
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Hakan Fidan einmal «sir küpüm», seinen «Tonkrug für Geheimnisse» genannt. Das ist eine hübsch altmodische Umschreibung für einen Geheimnishüter. Es klang so, als könne man Fidan sein Innerstes anvertrauen. Er leitet den türkischen Geheimdienst MIT. Die Behörde soll 8000 Mitarbeiter beschäftigen. Seit einigen Tagen hat man auch ausserhalb der Türkei einen Eindruck von den Tätigkeiten des MIT bekommen. Gerade wurde bekannt, dass Fidan den deutschen Sicherheitsbehörden Listen mit echten und vermeintlichen Gülen-Anhängern in Deutschland überreicht hat. Die Namen von mehr als 300 Leuten, darunter auch deutsche Politikerinnen.
Ankara macht die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich. Fidan erwartete nun von Deutschland Amtshilfe bei der Verfolgung mutmasslicher «Gülenisten». Doch statt Kooperation gibt es Ärger und die Erkenntnis, wie sehr der MIT offenbar auch in Deutschland türkische Landsleute ausspioniert.
Fidan, 48 Jahre alt und seit 2010 auf diesem Posten, müsste eigentlich die deutschen Befindlichkeiten kennen. Als Nato-Verbindungsoffizier war er drei Jahre in Deutschland stationiert. Aber wenn es um die Gülen-Bewegung geht, sind der Regierung in Ankara mittlerweile offenbar alle Mittel recht. Für sie sind deren Anhänger nur noch «Terroristen». Dabei hatte Erdogan seinen Aufstieg Gülens Netzwerk zu verdanken. Sie waren einmal Partner.
Zum Konflikt kam es 2012, und Fidan spielte eine zentrale Rolle. Erdogan hatte seinen MIT-Chef beauftragt, Geheimverhandlungen mit der terroristischen PKK aufzunehmen. Er wollte den Kurdenkonflikt beilegen. Damals soll Gülen zum ersten Mal die Machtprobe gesucht haben. Ein der Bewegung nahestehender Staatsanwalt wollte Fidan wegen Kontakten zu einer Terrororganisation (also der PKK) verhaften. Erdogan schützte seinen Mann. Dieses Erlebnis dürfte auch Fidans persönlichen Eifer heute erklären.
Er und Erdogan sind, wie es so schön heisst, durch gute und schlechte Zeiten gegangen. Unter Regie des MIT sollen Waffen an syrische Extremisten geliefert worden sein. Details darüber sind im «Tonkrug der Geheimnisse» abgelegt. Wer sich, wie Journalisten der Zeitung «Cumhuriyet», daranmacht, ihn zu öffnen, muss mit Gefängnisstrafen rechnen. Zur Belastung für das enge Verhältnis zwischen Fidan und Erdogan wurde das Versagen des MIT beim Putschversuch. Obwohl Fidans Behörde etwa sechs Stunden vor Beginn des Aufstands Erkenntnisse über sonderbare Aktivitäten im Militär hatte, versäumte er es, Erdogan und den Premier persönlich zu informieren. Die Putschnacht hat Erdogans Vertrauen in den Dienst erschüttert. Er will ihn grundlegend umbauen. Womöglich ist Fidan nur noch der Mann für den Übergang.
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«Tonkrug der Geheimnisse»
Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan spioniert für Erdogan.