Krieg in der Ukraine im News-Ticker: Explosionen erschüttern Kiew | G-7 geschlossen gegen Putin | Verbot für Gold-Import aus Russland
Krieg in der Ukraine im News-Ticker – Explosionen erschüttern Kiew | G-7 geschlossen gegen Putin | Verbot für Gold-Import aus Russland
Russland führt Krieg gegen die Ukraine. Wir berichten laufend.
Das Wichtigste in Kürze:
Die G-7-Staaten beschwören beim Gipfel in Elmau den Zusammenhalt und wollen ein milliardenschweres Importverbot für russisches Gold beschliessen.
Laut einem Berater des ukrainischen Innenministers berichten Augenzeugen in Kiew von Raketeneinschlägen.
Moskau will Weissrussland innerhalb von ein paar Monaten das atomwaffenfähige Raketensystem Iskander-M zur Verfügung stellen.
Die ukrainische Stadt Charkiw ist wieder unter Beschuss - auch Gebäude der Nuklearforschungsanlage sollen getroffen worden sein.
Sjewjerodonezk ist vollständig von russischen Truppen besetzt worden.
Visuelle Übersicht – Der Ukraine-Krieg in Grafiken und Karten
In der von Russland angegriffenen Ukraine ist in der Nacht zum Samstag landesweit Luftalarm ausgelöst worden. Das ging aus einer entsprechenden Übersicht zur Lage in dem Land hervor. Wie die ukrainische Nachrichtenseite 24tv berichtete, gab es Berichte über Explosionen aus der Stadt Saporischschja im Südosten des Landes – ebenso wie aus der zentralukrainischen Stadt Dnipro. Die genauen Hintergründe waren zunächst unklar.
Das russische Aussenministerium sieht in der Entscheidung für einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine und der Republik Moldau eine gegen Moskau gerichtete Politik. Die Europäische Union setze damit ihre Linie fort, in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zum Zweck der Eindämmung Russlands weiter vorzudringen, teilte Sprecherin Maria Sacharowa am Freitagabend in Moskau mit.
«Dabei werden alle Mittel eingesetzt, vom finanziellen und wirtschaftlichen Druckmittel bis zur militärischen Unterstützung.» Sacharowa erklärte, die EU habe zudem die sonst strengen Kriterien für einen Beitritt wie Korruptionsbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz beiseitegeschoben.

Die deutsche Regierung will der Ukraine weitere Panzerhaubitzen zur Abwehr des russischen Angriffs überlassen. Dazu laufen Gespräche mit den Niederlanden sowie einem weiteren europäischen Partner, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in Berlin erfuhr.
Die Ukraine hat bisher sieben Stück der Panzerhaubitze 2000 aus Deutschland erhalten sowie fünf dieser Waffensysteme aus den Niederlanden. Aus Kiew war erklärt worden, dass man mit insgesamt 18 Haubitzen – also sechs weiteren Modellen – ein komplettes ukrainisches Artilleriebataillon ausrüsten könne.
In Berlin gebe es den festen Willen, die Bitte zu erfüllen, wenn auch Partner lieferten, so dass Deutschland drei oder nur zwei weitere Waffensysteme liefern würde, wurde der dpa erklärt.

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Der russische Aussenminister Sergei Lawrow hat der Europäischen Union und der Nato vorgeworfen, Kräfte zu einem Krieg gegen Russland zu bündeln.
«Wir machen uns wenig Illusionen darüber, dass sich die derzeitige russenfeindliche Aufgeladenheit der EU auf absehbare Zeit und – um ehrlich zu sein – auch langfristig irgendwie auflösen oder ändern wird», sagte Lawrow am Freitag bei einem Besuch in der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan.

Zudem verwies er nach einem Bericht der Agentur Ria Nowosti darauf, dass Nazi-Deutschland unter Adolf Hitler zu Beginn des Zweiten Weltkriegs andere europäische Länder zum Angriff auf die Sowjetunion um sich versammelt habe. Lawrow fügte hinzu: «Jetzt stellt auch die EU zusammen mit der Nato eine solche moderne Koalition zusammen für einen Kampf und letztendlich für einen Krieg gegen die Russische Föderation. Wir werden das alles sehr aufmerksam beobachten.»
