hätte kippen können.
Frei und Wicky, jahrelang im Nationalteam Seite an Seite, können mit dem Unentschieden leben. Zufriedener dürfen aber die Young Boys sein. Sie bleiben ohne Niederlage und halten den FCB, der in der Liga weiter sieglos ist, auf Distanz. Wieder einmal hat sich der Wunsch des Busfahrers nicht erfüllt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.