Zorn und Zwängerei
Die Waadtländer FDP reibt sich mit ihren Bundesratsambitionen an Guy Parmelin auf.

Ginge es nach dem Selbstverständnis der Waadtländer FDP, sässe stets jemand aus ihren Reihen im Bundesrat. 14 Bundesräte hat die FDP Waadt in der Geschichte des Bundesstaats hervorgebracht. Eine beeindruckende Ahnengalerie, die auch der Sozialdemokrat Pierre Graber nicht aufzumischen wagte. Obwohl Stadtpräsident von Lausanne und zweifellos waadtländischer Prägung, wurde Graber 1969 als Vertreter seines Geburtskantons Neuenburg in den Bundesrat gewählt.
Die Zeiten haben sich für die FDP Waadt geändert. Bundesratsambitionen hegt die Partei zwar immer noch, doch ihr Machtverlust in Bundesbern ist augenscheinlich. Die Wende kam mit dem Rücktritt von Jean-Pascal Delamuraz. Seit Delamuraz 1998 demissionierte und kurz darauf verstarb, hat die Partei keine herausragenden Figuren mehr, hinter denen sich ihre Mitglieder vereinen. Stattdessen versuchen Clans, ihre Eigeninteressen durchzudrücken, und arbeiten mehr gegeneinander als miteinander. Es ist kein Zufall, dass sich diesen Sommer gleich drei Waadtländer Freisinnige als Bundesratskandidaten ausriefen.
Zwar keimte in der FDP Waadt Hoffnung auf, als sich Finanzdirektor Pascal Broulis 2009 anschickte, Nachfolger des abtretenden Couchepin zu werden. Doch die Erwartungen zerschlugen sich rasch. Broulis schaffte es nicht einmal aufs FDP-Ticket. Dass die Fraktion Broulis schroff zur Seite schob, war für die Waadtländer Freisinnigen eine veritable Demütigung. Broulis schien schlecht auf seine Kandidatur vorbereitet und wurde insbesondere wegen seiner mangelnden Deutschkenntnisse übergangen. Freisinnige befürchteten, er würde in den Partei-Hearings die Fragen nicht verstehen, die man ihm stellen würde. Eine solche Peinlichkeit wollte die FDP sich und Broulis ersparen.
«Rivalisierende Clans arbeiten in der FDP gegeneinander.»
Frust und Zorn über Broulis' Scheitern waren beim Waadtländer Freisinn riesengross. Und die Frustbewältigung hält an, denn Guy Parmelin sprengte 2015 die über Jahrzehnte gewachsene FDP-Tradition, dass ausschliesslich der staatstragende Freisinn – und nur er – die Waadt im Bundesrat vertritt.
In SVP-Politikern wie Parmelin sehen Waadtländer Freisinnige gewöhnlich Juniorpartner. Doch obschon sich die Parteien in den letzten Jahren voneinander entfernten, manch Freisinniger verächtlich auf die «parti agrarien» hinunterblickt und die SVP für allgemein niveaulos und ziemlich unfähig hält, finden sich FDP und SVP hin und wieder zusammen. Die FDP hat sich der 20-Prozent-Partei in den letzten Jahren mehrfach generös als Steigbügelhalter angeboten, um ihren im Jahr 2011 verlorenen Regierungsratssitz zurückzuerlangen.
Doch die Hilfe der FDP brachte nichts. Die SVP ist stets gescheitert. Guy Parmelin lehnte es zum Ärger der FDP sogar ab, zu den Regierungsratswahlen anzutreten. Nun sitzt der Juniorpartner im Bundesrat und hat als Verteidigungsminister nicht wirklich an Statur gewonnen. Das nervt die FDP Waadt gewaltig.
Eine Form des Selbstbetrugs
Doch der Waadtländer Freisinn ist selbstbewusst genug, Parmelin weitestgehend zu ignorieren. Die Partei ist sich einig, dass das Parlament Parmelin nicht als Waadtländer in den Bundesrat wählte, sondern ihn anstelle von Christoph Blochers Ziehsohn Thomas Aeschi installierte, um dem SVP-Übervater eins auswischen. In dieser Überzeugung war es für die Partei ein Leichtes, im August Nationalrätin Isabelle Moret als ihre Bundesratskandidatin aufzustellen.
Doch Parmelins Herkunft zu verleugnen, ist aus Sicht der FDP-Waadt so etwas wie Selbstbetrug. Das weiss auch Isabelle Moret. Sie hat Mühe, sich als Waadtländer Kandidatin zu legitimieren. «Meine Kandidatur ist eine Westschweizer, nicht eine Waadtländer Kandidatur», sagte sie der NZZ. Sie und Parmelin hätten sehr unterschiedliche Profile. Er komme aus der Landwirtschaft, sie aus der Wirtschaft, er sei eher ländlich geprägt, sie hingegen eine urbane Frau und alleinerziehende Mutter.
Doch so sehr sich Isabelle Moret verbal von Parmelin entfernt und so glorios die Geschichte der FDP Waadt ist: Parmelin blockiert die Tür zum Bundesrat. Der Anspruch auf einen Bundesratssitz wirkt wie Zwängerei.
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