Zum Beschluss des EU-Gipfels, der Ukraine den Status eines EU-Kandidaten zu geben, sagte Lawrow, dies bedeute für Russland keine Bedrohung. Die EU sei im Unterschied zur Nato kein militärisches Bündnis. Russland führt seit Ende Februar Krieg gegen das Nachbarland Ukraine.
Im ostukrainischen Gebiet Luhansk haben russische und prorussische Kämpfer eigenen Angaben zufolge die Siedlungen Hirske und Solote erobert. Eine Bestätigung der ukrainischen Seite gab es zunächst nicht.
Die Luhansker Separatisten zeigten am Freitag das Hissen einer sowjetischen Flagge auf dem Gebäude der Stadtverwaltung von Solote, das südlich der umkämpften Grossstadt Lissitschansk liegt.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass russische Truppen das Gebiet rund um die beiden Siedlungen eingeschlossen haben. Unklar blieb, ob zumindest Teile der ukrainischen Einheiten sich rechtzeitig zurückziehen und somit retten konnten.
Russland war vor vier Monaten in die Ukraine einmarschiert und hat seitdem weite Teile der Ost- und Südukraine erobert. Im Gebiet Luhansk kontrollieren ukrainische Truppen nach dem Rückzug aus dem benachbarten Sjewjerodonezk nur noch die Grossstadt Lissitschansk. Auch dort sind russische Soldaten allerdings schon bis an den Stadtrand vorgedrungen.
Im südukrainischen Gebiet Cherson ist ein Mitarbeiter der russischen Besatzungsverwaltung bei einem Anschlag getötet worden. Russischen Medienberichten vom Freitag zufolge detonierte eine Bombe im Auto des Mannes. Details waren zunächst nicht bekannt.
In dem besetzten Gebiet kam es in den vergangenen Tagen mehrfach zu Anschlägen auf ukrainische Überläufer. Angaben des Chefs des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, zufolge war etwa am Mittwoch der Parlamentsabgeordnete Olexij Kowaljow Ziel eines Anschlags geworden. Der 33-Jährige war Ende April aus der Fraktion der ukrainischen Präsidentenpartei wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit den russischen Besatzern ausgeschlossen worden. Über seinen Verbleib wurde nichts bekannt.
Nach dem Einmarsch in die Ukraine vor vier Monaten besetzten russische Truppen im Süden den Grossteil der Gebiete Cherson und Saporischschja. Darüber hinaus konzentrieren sich Russlands Truppen derzeit auf Kämpfe in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk, deren vollständige Eroberung zu den Hauptzielen des Kreml zählt.
Die russische Luftwaffe dürfte nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten unter Personalmangel leiden. Das legten Äusserungen eines kürzlich in Gefangenschaft geratenen russischen Kampfflugzeug-Piloten nahe, der angab, im Dienst der Söldnertruppe Wagner zu stehen.
Das ging aus einer Mitteilung auf der Webseite des Verteidigungsministeriums am Freitag in London hervor. «Der Einsatz von bereits ausgeschiedenem Personal bei der engen Luftunterstützung, das nun bei Wagner unter Vertrag steht, zeigt, dass die russische Luftwaffe wahrscheinlich Schwierigkeiten hat, die Invasion in die Ukraine mit ausreichender Flugzeugbesatzung zu unterstützen», hiess es in der Mitteilung.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor rund vier Monaten veröffentlicht die britische Regierung regelmässig Geheimdienstinformationen zum Verlauf. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Nach wochenlangem erbittertem Widerstand gegen die russischen Angreifer muss sich die ukrainische Armee aus der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes zurückziehen. Der Rückzug der ukrainischen Truppen sei angeordnet worden, teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhi Hajdaj, am Freitag im Onlinedienst Telegram mit. Die russischen Einheiten hatten die Stadt zuletzt schon fast vollständig eingenommen.

