Projektidee gegen StrommangelSchwimmt auf dem Bielersee bald eine Solaranlage?
Geht es nach einer Energieberatungsfirma, könnte zwischen Erlach und Biel bald schon Strom produziert werden. Wäre das überhaupt möglich?

Dass es mit den erneuerbaren Energien nun so richtig vorwärtsgehen muss, da sind sich fast alle einig, denn die Angst vor Blackouts und Strommangel ist gross. Die Schweiz will in Zukunft weniger abhängig vom Ausland sein, was die Energieversorgung angeht; insbesondere aus Sonnenlicht soll künftig massiv mehr Strom gewonnen werden als bisher. So hat das Bundesparlament am letzten Tag seiner Herbstsession mehrere dringliche Massnahmen angeordnet.
Damit können unter anderem grosse Fotovoltaikanlagen in den Bergen künftig einfacher genehmigt werden. Und alle Neubauten mit einer Grundfläche von mehr als 300 Quadratmetern müssen mit Solarpanels ausgerüstet werden.
Fünf Prozent Fläche für einen Vierte Strom
Trotz solcher Massnahmen wird es lange dauern, bis die Schweiz grossflächig genug mit Solaranlagen ausgerüstet sein wird, um sich selbst auch nur einigermassen eigenständig mit Strom versorgen zu können. Schon im Sommer hat die Firma «Energie Zukunft Schweiz» eine Idee zu Papier gebracht: schwimmende Fotovoltaikanlagen. Würde man rund fünf Prozent der gesamten Schweizer Seeflächen damit ausrüsten, rechnet die Energieberatungsfirma vor, könnte das einen Viertel des schweizweiten Strombedarfs decken.
«Das ist doch schon mal eine gute Zahl», sagt Lucia Grüter, Senior-Projektleiterin der Firma, die sich selbst als «Energiewendemacherin» bezeichnet. Angenommen, jeder See in der Schweiz opfert fünf Prozent seiner Wasserfläche, würde das im Bielersee einen Solarteppich von rund zwei Quadratkilometern ergeben.
Damit liesse sich beispielsweise die gesamte Seefläche von Biel bis zu den Badestränden von Ipsach und Alfermée bedecken. Vorübergehend, denn «Energie Zukunft Schweiz» geht es nur darum, die aktuelle Stromversorgungslücke zu decken. Sind einmal alle Hausdächer mit Solarpanels eingedeckt, könne man die schwimmenden Kraftwerke wieder abbauen.
Verstecke für Fische
Natürlich würde man einen geeigneteren Platz für so eine schwimmende Solaranlage finden müssen als das Bieler Hafenbecken. Wo diese im Bielersee liegen könnte, müsste laut Grüter noch detailliert abgeklärt werden. Klar ist aber – ob auf einem See oder auf einem Hausdach –, dass eine einzige, grosse Fläche von Sonnenkollektoren günstiger und effizienter zu bauen ist als viele kleine.
«Studien zeigen, dass es keine negativen Folgen für die Gewässerökologie gibt.»
In ihrer Studie schreibt «Energie Zukunft Schweiz», ein solches Projekt sei technisch machbar und würde die Natur nicht übermässig belasten. «Im Ausland gibt es viele solche Projekte», sagt Lucia Grüter, «und erste Studien zeigen, dass es keine negativen Folgen für die Gewässerökologie gibt».
So würde sich das Wasser aufgrund von Solarpanels nicht erwärmen. Und Fischen würde die Anlage sogar zusätzlichen Schutz zum Verstecken bieten. Auf die Frage, ob sich Enten und Möwen auf den Solarpanels nicht die Füsse verbrennen würden, lacht Grüter und sagt: «Nein, das glaube ich nicht. Aber putzen müsste man sie wohl ab und zu, falls der Regen nicht reicht, um den Kot wegzuspülen, den die Vögel möglicherweise auf den Anlagen hinterlassen.»
Segler befürchten Platzmangel
In und auf einem See bewegen sich aber nicht nur Fische und Vögel, sondern auch Menschen. Die Studie gibt denn auch zu: «Für die Schifffahrt würde es zu gewissen Einschränkungen kommen.» Man gehe aber davon aus, dass akzeptable Lösungen möglich seien, wenn nur fünf Prozent eines Sees mit Panels belegt werden.
«Natürlich gibt niemand gerne einen Teil der Seefläche an die Stromproduktion ab», sagt Lucia Grüter, «aber schlussendlich stellt sich die Frage, was uns wichtiger ist – eine unabhängige Stromversorgung oder ein uneingeschränktes Freizeitvergnügen.»
Spannend wäre zu erfahren, wie man das bei der Bielersee Schifffahrt (BSG) sieht, doch eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet. Reagiert hat aber Christoph Schüpbach, der Präsident des Yachtclub Bielersee. Er findet: «Grundsätzlich sind schwimmende Solaranlagen auf geeigneten Seen eine gute Idee.» Allerdings sei der Bielersee aufgrund seiner Geometrie nicht der geeignetste See dafür.
Es sei zu bedenken, dass er an seiner breitesten Stelle, zwischen Hagneck und Ligerz, nur knapp vier Kilometer breit ist. Da sei kaum Platz für eine zwei Quadratkilometer grosse Anlage.

