Surf-Regeln für Kinder
Ob Kinder und Jugendliche ausreichend über die Risiken des Internets aufgeklärt werden, hängt davon ab, in welchem Kanton sie wohnen. Jetzt finanziert der Bund mit privaten Stiftungen ein Konzept für ein nationales Kinderschutzprogramm.
Die halbe Primarklasse chattet in der Freizeit, alle kennen Google, und jeder zweite Schüler ist beim Surfen im Internet schon auf pornografische Bilder gestossen: Dieses Fazit zieht die Psychologin Evelyne Verheecke nach ihrem Besuch einer fünften Klasse in einem Genfer Aussenquartier. Die Lehrerin der Fünftklässler staunt, wie gut sich ihre elfjährigen Schützlinge mit den neuen Medien auskennen, doch Verheecke sieht ihre bisherigen Erfahrungen bestätigt: Dasselbe Verhältnis stellt sie in allen Schulklassen dieser Altersgruppe fest. Die Psychologin leistet für die Westschweizer Kinderschutz-Organisation «Action Innocence» Präventionsarbeit an öffentlichen und privaten Schulen. Die Kinder hätten zwar gelernt, dass sie sich auf der Strasse nicht von Fremden ansprechen lassen und zu niemandem ins Auto steigen dürften. «Doch sie wissen nicht, wie gefährlich es sein kann, im Internet private Informationen preiszugeben», sagt Verheecke. Potenzielle OpferDass Pädophile versuchen, über Chat-Programme Kontakte zu potenziellen Opfern zu knüpfen, hat Alexander* schon gehört. «Ein Bekannter von mir wurde von seinem besten Freund zu einem Treffen eingeladen, und zum Beweis für seine Identität zeigte der Freund sein Gesicht auf der Webcam. Doch als der Vater telefonierte, um nachzufragen, stellte sich heraus, dass der Freund gar keine Computerverbindung etabliert hatte. Es musste also jemand anderer sein», erzählt der Elfjährige. Verheecke lobt dieses Misstrauen vor einem Rendez-vous und warnt davor, Namen, Adresse oder persönliche Fotos ins Internet zu stellen. «Lasst Euch Eure Identität nicht stehlen, Ihr könnt nicht wissen, was andere damit anstellen», appelliert sie an die Kinder. Diese diskutieren eifrig mit. Cathy* und Alice* sind froh zu wissen, dass verdächtige Personen von der Kontaktliste des Chat-Programms gelöscht und blockiert werden können. Und am Ende des eineinhalbstündigen Kurses packen alle das Material von «Action Innocence» in die Schulmappen: eine mit Comicbildern gestaltete Mausmatte zu den wichtigsten Verhaltensregeln im Internet, einen Leitfaden für sie selbst und einen für ihre Eltern. Nationale Strategie fehlt Doch nicht alle Kinder werden genügend informiert. Das Genfer Erziehungsdepartement hat mit der von Privaten finanzierten Organisation «Action Innocence» einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, andere Westschweizer Kantone können die Dienste der Spezialisten für Internetschulung ebenfalls beanspruchen. Doch das Angebot ist freiwillig, hängt also vom Interesse jeder einzelnen Schulleitung ab. Tiziana Bellucci, die Präsidentin von «Action Innocence», bedauert das Fehlen einer koordinierten Strategie, und die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr, Präsidentin der Stiftung Kinderschutz Schweiz, bringt das Problem für Eltern und Kinder so auf den Punkt. «Es ist ein Stück weit Glücksache, in welchem Kanton man wohnt und wo man zur Schule geht .»Über die unterschiedlichen, teils sehr umfassenden kantonalen Angebote will sich nun auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ein Bild machen. «Ziel ist es, die Bundeskredite für den Kinderschutz effizient einzusetzen», sagt Ludwig Gärtner vom BSV. Zu diesem Zweck testet das Bundesamt erstmals eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Privatwirtschaft (Public-Private-Partnership). So teilt es sich die Kosten von 300 000 Franken mit zwei privaten Stiftungen (UBS und OAK Foundation) für das Konzept zu einem nationalen Kinderschutzprogramm. Bereits jetzt arbeiten Kinderschutz Schweiz und «Action Innocence» an einem Projekt zur Sensibilisierung von Eltern und Betreuern im Umgang mit den neuen Medien. Aktuell klärt die Westschweizer Organisation mit einer Kampagne Eltern über Risiken und Lösungen auf, erstmals ist der Ansatz national. Die Dokumentation soll in ein rundes Dutzend Sprachen übersetzt werden, um auch möglichst viele Ausländer zu erreichen.* Alle Namen geändert>
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