Die Stadt liege praktisch «in Trümmern» wegen der Dauerbombardierungen durch die russischen Truppen, erklärte der Gouverneur weiter. «Es ist einfach sinnlos, auf Positionen zu bleiben, die seit Monaten unablässig beschossen werden.» Die gesamte strategische Infrastruktur der Industriestadt sei zerstört. «90 Prozent der Stadt sind beschädigt, 80 Prozent der Häuser werden abgerissen werden müssen.»
Die Eroberung von Sjewjerodonezk in der Region Luhansk ist für Russland ein strategisch wichtiges Ziel. Nach schweren Strassenkämpfen hatten sich ukrainische Einheiten und hunderte Zivilisten zuletzt im Asot-Chemiewerk versteckt. Die ukrainische Armee feuerte auch aus dem benachbarten Lissitschansk auf die russischen Angreifer.
Erklärtes Ziel der russischen Streitkräfte ist es, die gesamte Donbass-Region, zu der noch die Region Donezk gehört, einzunehmen. Teile des wirtschaftlich bedeutsamen Gebietes in der Ostukraine wurden bereits ab 2014 von pro-russischen Separatisten kontrolliert.
Die Nachbarstädte Sjewjerodonezk und Lissitschansk liegen rund 80 Kilometer östlich von Kramatorsk, der Hauptstadt des ukrainisch kontrollierten Teils der Region Donezk. Sjewjerodonezk hatte vor Beginn der russischen Offensive rund 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Die Ukraine kann sich als frischgebackener EU-Beitrittskandidat Hoffnungen auf eine Zukunft im gemeinsamen Europa machen. Zugleich aber wird die militärische Lage im östlichen Gebiet Luhansk für die ukrainische Armee immer brenzliger. Russische Truppen kämpfen sich vor und versuchen, die strategisch wichtige Stadt Lissitschansk einzukesseln. Aus den USA kommen zusätzliche wichtige Waffen wie Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote.
Selenski: EU-Kandidatenstatus für Ukraine historisch
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski würdigte den EU-Kandidatenstatus für sein Land als einen historischen Moment. «Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU», betonte er nach der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel in Brüssel. Zugleich sei dies aktuell der grösste mögliche Schritt zur Stärkung Europas, «während der russische Krieg unsere Fähigkeit auf die Probe stellt, Freiheit und Einheit zu wahren.
Selenski hatte sich in den vergangenen Monaten massiv für eine Beitrittsperspektive starkgemacht. Er bekräftigte nun in seiner täglichen Videoansprache, dass die Ukraine in der Lage sei, ein vollwertiges EU-Mitglied zu werden.
Russische Truppen stossen bis an Stadtrand von Lissitschansk vor
Im Osten der Ukraine drangen russische Truppen nach ukrainischen Angaben bis an den Stadtrand der Grossstadt Lissitschansk vor. «Unsere Kämpfer haben den Vorstoss in Richtung der südlichen Ränder von Lissitschansk aufgehalten, dem Feind Verluste zugefügt und ihn zum Rückzug gezwungen», hiess es am Donnerstagabend im Lagebericht des Generalstabs in Kiew. Die russische Armee ziehe nun Reserven heran.

Lissitschansk ist die letzte grössere Stadt im Gebiet Luhansk, die völlig unter ukrainischer Kontrolle steht. Die Zwillingsstadt Sjewjerodonezk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskyj Donez ist grösstenteils von russischen Truppen erobert.
Am Donnerstagmorgen wurde bekannt, dass südlich von Lissitschansk eine ukrainische Gruppierung in den Ortschaften Solote und Hirske eingekesselt ist. Am Abend teilte das ukrainische Militär mit, dass die russischen Truppen Hirske inzwischen teilweise erobert hätten. Dem Bericht zufolge konnten sie den Kessel komplett schliessen.
