Eine Million Franken in der KriseUmstrittener Corona-Kredit für Bern Welcome kommt ins Parlament
Per Notrecht rettete die Stadtregierung Bern Welcome im Sommer 2021 mit einem Kredit vor dem Konkurs. Nun sind neue Details öffentlich.

Corona ist derzeit kaum mehr ein Thema. Doch die Nachwirkungen dürften die Stadt noch lange beschäftigen. So kommt bald der Corona-Kredit an die Berner Tourismusorganisation Bern Welcome vors Berner Parlament. Das Darlehen über eine Million Franken hatte der Gemeinderat in einer Haurückübung per Notrecht durchgesetzt, um die Organisation zu retten.
Ob der Kredit im Stadtrat durchkommt, ist noch unklar. Allerdings signalisieren mehrere Parteien eher Zustimmung.
Doch selbst wenn das Parlament den Antrag versenkt, ist es unwahrscheinlich, dass dies etwas am Kredit ändert: Die Stadt Bern hat längst einen Darlehensvertrag unterzeichnet und das Geld überwiesen. Der Stadtrat könne mit einem ablehnenden Entscheid lediglich zum Ausdruck bringen, dass er mit dem Vorgehen des Gemeinderats «nicht einverstanden» sei, so Stadtschreiberin Claudia Mannhart.
So begründet die Stadt den Notkredit
Aus Sicht des Gemeinderats war der Kredit gerechtfertigt. Andernfalls wäre der Weiterbestand von Bern Welcome «akut gefährdet» gewesen, schreibt der Gemeinderat in einem Vortrag an den Stadtrat. Der Gemeinderat beruft sich dabei auf den Notrechtsartikel 98 Absatz 2 der Gemeindeordnung. Im Wortlaut steht dort: «Ist Gefahr im Verzug, so kann der Gemeinderat ohne gesetzliche Grundlage auch im Zuständigkeitsbereich des Stadtrats Massnahmen ergreifen.»
Handelte es sich bei einem Kredit an eine kriselnde Tourismusorganisation tatsächlich um solch einen Notfall? Ja, findet der Gemeinderat. Denn der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei nicht scharf definiert, sagt Stadtschreiberin Mannhart. Er lasse vielmehr «einen gewissen Spielraum für Interpretation offen» und habe sich im Laufe der Zeit «weiterentwickelt». So habe etwa auch das Bundesgericht in einem Urteil im Jahr 2011 bereits festgehalten, dass auch die ökonomische Stabilität der Volkswirtschaft sicherheitsrelevant sein könne.
Weiterhin überrascht über das Ausmass des Kredits zeigt sich Lea Bill, Stadträtin und Co-Fraktionschefin von GB/JA!. «Wir hätten hier sicher andere Prioritäten gesetzt», sagt sie. Beispielsweise bessere Unterstützung für Kitas und andere Betreuungsangebote in der Krise.
Wenig umstritten ist das Geschäft bei der Fraktionschefin der grössten Stadtberner Partei, der SP. «Das Darlehen war nötig, weil Bern Welcome keinen Anspruch auf Härtefallgelder hatte», sagt Katharina Altas. Ein Fraktionsentscheid steht aber noch aus.
GLP war skeptisch
Der Stadtrat scheint sich mit der Begründung des Gemeinderats mehrheitlich zufriedenzugeben. Lediglich die GLP zeigte sich vor allem vom Prozess zunächst irritiert und reichte deshalb auch eine kleine Anfrage ein. Darin stellte die Partei die Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Gemeinderat «im Alleingang» eine Ausgabe von einer Million Franken beschliessen könne.
Nun sagt Co-Fraktionschef Maurice Lindgren: «Die GLP wird dem Antrag zustimmen.» Lediglich das unübliche Vorgehen habe zuerst einige Fragen aufgeworfen, diese seien nun ausgeräumt.
Zweites Hilfspaket war nötig
Im Pandemie-Jahr 2020 schrumpfte der Ertrag von Bern Welcome um rund die Hälfte auf 4,8 Millionen Franken, schreibt der Gemeinderat.
Das Ausmass der daraus folgenden Geldnot ist nun im Vortrag des Gemeinderats zuhanden des Stadtrats einsehbar.
Vom gewährten Darlehen der Stadt soll die Organisation in den nächsten Jahren 700’000 Franken zurückzahlen, der Rest wird in Aktienkapital – also als Beteiligung an Bern Welcome – umgewandelt.
Weiteres Fremdkapital hat die Unternehmung als Covid-Kredit (895’000 Franken) aufgenommen.
Um die Überschuldung zu verhindern, erhielt die Organisation in einem zweiten Paket auch von den Miteignern Bernexpo AG, vom Verein Berncity und Kongresse und Kursaal Bern AG Hilfsgelder im Umfang von 700’000 Franken. Zusätzliche Unterstützung bekam Bern Welcome vom Kanton Bern mit einem À-fonds-perdu-Betrag von 500’000 Franken.
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