Schüpbach spielt das Gedankenspiel aber mit und sagt: «Für eine Realisierung würde wenn überhaupt die Südseite der St. Petersinsel infrage kommen.» Alle anderen Bereiche würden von mehreren Schifffahrtslinien durchschnitten oder der See werde stark von Seglern benützt. «Sutz ist für die Segler der interessanteste Bereich des Sees und das nördliche Seebecken neben der St. Petersinsel wird von den Seglern aus Neuenstadt benützt.»
Während sich im Sommer viele Segler und Touristen auf dem Bielersee tummeln, stellt sich für Schüpbach im Winter ein anderes Problem: «Dann ist die Solarausbeute im Seeland aufgrund der Nebellage leider nicht gut. Der See als einer der tiefsten Punkte ist davon besonders stark betroffen.»
Andere Flächen finden
Einer, der mit der Idee eines Solarteppichs auf dem Bielersee nicht viel anfangen kann, ist Raimund Rodewald. Der in Biel wohnhafte Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz sagt: «Ich kann diese Idee nur als Gedankenspiel abtun.» Er finde zwar richtig, dass man sich Gedanken mache und unterstütze auch Fotovoltaikanlagen auf Stauseen wie dem Lac des Toules im Wallis, wo ein derartiges Projekt im Mini-Massstab schon läuft. Aber die natürlichen Seen sind laut Rodewald davon zu verschonen.
«So eine Anlage wäre von überall zu sehen», sagt der Landschaftsschützer. Er spricht etwa die vielen und gut besuchten Wanderwege mit Panorama-Seeblick an: «Das wäre eine Faust ins Gesicht.» Gerade in Biel mit seinen grossen Industrieflächen, sagt Rodewald, seien viele Fotovoltaikanlagen im bebauten Raum möglich. Oder in Studen, da stehe eine grosse Parkplatzfläche, die überdacht werden könnte. «Das wären viel bessere Beispiele als der See, diese Ikone von Biel.»

Ausserdem ist Rodewald nicht einverstanden mit der Beteuerung von «Energie Zukunft Schweiz», eine schwimmende Solaranlage sei kein Nachteil für die Tierwelt: «Über den See führt eine wichtige Vogelzugroute», sagt er. Den Vögeln diene der See auch als Nahrungsquelle. Wenn sich Fische verstecken können, mag das toll für diese sein; Vögel hingegen würden darunter leiden. Des Weiteren geht Rodewald davon aus, dass sich die Sonne in den Kollektoren spiegelt. «Das ist auch problematisch für Wasservögel.»
Wo sich Raimund Rodewald und Lucia Grüter einig sind: Erneuerbare Energie soll gefördert werden, und zwar rasch. Die Idee, auf dem Bielersee einen zwei Quadratkilometer grossen Solarteppich zu installieren, dürfte allerdings vorläufig ein Gedankenspiel bleiben. Zumal die aktuelle Gesetzeslage auch nach revidierter Gesetzgebung ein solches Projekt gar nicht zuliesse. Sowohl das Raumplanungsgesetz als auch das Gewässerschutzgesetz würden entsprechende Pläne wohl verbieten.
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