USA sagen Ukraine weitere Waffen für 450 Millionen Dollar zu
Die USA kündigten weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Umfang von 450 Millionen Dollar (etwa 432 Millionen Franken) an. Dazu gehörten auch Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote, sagte ein hochrangiger Vertreter des Weissen Hauses, John Kirby. Die USA haben dem von Russland angegriffenen Land in den bisherigen vier Kriegsmonaten nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von rund 6,1 Milliarden Dollar zugesagt oder bereits geliefert. Die Regierung in Kiew bittet um mehr moderne Waffen, um die militärische Überlegenheit russischer Truppen einzudämmen.
Weisses Haus: G7-Gipfel soll Russland weiter isolieren
US-Präsident Joe Biden reist an diesem Samstag zum G7-Gipfel, der von Sonntag bis Dienstag im Schloss Elmau in Bayern stattfindet. Kirby nannte als Ziele des Gipfels, «Russland weiter von der Weltwirtschaft zu isolieren, die russische Rüstungslieferkette ins Visier zu nehmen und weiter gegen die Umgehung dieser beispiellosen Sanktionen vorzugehen». Nach dem G7-Treffen reist Biden zu einem Nato-Gipfel nach Madrid. Auch dort wird der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen.
Nike kündigt Rückzug aus Russland an
Der weltgrösste Sportartikelkonzern Nike will sich angesichts des andauernden Krieges gegen die Ukraine komplett aus Russland zurückziehen. «Nike hat die Entscheidung getroffen, den russischen Markt zu verlassen», teilte das US-Unternehmen mit. Priorität habe nun, die Beschäftigten vor Ort zu unterstützen, während der Betrieb in den kommenden Monaten heruntergefahren werde. Der Adidas-Konkurrent hatte seine Geschäfte in Russland – wie viele andere westliche Unternehmen – bereits nach dem Einmarsch in die Ukraine deutlich eingeschränkt. Inzwischen wollen immer mehr Firmen Russland ganz den Rücken kehren.
Das wird am Freitag wichtig
Beim EU-Gipfel werden die hohe Inflation und steigende Energiepreise zum Thema, die zu den Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gehören.
Die militärische Lage rund um Lissitschansk wird weiter im Mittelpunkt stehen, weil Russland dort den Weg zur Kontrolle über das gesamte Gebiet Luhansk freimachen könnte.
Kurz vor dem G7-Gipfel rückt die Bundesregierung bei einer Konferenz in Berlin die weltweite Ernährungslage und die Suche nach Lösungen für blockierte Getreideausfuhren aus der Ukraine in den Blick.
Vor dem G7-Gipfel in Deutschland haben die USA weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Umfang von 450 Millionen Dollar (etwa 433 Millionen Franken) angekündigt. Dazu gehörten auch Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote, sagte ein hochrangiger Vertreter des Weissen Hauses, John Kirby, am Donnerstag in Washington. Die USA haben dem von Russland angegriffenen Land in den bisherigen vier Kriegsmonaten nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von rund 6,1 Milliarden US-Dollar (5,9 Milliarden Franken) zugesagt oder bereits geliefert.
US-Präsident Joe Biden reist an diesem Samstag zum G7-Gipfel, der von Sonntag bis Dienstag im Schloss Elmau in Bayern stattfindet. Deutschland hat in der «Gruppe der Sieben» derzeit den Vorsitz. Noch vor dem Gipfel trifft Biden den deutschen Kanzler Olaf Scholz zu einem bilateralen Gespräch. Zur G7 gehören auch Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Japan.
Die G7-Staaten und weitere westliche Länder haben wegen des russischen Angriffs harte Sanktionen gegen Moskau verhängt. Kirby nannte als eines der Ziele des Gipfels, «Russland weiter von der Weltwirtschaft zu isolieren, die russische Rüstungslieferkette ins Visier zu nehmen und weiter gegen die Umgehung dieser beispiellosen Sanktionen vorzugehen». Nach dem G7-Treffen reist Biden zu einem Nato-Gipfel nach Madrid. Auch dort wird der Ukraine-Krieg im Zentrum stehen.
