Sie verklagten Assads Onkel und leben nun in Angst
Das Bundesstrafgericht verwehrt zwei Personen, anonym gegen den Onkel des syrischen Diktators zu klagen.

Es ist ein nebliger Tag, als Rifaat al-Assad im Dezember 2013 das Hotel Métropol in Genf betritt. Der frühere syrische Vizepräsident ist angereist, um über die Zukunft Syriens zu verhandeln. Dort führt sein Neffe Bashar al-Assad seit zwei Jahren Krieg. Doch der Aufenthalt in Genf hat Folgen für den Syrier: Die Genfer NGO Trial reicht bei der Bundesanwaltschaft (BA) Strafanzeige gegen den heute 81-Jährigen ein. Seit 2011 besteht hierzulande eine gesetzliche Grundlage für die Verfolgung von Kriegsverbrechern, die sich in der Schweiz aufhalten.
Trial beschuldigt Rifaat al-Assad – der in den 1980er-Jahren die Verteidigungsbrigaden Syriens kommandierte –, mit seinen Truppen gegen die Stadt Hama marschiert zu sein, wo sich eine Gruppe oppositioneller Muslimbrüder verschanzte. Nach der Eroberung der Stadt kam es im Februar 1982 zu einem Massaker, bei dem je nach Quelle 10'000 bis 40'000 Menschen umkamen. Im März 2018 ergänzen Trial und die Ankläger ihre Anzeige. Sie werfen al-Assad zusätzlich vor, er habe 1980 das Tadmur-Gefängnis in Zentralsyrien stürmen lassen, um bis zu 1000 Gefangene – ebenfalls mehrheitlich Muslimbrüder – zu töten.
Im Zusammenhang mit der Anzeige zu Tadmur traten in der Schweiz auch zwei Kläger hervor, die von der BA Anonymität erbaten. Familienangehörige von ihnen würden sich weiterhin im von syrischen Regierungstruppen kontrollierten Gebiet befinden. Sie befürchteten, dass die eingereichte Strafanzeige deren Leben gefährden könnte. Die Bundesanwaltschaft gewährte ihnen dies jedoch nicht: Den Klägern sei es nicht gelungen, über allgemeine Fakten hinaus konkrete Beweise zu den Lebensumständen der Familien vorzulegen.
Gefährdung «nicht konkret»
Nach einem Rekurs in Bellinzona stützt die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts diesen Entscheid. In den gestern publizierten Beschlüssen hält sie fest, dass die Anonymität nur als «Ultima Ratio» gewährt werden dürfe. In den beiden Fällen sei die Gefährdung nicht konkret vorgebracht worden. Weiter seien die Kläger nicht direkt betroffen von den vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Einem solchen Opfer hatte die Bundesanwaltschaft dagegen Anonymität zugesichert.
Für den Anwalt der Kläger, Damien Chervaz, ist dieses Vorgehen unverantwortlich: «Es scheint, als würden die Richter mehr darum besorgt sein, die Folterer anstatt die Opfer zu schützen.» Auch Trial bedauert den Entscheid. Er zeige, dass es ein Missverständnis darüber gebe, welchen Gefahren Opfer von internationalen Verbrechen ausgesetzt seien, die mutig beschlossen, gegen mächtige Individuen vorzugehen. «Die Folge wird sein, dass künftig weniger Opfer bereit sind, an solchen Fällen mitzuarbeiten», sagt Bénédict De Moerloose von Trial. Dies sei bereits erfolgt: Einer der Kläger habe sich nach dem Entscheid aus dem Verfahren zurückgezogen – aus Angst, wie Chervaz erklärt.
Auch Frankreich ermittelt
Die BA nimmt das Urteil aus Bellinzona zur Kenntnis. Man habe die Entscheidung zur Anonymität unter strikter Anwendung der Strafprozessordnung getroffen und weist deshalb die Kritik des Anwalts zurück.
Al-Assad wird in der Schweiz weiterhin wegen Kriegsverbrechen verfolgt. Doch müsste er für eine Anklage erneut hierzulande auftauchen. Derweil wird auch in Frankreich gegen ihn ermittelt – wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Geldwäsche. Dem Verfahren hat sich Spanien angeschlossen.
BB.2018.36 / 37
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