«Schweizer» Senator in Italien wirft Berlusconi Stimmenkauf vor
Nach Berlusconis Auferstehung beklagt sich der Schweizer Senator in Italien, Claudio Micheloni, über Stimmenkauf. Den Grund für Berlusconis Sieg sieht er vor allem im dubiosen Parteienwechsel seines Schweizer Parlamentskollegen.

Der Neuenburger Claudio Micheloni, Senator in Italien für die Demokratische Partei (PD), kritisiert den knappen Ausgang des Misstrauensvotums zu Gunsten von Berlusconi scharf. Er spricht von Stimmenkauf und prangert seinen Schweizer Parlamentskollegen Antonio Razzi an.
Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi habe das Misstrauensvotum in der Abgeordnetenkammer «dank fünf gekauften Stimmen der Opposition» gewonnen, sagte Micheloni am Dienstag kurz nach der Abstimmung der Nachrichtenagentur SDA
Kritik an Razzi
Hart ins Gericht geht Micheloni mit seinem Schweizer Kollegen, dem Wahlluzerner Antonio Razzi. Der Auslanditaliener war 2006 für die Oppositionspartei «Italien der Werte» in die Abgeordnetenkammer gewählt worden.
Kurz vor der für Berlusconi schicksalhaften Abstimmung gab Razzi am vergangenen Donnerstag seinen Wechsel zur rechten Partei «Noi sud» (Wir, der Süden) bekannt.
Dubioser Parteiwechsel
Razzi begründete seinen Wechsel damit, dass er von seiner ehemaligen Partei «Italien der Werte» kaum beachtet worden sei. Der 62-Jährige muss sich nun von seiner ehemaligen Gruppierung - der Anti-Korruptions-Partei - happige Vorwürfe gefallen lassen: Er habe sich von Berlusconi kaufen lassen. Der Wahlluzerner hatte die Anschuldigungen vergangene Woche bestritten.
Der dubiose Parteienwechsel so kurz vor der Vertrauensabstimmung rief am Freitag auch die Justiz auf den Plan: Die römische Staatsanwaltschaft nahm Vorermittlungen zu mutmasslichen dunklen Geschäften vor den entscheidenden Abstimmungen auf. Ausgelöst hatte die Untersuchungen der ehemalige Chef von Razzi, Antonio Di Pietro.
«Verraten und beleidigt»
Razzi habe die Auslanditaliener «durch und durch verraten und beleidigt», sagte Micheloni, er sei empört. Der angeschuldigte Razzi war am Dienstag nicht erreichbar für eine Stellungnahme.
Senator Micheloni erwartet trotz allem nicht, dass sich Berlusconi länger als bis Mitte Januar und die nächsten Reformabstimmungen halten kann.
Unsicherheit bleibt
Auch nach dem Abstimmungserfolg von Ministerpräsident Silvio Berlusconi bleit Unsicherheit die einzige Konstante in Italiens Politik. Dafür spricht die hauchdünne Mehrheit von drei Stimmen, mit denen der 74-Jährige am Dienstag seinen Chefsessel rettete.
Neuwahlen im Frühjahr sind deshalb wahrscheinlich. Und die seit dem Bruch der Koalition zum Königsmacher aufgestiegene Lega Nord steht schon in den Startlöchern, um Berlusconis Partei Volk der Freiheit den ersten Platz im politischen Spektrum streitig zu machen - zumindest im industriellen Norditalien.
Wie viel politisches Kapital Berlusconi verspielt hat, zeigt ein Blick zurück in das Jahr 2008. Bei seiner triumphalen Rückkehr an die Regierung konnte er sich auf eine Mehrheit von 100 Sitzen stützen.
Der auf drei Stimmen zusammengeschmolzene Vorsprung unterstreicht zudem die Abhängigkeit der Mitte-Rechts-Regierung vom Wohlwollen einiger Abgeordneter, die wichtige Vorhaben zu Fall bringen können.
Kaum regierbar
«Das bedeutet potenzielle Lähmung. Mit einer Mehrheit von drei Stimmen, die jederzeit schmelzen kann, lässt sich nur schwer regieren», zeigt sich Paul Ginsborg von der Universität Florenz überzeugt.
Trotz seines Abstimmungserfolgs sei Berlusconi sichtlich geschwächt. Die Krise gehe weiter, und das helfe Italien in einer schwierigen Phase der Weltpolitik nicht.
Angesichts der grassierenden Schuldenkrise in der Euro-Zone, einer schwächelnden Wirtschaft und Hinweisen auf soziale Unruhen verlängert Berlusconis Abstimmungserfolg nur die Agonie einer lustlosen Regierung, die unfähig ist, dringend notwendige Reformen auf den Weg zu bringen.
Seit dem Bruch mit seinem langjährigen Weggefährten Gianfranco Fini ist Berlusconi auf die Stimmen versprengter Abgeordneter angewiesen. Beobachter halten deshalb vorgezogene Neuwahlen im kommenden Jahr für wahrscheinlich.
Lega wartet noch auf geeigneten Zeitpunkt
Der in mehrere Sex- und Korruptionsskandale verwickelte Berlusconi hat angekündigt, die Basis der Koalition um «Gemässigte» etwa aus dem Lager Finis und der christdemokratischen UDC zu erweitern. Doch dagegen spricht nicht nur das vergiftete Verhältnis Berlusconis zu Fini. Auch die Lega Nord hat Vorbehalte.
Die fremdenfeindliche Lega, die von Wahl zu Wahl zugelegt hat, will die Italiener möglichst bald an die Wahlurnen rufen. «Angesichts des Chaos im Parlament sind Wahlen das einzig Vernünftige», gab Lega-Chef Umberto Bossi unlängst die Parole aus. So wie bisher könne es nicht weitergehen.
Die Lega habe das klare Interesse, einen geschwächten Berlusconi zu unterstützen und dann die politische Dividende zu ernten, wenn in einigen Wochen klar sein werde, dass diese Legislatur am Ende sei, hiess es im Leitartikel der italienischen Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore».
SDA/ske
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