Die Europäische Union hat die Ukraine offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Zudem wurde beim EU-Gipfel am Donnerstag beschlossen, auch Moldau den Status eines Bewerberlandes zu gewähren, wie Ratspräsident Charles Michel mitteilte. Der Belgier sprach von einem «historischen Moment». EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte: «Heute ist ein guter Tag für Europa.»
«27 Mal Ja!»
Mit dem Schritt erkennt die EU die Anstrengungen der beiden Länder um eine EU-Beitrittsperspektive an und will ihnen Mut machen, den Weg entschlossen fortzuführen. Vor allem der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte angesichts des russischen Kriegs gegen sein Land zuletzt immer wieder eine solche Botschaft der EU eingefordert – auch um den mehr als 40 Millionen Bürgern seines Landes zu zeigen, dass sich der Kampf für Freiheit und Demokratie lohne.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat der Ukraine und Moldau zur Aufnahme in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten gratuliert. «27 Mal Ja!», schrieb Scholz am Donnerstag auf Twitter. «Der Europäische Rat begrüsst zwei neue Beitrittskandidaten zur EU. Auf gute Zusammenarbeit in der europäischen Familie!»
Keine Aufnahmegarantie
Eine Garantie auf eine zügige Aufnahme in die EU ist der Kandidatenstatus nicht. Nach einer Empfehlung der EU-Kommission sollen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau erst dann beginnen, wenn diese weitere Reformauflagen erfüllt haben. Dabei geht es etwa um Justizreformen und eine stärkere Korruptionsbekämpfung.

Zunehmend frustriert sind die ebenfalls auf einen EU-Beitritt hoffenden Westbalkanstaaten. Das EU-Land Bulgarien blockiert seit mehr als einem Jahr die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien, weil sich Nordmazedonien weigert, auf Forderungen zu den Themen Minderheiten, Geschichtsschreibung und Sprache einzugehen. Versuche, die Blockade rechtzeitig vor einem am Rande des EU-Gipfels organisierten Westbalkan-Treffen zu lösen, scheiterten. Dort waren auch Bosnien-Herzegowina, das Kosovo, Montenegro und Serbien vertreten. Bosnien-Herzegowina kann allerdings hoffen, bald in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufgenommen zu werden. Nach Angaben von EU-Ratspräsident Michel soll die EU-Kommission zügig einen neuen Bericht zu den Reformanstrengungen des Landes vorlegen.
Die Ukraine hatte vor knapp vier Monaten kurz nach Beginn des russischen Angriffs die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf reichten auch der kleine Nachbar Moldau sowie das im Südosten Europas gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Das rund 3,7 Millionen Einwohner zählende Georgien soll den Beitrittskandidatenstatus allerdings erst bekommen, wenn es weitere Reformauflagen erfüllt. Es ist nach Einschätzung der EU-Kommission derzeit deutlich instabiler als das rund 2,6 Millionen Einwohner zählende Moldau und die Ukraine.
Auf dem EU-Gipfel zur Beitrittsperspektive für die Ukraine und Moldau gestalten sich die Beratungen zäher als zunächst erwartet. Nach Angaben mehrerer EU-Diplomaten und -Beamter forderten Länder wie Österreich und Slowenien am Donnerstag in Brüssel ähnliche Zugeständnisse an die Westbalkan-Länder. Diese hatten sich nach einem vorausgegangenen Spitzentreffen enttäuscht bis wütend über mangelnde Fortschritte geäussert.
Die EU müsse ihre Versprechen an den Westbalkan halten, hiess es in Brüssel. Insbesondere Bosnien-Herzegowina solle möglichst bald den Kandidatenstatus bekommen. Für die Einwohner des Kosovo könnte die Visapflicht abgeschafft werden. Die Bürger des Kosovo brauchen als einzige auf dem Westbalkan noch Visa zur Einreise in den Schengenraum.
Ursprünglich war ein rascher Gipfelbeschluss zugunsten der Ukraine und der Republik Moldau erwartet worden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich für ein einstimmiges «Ja» der EU-Länder stark gemacht, zugleich aber auch eine Perspektive für den Westbalkan gefordert.
