Frühlingsweekend im Kanton St. Gallen Sonne tanken an der Ostschweizer Riviera
In Weesen gedeihen Palmen, Kiwis und Kakis: Das südliche Flair des Städtchens lässt sich am besten während eines Spaziergangs geniessen.

Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Was muss man in Weesen gesehen haben? Das überlegen sich meine zwei Städtliführer Sophie, 10, und Gregy, 12, die hier leben, nicht lange: das Kopfwehloch natürlich. Eine halbkugelförmige Einbuchtung an der Aussenmauer der Heiligkreuzkirche, auch Büelkirche genannt. Dort sollen von Kopfweh geplagte Menschen Linderung finden, indem sie ihren Kopf in die Einbuchtung halten.
Vom Seequai her überqueren wir die Hauptstrasse beim Hotel Schwert, dem ältesten Gasthof am Walensee, und gelangen in die malerische Altstadt. Gassen mit Kopfsteinpflaster, gesäumt von historischen Bauten, in denen heute Restaurants, Bars und Cafés zum Verweilen einladen, zeugen von einer langen Vergangenheit.
Geschichte ist auch in der Schule ein Thema, und so gibt mir Gregy einen kurzen Rückblick: «Weesen war früher eine römische Siedlung, später kamen die Habsburger, und im Mittelalter brannte die Stadt vollständig nieder.» Warum das? «Das ist nicht ganz genau geklärt, aber es war möglicherweise ein Racheakt der Eidgenossen an den Habsburgern.»

Die Stadt wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederaufgebaut. Zu der Zeit wurde auch die Heiligkreuzkirche erstmals erwähnt, zu der wir jetzt auf einem schmalen Pfad hinaufsteigen.
Oben angekommen, hat man einen weiten Blick über die Linthebene. Sophie steht bereits neben dem Kopfwehloch. «Du musst einfach den Kopf hineinhalten, dann tut dir nichts mehr weh», sagt sie. Kopfschmerzen habe ich zwar keine, aber ich probiere es trotzdem aus. Ob es tatsächlich hilft, ist unklar, aber immerhin gilt die Büelkirche als Kraftort.
Frühlingserwachen
Wir schlendern weiter zu Sophies Lieblingsplatz: zur Riviera am Ufer des Walensees. Dieser schimmert je nach Wetterlage tiefgrün oder auch petrolblau und erinnert an einen Fjord im hohen Norden. Die Temperaturen hingegen sind dank des milden Klimas häufig bereits im Februar frühlingshaft und lassen hier sogar Palmen gedeihen.
Etliche Einheimische und Gäste flanieren auf der Uferpromenade oder sitzen auf den Bänkli und geniessen bei strahlendem Sonnenschein die Aussicht auf den See, der eingebettet ist zwischen den majestätischen Churfirsten und dem Mürtschenstock.

Doch so idyllisch war es hier nicht immer. Eine mächtige Steinsäule am Hafen beim Aussichtspunkt Linthspitz zeigt die Hochwasserstände der letzten 200 Jahre an, die teils verheerende Überschwemmungen zur Folge hatten. Die Linth nahm sich nämlich früher ihren eigenen Lauf und floss vom Glarnerland her nicht in den Walensee, sondern unkontrolliert Richtung Zürichsee. Das führte dazu, dass die ganze Ebene heillos versumpfte. Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als Hans Conrad Escher seine Vision zur Rettung des Gebiets umsetzte: Die Glarner Linth wurde von Mollis in den Walensee geleitet, wo sie ihr Geschiebe ablagern kann. Und von Weesen wird das Wasser in einem Kanal Richtung Zürichsee geführt.
Picknick mit Aussicht
Eindrücklich ist aber nicht nur die Wasserstand-Säule, sondern vor allem auch der Mammutbaum, der mit über 35 Metern über die Promenade ragt. Er ist einer der letzten in der Schweiz und soll Kraft spenden, wenn man seinen Stamm berührt. Nun könnte man entweder den Linthkanal entlang Richtung Ziegelbrücke spazieren oder am Nordufer zu den Seerenbachfällen wandern. Diese zählen zu den höchsten Wasserfällen der Schweiz – ein imposantes Naturspektakel.

Aber erst zeigen mir die Kinder ihren Lieblingsaussichtspunkt: den Chapfenberg. Kurz und steil geht es gleich hinter dem Städtli hinauf, aber das lohnt sich auf jeden Fall, denn tatsächlich ist der Blick über das Städtchen und den Walensee bis in die Alpen atemberaubend. Also auch der perfekte Ort für ein feines Picknick, das Gregy, Sophie und ich da oben geniessen – und dabei versuchen, uns an die Namen der sieben Churfirsten zu erinnern. Schliesslich bekommen wir sie sogar ohne Smartphone-Einsatz gemeinsam zusammen: Sie heissen Selun, Frümsel, Brisi, Zuestoll, Schibenstoll, Hinderrugg und Chäserrugg.
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