Tanzende Diven und Tomaten
«Tandoori Love» von Oliver Paulus ist ein Schweizer Film mit Curry und scharfen Messern. Die Komödie vermischt Heimatfilm- und Bollywoodklischees zu einem turbulenten Werk voller Ecken und Kanten.

Urschweizerische Handörgelimusik ist zu hören, eine währschafte Berner Platte mit Sauerkraut, Schweinsfüsschen und einer aufplatzenden Blutwurst wird aufgetischt. Aber nicht nur wegen der vielen Leckereien bleiben der schönen Sonja an einem Geburtstagsfest im Hotel Hirschen die Worte im Hals stecken: Eben ha‹t der junge Hotelier Markus sie seiner Mutter als künftige Schwiegertochter vorgestellt und ihr einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Einen formellen Heiratsantrag allerdings hat er ihr zuvor nie gemacht. Zur gleichen Zeit plumpst ein Sack mit gelbem Pulver von einem Lastwagen auf die Strasse, bewundern drei Bergler in den Alpen einen aufsteigenden Helikopter und verlangt eine tanzende Bollywood-Diva mit barschen Worten, dass Ziegen auf das Filmset geliefert werden: «Ich will leben wie Heidi!»Im Bann von BollywoodSo beginnt Oliver Paulus' «Tandoori Love», der erste Schweizer Film, der helvetische Beziehungsturbulenzen mit Gesang und Tanz à la Bollywood verbindet (und dem mit Anna Luifs «Tamilische Hochzeit» im kommenden Herbst eine ähnliche Produktion folgt). Schon lange vor dem bollywoodschen Türöffner «Lagaan» (2000) ist der aus dem solothurnischen Dornach stammende Paulus dem eigentümlichen und exotischen Charme des indischen Massenkinos verfallen. «Den ersten Bollywoodstreifen sah ich vor etwa 20 Jahren auf einem Dorfplatz in Indien», erzählt der Regisseur. «Das Publikum kommentierte laufend die Handlung, es feuerte den Helden an und pfiff, buhte oder warf Gegenstände, wenn der Bösewicht auf der Leinwand war.»Einen ersten Entwurf zu einem Film mit Motiven aus «masala movies», wie die indischen Grossproduktionen ebenfalls genannt werden, reichte Paulus bereits vor zehn Jahren ein, bekam dafür aber keine Unterstützung. Die eigentliche Produktionsgeschichte von «Tandoori Love» begann vor vier Jahren am Filmfestival in Berlin, als Paulus in der Vorführung des Schmachtfetzens «Kal hoo na hoo» der Produzentin Valerie Fischer begegnete und ihr ein Drehbuch überreichte, in dessen Mittelpunkt damals noch ein vietnamesischer Koch stand. Weil Bollywood nun als hip galt, wurde diese Figur flugs umgewandelt in den Koch einer indischen Filmcrew.Tanz im SupermarktEr heisst jetzt Rajah und arbeitet bei einer Bollywoodproduktion, die im Berner Oberland gedreht wird. Wie er in einem Geschäft ungeniert an Meringues knabbert, fährt ihn Sonja an: «Das ist ein Supermarkt, kein türkischer Basar.» Knall auf Fall verliebt sich Rajah in Sonja; zuerst fällt er vor ihr auf die Knie, dann tanzt und singt er «Heirate mich und lebe glücklich». Als er wenig später im Hirschen sieht, wie ein Stammgast an Sonjas Hintern herumfummelt, gibt er dem Belästiger eine Ohrfeige. «Eins zu null für die Tamil Tigers», kommentiert Max Rüdlinger als weiterer Stammgast das Ereignis, das Rajah den ersten Kuss von Sonja beschert und das eine Dreiecksgeschichte eröffnet, die später nicht nur mit Curry und tanzenden Tomaten, sondern auch mit scharfen Messern, schwarzem Humor und handfestem Slapstick gewürzt wird.«Das ist das Geheimnis von Bollywood», kommentiert Oliver Paulus den ungewöhnlichen Stilmix. «In jedem Film ist alles drin, was zum Kinos gehört, sonst ist das Publikum beleidigt.» Trotz exotischen Elementen sieht er keinen Stilbruch zwischen «Tandoori Love» und kleineren, früheren Filmen wie «Wenn der Richtige kommt» (2003), die er zusammen mit Stefan Hillebrand inszenierte: «Die ganze Kochgeschichte etwa ist ein persönliches Anliegen. Ich habe alle Rezepte, die im Film vorkommen, selber entworfen und auch getestet. Eine moderne indische Küche gibt es noch nicht. Wenn Bollywoodstars schick essen wollen, gehen sie in ein italienisches oder japanisches Restaurant.»Sympathisches EntertainmentNicht alles in «Tandoori Love» funktioniert allerdings so gut wie die schön gefilmten Küchenszenen oder der als Hommage an dilettantische Actionstreifen gestaltete Autocrash von Gaststar Stephanie Glaser. Befremdend ist die Besetzung Rajahs mit dem oft eher trist als charmant wirkenden Vijay Raaz und noch befremdender ist die technisch schlechte Dialektsynchronisation der attraktiven Sonja-Darstellerin Lavinia Wilson. «Weil ich auch Produktionsgeld aus Deutschland hatte, musste ich eine der Hauptrollen mit einer deutschen Schauspielerin besetzen. Ich sträubte mich aber dagegen, aus Sonja eine deutsche Kellnerin zu machen», sagt dazu Paulus. «Sie hätte eine ganz andere Bindung zu Markus und zur Schweiz, wenn sie nicht hier aufgewachsen wäre.» Allen Einwänden und auch dem unbefriedigenden Schluss zum Trotz: Mit all seinen Ecken, Kanten und auch Holprigkeiten gehört «Tandoori Love» zu jenen sympathischen und unterhaltsamen Filmen, bei denen man im Gegensatz zu Schweizer Sonntagabendfernsehfilmen (oder auch hundertmal teureren Hollywoodstreifen) nicht schon nach zehn Minuten weiss, wie sie enden werden.
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