Im Osten der Ukraine sind russische Truppen nach ukrainischen Angaben bis an den Stadtrand der Grossstadt Lyssytschansk vorgedrungen. «Unsere Kämpfer haben den Vorstoss in Richtung der südlichen Ränder von Lyssytschansk aufgehalten, dem Feind Verluste zugefügt und ihn zum Rückzug gezwungen», hiess es am Donnerstagabend im Lagebericht des Generalstabs in Kiew. Die russische Armee ziehe nun Reserven heran. Umkämpft sei auch die östlich des Flusses Siwerskyj Donez gelegene Siedlung Boriwske.
Am Morgen war bekannt geworden, dass im Süden von Lyssytschansk eine ukrainische Gruppierung in den Ortschaften Solote und Hirske eingekesselt ist. Am Abend teilte das ukrainische Militär mit, dass die russischen Truppen Hirske inzwischen teilweise erobert hätten. Dem Bericht zufolge konnten sie den Kessel komplett schliessen. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert nun bereits vier Monate.

Lyssytschansk ist die letzte Grossstadt im Gebiet Luhansk, die völlig unter ukrainischer Kontrolle steht. Die Zwillingsstadt Sjewjerodonezk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskyj Donez ist grösstenteils von russischen Truppen erobert.
Der EU-Kandidatenstatus für die Ukraine ist das Hauptthema des EU-Gipfels, der am Donnerstag in Brüssel begonnen hat. Es sei ein «historisches» Treffen, sagte der deutsche Kanzler Olaf Scholz zum Auftakt. Es wird damit gerechnet, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Ukraine wie auch deren Nachbarland Moldau offiziell zu Beitrittskandidaten erklären. Ein Zeitpunkt für die Aufnahme als Vollmitglied wird damit aber nicht festgesetzt.
Die EU müsse sich dafür auch selber «erweiterungsfähig» machen, sagte Scholz. «Dazu werden sicher auch mehr Mehrheitsentscheidungen in den europäischen Räten gehören», bekräftigte der Kanzler. Die Einführung von Mehrheitsentscheidungen wäre ein grosser Fortschritt, der auch ohne Vertragsänderung möglich sei, sagte er.
Widerstand kleinerer Länder
Vor allem kleinere Mitgliedstaaten sperren sich allerdings dagegen, dass die EU-Staaten mehr gemeinsame Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip statt einstimmig treffen. Für die Einführung der Mehrheitsentscheidung ist allerdings wiederum ein einstimmiger Beschluss der EU-Mitglieder erforderlich.
Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte zu Gipfelbeginn: «Wir werden mit der EU-Kommission übereinstimmen, dass es eine klare europäische Perspektive für Moldau, die Ukraine und Georgien geben muss, aber dass alle drei auch noch viel Arbeit vor sich haben.» Laut dem Entwurf der Gipfelerklärung sollen die Ukraine und die Republik Moldau den Status eines Kandidatenlandes bekommen.
Balkan-Länder müssen weiter warten
Am Vormittag waren die EU-Staats- und Regierungschefs mit Spitzenvertretern von sechs Ländern des westlichen Balkans zusammengetroffen, die sich schon seit Jahren um die EU-Mitgliedschaft oder auch nur um den Kandidatenstatus bemühen. «Wir müssen neue Anstrengungen unternehmen, dass auch diese Länder eine Beitrittsperspektive realistisch umsetzen können», sagte Scholz.
Wegen der Regierungskrise in Bulgarien gab es bei dem Treffen keine Fortschritte bei der Eröffnung der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien. Keine Annäherung gab es demnach auch mit Serbien im Streit um die Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland.
Die europäische Polizeibehörde Europol hat nach eigenen Angaben neun mutmassliche Menschenhändler aufgespürt, die es im Internet gezielt auf ukrainische Flüchtlinge abgesehen hatten. Mehr als 90 Ermittler aus 14 EU-Staaten seien an dem Aktionstag beteiligt gewesen, teilte Europol am Donnerstag mit. Bei dem Einsatz wurden zudem neun potenzielle Opfer und 42 verdächtige Online-Plattformen ausgemacht.
