Tote Palästinenser – tote Israelis
Krieg geht stets mit Gräueln, mit Leiden, mit Tod und Verwüstung einher. Leitartikler und Kommentatoren rufen dann reflexartig zu «Verhandlungen statt Waffen» auf. Wenn es sich zudem um einen Krieg Israels handelt, folgt meist die obligate Kritik wegen «Unverhältnismässigkeit der Mittel» und oft die implizite oder explizite Aussage, Israel schlage ohne Rücksicht auf zivile Verluste zu.Doch «Verhandlungen statt Waffen» bringen offensichtlich keine dauerhafte Lösung, denn der gegenwärtige Krieg ist mindestens der achte zwischen den Israelis und den Arabern, was auf ein grundlegendes, strukturelles Konfliktpotenzial hindeutet. Ausgangsposition, noch anhaltend, ist der Anspruch zweier Völker, eines arabischen, mehrheitlich muslimischen, und des jüdischen, auf dasselbe Territorium. Zwar gäbe es Uno-Resolutionen, welche ziemlich genau definieren, entlang welcher Grenzen die Konfliktparteien das Land untereinander aufteilen müssten. Doch keine hat sich je an diese Resolutionen gehalten.Israel hat das Westjordanland, das ihm gemäss internationalem Recht nicht zusteht, seit 1967 systematisch kolonisiert. Sogar in den hoffnungsvollen 1990er-Jahren, als Premier Yitzhak Rabin mit PLO-Chef Yassir Arafat verhandelte, wucherten die israelischen Kolonien, in den letzten Jahren unter Ariel Sharon und Ehud Olmert ohnehin. An Verträge und Resolutionen, welche den Bau von Siedlungen verbieten, hat sich Israel nie gehalten. Aus dem Gazastreifen hat sich Israel zwar zurückgezogen und dort, was im Westjordanland bisher undenkbar war, sogar die Siedlungen geräumt. Doch danach hat Israel den 365 km2 grossen Streifen – doppelt so gross wie Appenzell-Innerrhoden und mit 1,5 Millionen Einwohnern total übervölkert – hermetisch abgeriegelt, die Wirtschaft ruiniert, die Bevölkerung in die Verzweiflung getrieben. Folglich ist Israel an der Eskalation schuld.Halt! Arafat und seine Palästinenserbehörde hätten ab 1994, mit unendlichem internationalem Goodwill und mit Geldmitteln vor allem aus der EU ausgestattet, die Chance gehabt, aus dem Westjordanland und Gaza ein funktionierendes Gemeinwesen zu zimmern, international legitimiert, sodass ihm Israel nicht mehr hätte den Garaus machen können.Arafat zog es vor, einen grotesken Polizei- und Unterdrückungsapparat aufzuziehen. Bald bekriegten sich ein gutes halbes Dutzend Geheim- und Sicherheitsdienste; die aufgeblähte Administration produzierte nicht viel mehr als Leerlauf; Hunderte von Millionen Euro verschwanden auf Konten Arafats und seiner Entourage, während normale Palästinenser nichts von der «Friedensdividende» spürten. Und zudem liebäugelte Arafat insgeheim weiter mit der Vernichtung Israels, das er offiziell anerkannt hatte. Schliesslich hatten die Palästinenser von Arafats Erbe genug und wählten am 26. Januar 2006 die einzige Alternative, nämlich die Hamas. Nun ist die Hamas, wie die Hisbollah in Libanon, die Speerspitze des politischen Islam, eine von radikalen islamischen Staaten unterstützte, formidable politische und terroristische Maschinerie; ihr Ziel ist nicht die Schaffung eines Palästinenserstaates in international anerkannten Grenzen (also Gaza und Westjordanland), sondern die Aneignung des gesamten einstigen Palästinas inklusive Israel. Die Juden, die dort leben, sollen vernichtet werden; der Heilige Krieg gegen sie wird zum höchsten aller Ziele erhoben.Dazu sind der Hamas alle Mittel recht: Die Beschiessung israelischer Wohngebiete mit Raketen gehört sowieso dazu. Die Hamas opfert aber auch die eigene Zivilbevölkerung gezielt, indem sie etwa Waffenlager und Einrichtungen zum Bau und zum Abschuss von Raketen in Wohnquartieren platziert. Will die israelische Armee diese eliminieren – und wer würde ihr das Recht dazu absprechen? –, ist das unweigerlich mit Massakern an Zivilisten verbunden, welche die Hamas danach propagandistisch ausschlachtet. Tote Juden sind gute Juden, aber auch tote Palästinenser sind sehr nützlich – so könnte ihr zynischer Leitspruch lauten.Verständlich, dass Israelis es als naiv oder böswillig empfinden, wenn man ihre Regierung dazu drängt, mit der Hamas zu verhandeln: Die demokratisch gewählte Exekutive eines international anerkannten Staates auf Augenhöhe mit einer terroristischen Organisation, die dem Staat, der mit ihr verhandelt, zudem die Existenzberechtigung abspricht? Irgendwo werden solche Forderungen absurd.Ein Ausweg aus dem strukturellen Konflikt ist nicht in Sicht: Die Hamas, die Hisbollah und andere werden stärker und stärker. Eines Tages könnte Jordanien in die Hände der Islamisten fallen, danach Ägypten. Israel wird sich umzingelt fühlen, wird wieder und wieder zuschlagen. Die Bilder werden sich gleichen: Leiden, Tod, Verwüstung. Äussern Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel im Internet:bundblog.derbund.ch>
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