Brisantes halbbatzig vernichtet
Ein peinlicher Fehler ist dem Bundesrat beim Schreddern der brisanten Akten im Atomschmuggelfall Tinner unterlaufen: Ein eidgenössischer Untersuchungsrichter besitzt Duplikate jener vermeintlich vernichteten Akten.
Beim Schreddern der Akten im umstrittenen Atomschmuggel-fall Tinner haben der Bundesrat und wahrscheinlich auch der amerikanische Geheimdienst CIA offensichtlich nicht sehr gründlich gearbeitet. Das zeigen neue Recherchen.
Pikant: Der eidgenössische Untersuchungsrichter Andreas Müller besitzt nicht nur jenen Teil der Tinner-Akten, der ihm offiziell für die Ermittlungen von der Bundesanwaltschaft übergeben wurde. In seinem Archiv liegen auch Kopien von einem Teil jener angeblich hochbrisanten Akten, die der Bundesrat Ende letzten Jahr vernichtet hatte. Das war bislang nicht bekannt. Müller hat es am Dienstag in einem Nebensatz im «Tages-Anzeiger» erstmals erwähnt. Müller bestätigte gestern den Sachverhalt gegenüber dieser Zeitung.
Gefährliche Pläne
Die vom Bundesrat vernichteten Akten waren offenbar so brisant, dass der Bundesrat die Bundesanwaltschaft letztes Jahr gezwungen hatte, sie herauszugeben, um sie zu schreddern. Die Akten sollen unter anderem Anleitungen zum Bau von Atombombenteilen enthalten haben. Laut der Bundesanwaltschaft, hat der Bundesrat die Akten auf Drängen des amerikanischen Geheimdienstes CIA vernichtet. Die Art und Weise der Schredderaktion ist notabene unter Politikern umstritten.
Im Klartext bedeutet jene erst jetzt bekannt gewordene Existenz kopierter Akten im Archiv des Untersuchungsrichters: Dem Bundesrat ist bei der Vorbereitung der Schredderaktion entgangen, dass nicht nur die Bundesanwaltschaft, sondern auch das eng verwandte Untersuchungsrichteramt bereits damals mit jenen angeblich brisanten Akten zu tun hatte. Untersuchungsrichter Müller sagt, der Bundesrat habe bei ihm nie die Herausgabe von Akten gefordert.
Warum es die Kopien gibt
Der Grund, weshalb der Untersuchungsrichter Kopien der geschredderten Akten besitzt: Die St.Galler Gebrüder Urs und Marco Tinner sitzen seit 2004 in Untersuchungshaft. Sie werden verdächtigt, Erbauern der pakistanischen Atombombe zugedient zu haben. Bereits vor mehr als einem Jahr hatten die Gebrüder Tinner zum ersten Mal ein Gesuch um Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellt. Damals war noch nicht das Untersuchungsrichteramt, sondern die Bundesanwaltschaft im Fall am Ermitteln. Das Untersuchungsrichteramt war jedoch schon in jener Zeit verantwortlich für die Behandlung des Haftentlassungsgesuches. Deshalb musste die Bundesanwaltschaft schon damals dem Untersuchungsrichteramt Beweismaterial aus der Ermittlungsakte der Gebrüder Tinner zustellen.
So kam das Untersuchungsrichteramt bereits lange, bevor es die Akte Tinner für die Ermittlungen übernahm, in den Besitz von Kopien jener durch den Bundesrat vernichteten Akten. Der Untersuchungsrichter hatte die Akten nach der Bearbeitung des Haftentlassungsgesuches routinemässig archiviert.
Bundesrat schweigt
Warum der Untersuchungsrichter weiss, dass es sich um Kopien der geschredderten Akten handelt: «Genau jene Akten, die wir damals im Zusammenhang mit dem Haftentlassungsgesuch erhielten, waren später, als wir die Ermittlungsakte von der Bundesanwaltschaft übernahmen, nicht mehr bei den Unterlagen.» Das Eidgenössische Justizdepartement wollte sich gestern zu den beim Untersuchungsrichter aufgetauchten Akten nicht äussern. Laut älteren Meldungen sind auch in deutschen Justizämtern und in St.Gallen Tinner-Akten vorhanden. Ob es Kopien der vernichteten Akten sind, ist aber nicht klar.
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