An dem von den Niederlanden koordinierten Aktionstag am 23. Mai sichteten die Ermittler Websites für Stellen- und Kontaktanzeigen sowie Plattformen mit Angeboten von Sex-Diensten. Dabei überprüften sie Hilfsangebote in Transport-, Unterkunfts- und Jobangelegenheiten – wobei einige Jobs als «Photo-Shootings» beschrieben wurden.
Ukrainische Flüchtlinge wurden laut Europol mit der Aussicht auf eine «glückliche Zukunft» geködert und so auch in «sexuelle Ausbeutung» hineingezogen. Europol hatte im März bereits davor gewarnt, dass ukrainische Flüchtlinge in die Hände von Schleppernetzwerken gelangen könnten. Die Polizeibehörde forderte die Aufnahmestaaten auf, Vorsicht walten zu lassen.
Für den Kampf gegen die russischen Invasionstruppen hat die Ukraine US-Raketenwerfersysteme des Typs HIMARS erhalten.

«Der Sommer wird heiss für die russischen Besatzer und für einige von ihnen der letzte», schrieb Verteidigungsminister Olexi Resnikow am Donnerstag auf Twitter.
Der 55-Jährige dankte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin persönlich für die Lieferung. Kiew soll für die Systeme Raketen mit einer auf etwa 80 Kilometer begrenzten Reichweite erhalten.
Technisch sind jedoch auch Präzisionsraketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern und damit das Erreichen von Zielen im russischen Hinterland möglich. Washington verzichtete jedoch vorerst darauf, um eine weitere Eskalation des Ende Februar vom Kreml gestarteten Krieges zu vermeiden.
Kiew ist aufgrund aufgebrauchter und zerstörter Reserven und mangels eigener Rüstungskapazitäten inzwischen völlig abhängig von westlichen Waffenlieferungen.
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Angesichts drastisch verringerter Gaslieferungen hat Moskau jede Schuld von sich gewiesen. «Die Russische Föderation erfüllt alle ihre Verpflichtungen», bekräftigte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge.
Einmal mehr bestritt Peskow zudem, dass die Gasdrosselung über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 politisch motiviert sei. Vielmehr seien sanktionsbedingte Verzögerungen bei Reparaturarbeiten Ursache des Problems. Nach russischen Angaben steckt eine Siemens-Turbine für die Pipeline im Ausland fest.
Kurz zuvor hatte die deutsche Regierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen (Tickereintrag weiter unten).
Kurz vor dem EU-Gipfel hat das Europaparlament die Anerkennung der Ukraine und des Nachbarlands Moldau als offizielle EU-Beitrittskandidaten gefordert. Die grosse Mehrheit der Abgeordneten rief die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer am Donnerstag in einer nicht bindenden Entschliessung auf, bei ihrem Gipfel in Brüssel «der Ukraine und der Republik Moldau unverzüglich den Status eines Bewerberlandes zu gewähren».
Auch Georgien solle dieser Status zugestanden werden, sobald die Regierung bestimmte, von der Europäischen Kommission genannte Kriterien erfülle. Das Europäische Parlament betonte zugleich, dass «es kein beschleunigtes Verfahren für die Mitgliedschaft in der EU gibt» und dass ein Beitritt «nach wie vor» ein Prozess sei, der von der «Umsetzung von Reformen» abhänge.
Die 27 Staats- und Regierungschefs wollen ab Donnerstagnachmittag über die offizielle Anerkennung der Beitrittskandidaturen der Ukraine und der Republik Moldau entscheiden. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach in Brüssel von einem «historischen Augenblick auf geopolitischer Ebene».
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Im ostukrainischen Gebiet Luhansk droht ukrainischen Truppen südlich der strategisch wichtigen Stadt Lissitschansk akut die Einkesselung durch russische Einheiten.
