Sexgierig, brutal und ohne Reue
Heute Montag beginnt der Prozess über eines der schaurigsten Verbrechen der neueren Kriminalgeschichte Österreichs – über das Inzestdrama von Amstetten. Das Verfahren gegen den Angeklagten Josef Fritzl wird weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
Was kann Amstetten dafür? Das niederösterreichische Städtchen mit 23000 Einwohnern, anderthalb Autostunden westlich von Wien gelegen, ist zum Synonym für menschliche Bestialität geworden. Josef Fritzl, ein 73-jähriger Familientyrann mit monströsem Sexualtrieb, scheint der Mostviertler Provinzidylle für alle Zeit ein unauslöschliches Brandmal aufgedrückt zu haben – weshalb die Amstettener vor den einfallenden Reportern lieber die Flucht ergreifen.
Mit Tochter 7 Kinder gezeugt
24 Jahre lang hielt Fritzl seine heute 42-jährige Tochter Elisabeth als Sexsklavin im Kellerverlies seines Hauses gefangen. Er zeugte mit ihr sieben Kinder, drei davon nahm er wegen der Platznot im Keller zu sich in die Wohnung. Der Umwelt gaukelte er den gütigen Opa vor, der sich um die «Findelkinder» seiner angeblich bei einer Sekte untergetauchten Tochter kümmere. Fritzls Frau, die ihm sechs Kinder gebar, will all die Jahre nichts von dem unmenschlichen, inzestuösen Treiben ihres Mannes im Keller bemerkt haben.
In der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, wo der Prozess heute im Landesgericht beginnt und eine Woche dauern soll, ist bereits jetzt kein Hotel- und Pensionszimmer mehr frei. Rund 200 Medienvertreter aus aller Welt, darunter Dutzende TV-Stationen, werden erwartet. Der Gerichtssaal bietet nur 100 Sitzplätze. Auf Antrag der Anwälte, die Opferschutz geltend machen, bleibt die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen, informiert wird lediglich an täglichen Pressekonferenzen. «In Österreich ist man sich viel zu wenig bewusst, was man Opfern antut, wenn man sie öffentlich vorführt», begründet Opferanwältin Eva Mückstein die Massnahme.
Opfer stark abgeschirmt
Elisabeth Fritzl und die Kinder werden noch immer streng abgeschirmt. Zur Jahreswende durften sie das Amstettener Landesklinikum, wo sie monatelang nach ihrer Befreiung betreut worden waren, verlassen und in eine Wohnung umziehen. Doch für die Dauer des Prozesses sollen Fritzls Opfer wieder in das Spital zurückkehren, weil man fürchtet, dass Reporter die geheime Wohnadresse ausfindig machen könnten.
Die Rückkehr in das sogenannte normale Leben bleibt den Opfern auch zehn Monate nach der Befreiung noch versperrt. Vorigen Herbst mussten die Behörden den Wunsch der Kinder abschlagen, in eine öffentliche Schule gehen zu dürfen. Auch Auskünfte über das seelische und körperliche Befinden werden nicht erteilt. Nur so viel: Die lebensgefährlich erkrankte 19-jährige Kerstin ist inzwischen voll genesen. Ihre Einlieferung ins Spital am 19. April letzten Jahres war für die Polizei die erste Spur, die direkt zu Fritzl führte.
In Ketten gelegt und vergewaltigt
Die schaurigen Details, die in den Medien kursieren, stammen vorwiegend aus der Anfang Dezember veröffentlichten Anklageschrift. So hatte Fritzl seine Tochter Elisabeth während unzähliger Vergewaltigungen in Ketten gelegt und gezwungen, sich Pornofilme anzusehen. Er «verlangte ihr sexuelle Dienste ab und verfügte über sie nach Belieben und Willkür wie über ein Eigentum», heisst es in der Anklage. Der Menschenschinder Fritzl wird mit der Aussage zitiert: «Für mich war es wichtig, dass E. für mich immer und für jede Sache zur Verfügung stand.»
Das Kellerverlies diente Fritzl als Freiraum für seine hemmungslose sexuelle Gier und zugleich als Versteck für den Inzest. Seine Tochter musste die Kinder ohne medizinische Hilfe auf die Welt bringen, «unter widrigsten Umständen, lediglich mit einer Schere, einer Decke und Windeln ausgestattet», so steht es in der Anklageschrift. Eines der Kinder starb gleich nach der Geburt, weil Fritzl ärztliche Hilfe wissentlich unterlassen habe. Er verbrannte danach die Babyleiche im Heizkessel. Deshalb wird er ausser wegen Vergewaltigung, Notzucht und Freiheitsentzugs auch des Mordes angeklagt. Fritzl ist auch der erste Mensch in Österreich, der wegen Sklavenhalterei belangt wird.
Feucht, fensterlos, total finster
Der rüstige Alte war ein gnadenloser Kerkermeister. Das Kellerverlies war fensterlos, feucht und schimmelig, Ratten huschten umher. Drei der sechs Kinder – Kerstin, der 18-jährige Stefan und der 5-jährige Felix – sahen nach ihrer Befreiung erstmals in ihrem Leben Tageslicht. Fluchtversuche vereitelte Fritzl mit der Drohung, er habe Sprengsätze und eine Gasfalle angebracht. Damit versetzte er seine Opfer in permanente Todesangst. Ungehorsam bestrafte der gelernte Elektrotechniker mit Stromentzug, Tochter und Kinder mussten oft tagelang in totaler Finsternis und ohne warme Mahlzeiten ausharren.
Die Suche nach Gründen
Nach wie vor rätselt das ganze Land über die Dämonie dieses Falles. Fritzls Anwalt Rudolf Mayer meint, sein Mandant gehöre «nicht ins Gefängnis, sondern in eine psychiatrische Klinik». Bei der Einvernahme zeigte er keinerlei Reue. Der Gerichtsgutachter hält den Angeklagten trotz schwerer Persönlichkeitsstörung für «voll zurechnungsfähig».
Wesentlich begünstigt haben dürfte diese Tyrannei die Tradition der patriarchalischen Familie, die in ländlichen Gebieten Österreichs heute noch dominiert. Ein Sohn Fritzls sprach von einem extrem autoritären und stets gewaltbereiten Vater, dem alle aus Angst meist aus dem Weg gegangen seien. Begünstigt haben das Verbrechen auch das Versagen der Fürsorgebehörde, die Fritzls Erklärungen nicht nachgeprüft hatte, und das Wegschauen der Nachbarschaft, der die Zivilcourage fehlte, verdächtige Anzeichen der Polizei zu melden.
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