Hochwasser-Gefahr in BernSo hoch wie 2005 kommt es kaum mehr
Wenn die Aare viel Wasser führt, hält Bern den Atem an. Doch zahlreiche Massnahmen sorgen dafür, dass die Matte-Bewohner den Fluss nicht mehr fürchten müssen.

Sicherlich sind sie noch in den Köpfen der Bernerinnen und Berner, die Bilder vom Hochwasser 2005: bis zum Dach versunkene Autos, Boote des Zivilschutzes mitten im Quartier, Menschen in Gummistiefeln und überall die hellbraun-trüben Wassermassen. In einigen Eingängen der Häuser im Matte-Quartier sind heute noch Markierungen mit dem Wasserstand von damals zu sehen – mindestens auf Kopfhöhe.

Doch grosse Sorgen scheinen die Menschen in der Matte nicht mehr zu empfinden, wenn das Wasser – wie am Donnerstag und am Freitag – mal wieder etwas höher kommt. 420 Kubikmeter Wasser pro Sekunde waren es am Donnerstagabend, wegen eines Hochwassers in der Zulg, die unterhalb von Thun direkt in die Aare mündet. Ab 430 Kubikmetern beginnt die Feuerwehr üblicherweise mit ersten Massnahmen.
Auch eine vorsorgliche SMS-Warnung ging an die Bewohner und Bewohnerinnen. Sie sollten ihre Keller auf Grundwasser überprüfen, das eindringen könnte. Für die «Mätteler» alles kein Grund zur Aufregung: «Dass die Aare ansteigt, ist ja immer wieder mal der Fall, das beunruhigt uns nicht», heisst es am Freitagvormittag im Quartier.
Und die Präsidentin des Matte-Leists, Eleonora Massini, die am Freitagmorgen eine Runde durchs Quartier machte, sagt: Die Bewohnerinnen und Bewohner seien schon etwas angespannt, direkt bedroht hätten sie sich aber nicht gefühlt.
Das Schwemmholz im Griff
Bei der Schwelle haben sich zahlreiche Passantinnen und Passanten versammelt und beobachten, wie ein grosser Kran mit Greifarm Holz aus dem Wasser hebt. Viele schauen gespannt zu, wie sich vermeintlich kleine Äste plötzlich als imposante Baumstämme entpuppen, als sie aus dem Wasser gezogen werden. Einen ganzen Tag soll der Abtransport dauern, schätzen die Einsatzkräfte vor Ort. Es gebe ihnen ein sicheres Gefühl, wenn das Holz jetzt herausgehoben werde, sagen die Schaulustigen am Freitag.

Tatsächlich ist seit 2005 viel passiert, damit sich die Menschen in der Matte nicht sorgen müssen. Um den grossen Kranwagen an der Schifflaube vor der Schwelle platzieren zu können, wurde etwa der entsprechende Strassenabschnitt bereits bald nach 2005 verstärkt, und die Elemente der Schwelle wurden so umgebaut, dass sie sich leicht entfernen lassen. Die Schwemmholz-Situation wird per Video überwacht, so lassen sich brenzlige Situationen schnell erkennen. Das alles soll verhindern, dass die Schwelle vom Schwemmholz verstopft wird – was einer der Hauptgründe der grossen Überschwemmung von 2005 war.
Flexibel dank Stollen
Ein weiteres wichtiges Element ist der Hochwasserstollen in Thun, der seit 2009 in Betrieb ist. Damit lässt sich der Thunersee vorsorglich absenken. Vor dem Bau war das wegen des flachen Ausflusses des Sees nur schlecht möglich.

«Der Stollen ist ein zentrales Element», sagt Warin Bertschi, Bereichsleiter Wasserbau des Oberingenieurkreises II beim Kanton Bern. Mit dem Bau des Stollens habe das Wassermanagement optimiert werden können.
Das Problem: Die Seen im Oberland haben ein vergleichsweise grosses Einzugsgebiet. Wenn es stark regnet und die Schneeschmelze dazukommt, haben sie als Wasserspeicher nur wenige Kapazitäten. Mit dem Stollen könne man den Wasserspiegel des Thunersees vorsorglich senken, den Ausfluss regulieren und einem hohen Aarepegel entgegenwirken.
Auch die Feuerwehr hat nach 2005 aufgerüstet. Markantes Element sind die massiven orangen «Beaver»-Schläuche, mit denen die Aare-Ufer schnell erhöht werden können. An neuralgischen Stellen werden zudem früh Pumpen eingesetzt. Und vor vielen Haustüren in der Matte sind fix montierte Metallschienen zu sehen, in die sich Platten einfügen lassen zum Schutz gegen das Wasser.

Allerdings kann es trotz der Massnahmen zu Situationen kommen, bei denen das Wasser der Aare über die Ufer tritt. Gerade am Altenberg in Bern sind die Gärten und Keller nicht immer sicher vor Überschwemmungen. Das Projekt «Gebietsschutz Quartiere an der Aare» der Stadt Bern soll dem Abhilfe schaffen. Es ist bereits seit einigen Jahren in Arbeit.
Unter anderem eine geplante Mauer am Altenberg-Ufer sorgte allerdings für Widerstand aus dem Quartier. Mittlerweile haben sich Stadt und Anwohner geeignet. Nach der öffentlichen Auflage Anfang 2021 sind allerdings immer noch Einsprachen hängig. Sind diese bereinigt, muss das Projekt nochmals vom Gemeinderat verabschiedet werden, bevor Stadtrat und Bevölkerung darüber entscheiden können.
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