«In der Richtung Sjewjerodonezk hat der Gegner die Siedlungen Loskutiwka, Raj-Olexandriwka erobert», teilte der ukrainische Generalstab am Donnerstag auf Facebook mit.
Damit steht den ukrainischen Einheiten um die Bergarbeitersiedlung nur noch maximal ein Schlauch von vier Kilometern Breite für den Rückzug zur Verfügung. Nach Angaben britischer Geheimdienste zogen sich einige ukrainische Truppen zurück.
Angaben der Separatisten zufolge wird allerdings auch dieser bereits von den russischen Einheiten kontrolliert. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. Dem Vertreter der Luhansker Separatisten in Moskau, Rodion Miroschnik, zufolge haben die russischen Truppen zudem bereits die letzte Verbindungsstrasse von Lissitschansk nach Westen gekappt. Damit sind seinen Schätzungen zufolge mindestens 5000 ukrainische Soldaten eingekesselt.
Schwere Kämpfe toben auch südlich des weitgehend von Russen eroberten Sjewjerodonezks. Sjewjerodonezk und Lissitschansk sind die letzten noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden grösseren Städte im Luhansker Gebiet.
Die russischen Fortschritte seien wahrscheinlich ein Ergebnis jüngster Verstärkungen und einer starken Konzentration von Beschüssen, hiess es in einem Tweet des britischen Verteidigungsministeriums. Trotz starken Drucks, den die russischen Truppen auf den Kessel von Lissitschansk und Sjewjerodonezk ausübten, seien die Bemühungen, eine tiefere Einkreisung der westlichen Donezk-Region zu erreichen, aber weiterhin festgefahren.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Grund dafür seien die seit Mitte Juni bestehende Kürzung der russischen Gaslieferungen sowie die hohen Preise am Gasmarkt, sagte Habeck am Donnerstag in Berlin. Die Lage sei derzeit «angespannt», die Versorgungssicherheit aber gewährleistet.

«Wir haben in Deutschland eine Störung der Gasversorgung», sagte der Minister. Daher sei es erforderlich, die zweite von drei Stufen im Notfallplan auszurufen. Die dritte wäre die Notfallstufe, dann erst darf der Staat in den Markt eingreifen.
«Gas ist von nun an ein knappes Gut», sagte Habeck weiter. «Alle Verbraucherinnen und Verbraucher – sowohl in der Industrie, in öffentlichen Einrichtungen wie in den Privathaushalten – sollten den Gasverbrauch möglichst weiter reduzieren, damit wir über den Winter kommen.»
Grund dafür seien die seit Mitte Juni bestehende Kürzung der russischen Gaslieferungen sowie die hohen Preise am Gasmarkt, sagte Habeck am Donnerstag in Berlin. Die Lage sei derzeit «angespannt», die Versorgungssicherheit aber gewährleistet.
Kreml: Vorwürfe «sonderbar»
Der Kreml hat den Vorwurf Berlins als «sonderbar» bezeichnet, diese sei politisch motiviert. Russland werde die Lieferungen wieder erhöhen, sobald die fehlenden Turbinen geliefert worden seien, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau.
«Wenn eine Turbine überprüft werden muss und man sie nach der Reparatur nicht wieder einsetzt (...), ist alles klar, da gibt es keine Zweideutigkeit», sagte Peskow. Deutschland sei «bestens über die Wartungszyklen informiert», daher sei es «wirklich sonderbar, das als politisch zu bezeichnen». Russland bleibe ein «verlässlicher» Lieferant, versicherte der Kreml-Sprecher.
Reserve-Kohlekraftwerke
Die deutsche Regierung will mit mehreren Massnahmen gegen die Verschärfung der Gaskrise vorgehen. Unter anderem sollen Reserve-Kohlekraftwerke die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken ersetzen. «Das ist schmerzlich. Kohlekraftwerke sind einfach Gift fürs Klima. Aber für eine Übergangszeit müssen wir es tun, um Gas einzusparen und über den Winter zu kommen», sagte Habeck.
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